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Theaterstück "Schweizer Schönheit"
Der Revolutionär in der Doppelhaushälfte

Im Zentrum von Dani Levys Komödie "Schweizer Schönheit" am Schauspielhaus Zürich steht ein bis dahin leicht biederer Familienvater. Als er erfährt, dass sich die notorische Fremdgeherei seiner Frau nicht nur auf den besten Freund, sondern auch auf den eigenen Vater erstreckt, streift er alte Wesenszüge ab.

Von Cornelie Ueding | 21.02.2015
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    Dass der Filmemacher Dani Levy von den Möglichkeiten und der Komplexität des Theaters fasziniert ist, wird deutlich. Wie fremd ihm die Mittel des Theaters sind, leider ebenfalls. (picture alliance / dpa / Georg Wendt)
    "Mach irgendetwas" – mit diesen Worten hätte ihn die Intendanz geködert –erzählt Dani Levy, der Autor und Regisseur der "fundamentalistischen Komödie" "Schweizer Schönheit" auf offener Bühne, als er am Ende, bewegt und sympathisch, allen Mitwirkenden einzeln dankt. "Mach irgendetwas" – irgendetwas Schweizerisches, zugleich irgendwie kritisches, irgendwie aktuelles, irgendwie witziges... Herausgekommen ist dabei etwas irgendwie - Überzuckertes: Der geprobte Aufstand des saturierten Doppelhaushälften-Aussteigers Balz verlief so angenehm störungsfrei, dass sich am Ende Eidgenossenschaft, Bühnenpersonal und Regisseur jubelnd und gerührt in den Armen lagen.
    Im Zentrum der als rabenschwarz, aberwitzig, abgründig fundamentalistisch leider nur angekündigten Komödie steht ein bis dahin unauffälliger Familienvater. An seinem 50. Geburtstag erfährt er, dass die notorische Fremdgeherei seiner Frau sich nicht nur – klischeehaft – auf den besten Freund, sondern, nicht minder klischeehaft, auf den eigenen Vater erstreckt. Die angestrebte Leitungsposition wird natürlich just an einen anderen, jüngeren, zupackenderen Bewerber mit dem richtigen Parteibuch vergeben.
    Donner, Blitz und Rasenmäher um Mitternacht – und schon ist aus dem Biedermann ein scheinbar Irrwitziger geworden, der sich im unaufgeräumten Gartenschuppen verbarrikadiert oder grimassierend im älplerischen Veitstanz über die Bühne torkelt. Eine Irritation? Gewiss. Ein Ärgernis? Gar eine politische Gefahr? Kaum vorstellbar: Schließlich gilt sein größter Übergriff dem Kühlschrank im alles andere als trauten Heim. Offenbar brauchen aber die lieben Mitmenschen immer mal wieder einen Grund, um sich zu empören.
    Erst schreitet der karrierebewusste Nachbar ein, kurz darauf scheint der ganze Ort, ja die Republik zu beben. Der regionale Störenfried mutiert zur Netzikone und infiziert mit seiner 'Revolte' noch andere Systemkritiker, Nestbeschmutzer und Provokateure. Im Gegenzug formieren sich landsturmartige Vertreibungsbanden und fuchteln des Nachts mit Fackeln vor der Doppelhaushälfte. Was zur Folge hat, dass sich die Familie dem vormals verachteten, jetzt sympathisch verlotterten Querulanten wieder annähert.
    Bedenkzeit für den Himmelseintritt
    Immer wieder zwischendurch: Einblicke in das sterbenslangweilige Dasein vernachlässigter "Grüner Witwen" inklusive Schlafzimmerfrust, Kofferpacken und Trennungswut. Klischees, die nahelegen sollen, dass der Schuppenrebell zum Vorbild für alle werden könnte, die von der Kälte, dem Zynismus und der Verlogenheit des zutiefst korrupten Wohlstandssystems die Nase voll haben. Am Ende steht er – von Schüssen aus dem Hinterhalt niedergestreckt - vorm eidgenössischen Himmelreich, das sich als vertrautes Doppelhaushälften-Paradies entpuppt. Da bittet er vor dem Eintreten dann doch lieber nochmal um Bedenkzeit.
    Dass der Filmemacher Dani Levy von den Möglichkeiten und der Komplexität des Theaters fasziniert ist, wird deutlich. Wie fremd ihm die Mittel des Theaters sind - ebenfalls. Dass der theatralische Aufstandsversuch aber so zuckrig beschönigend und abgrundtief harmlos ausfällt, erklärt sich auch durch die Dürftigkeit des ebenfalls von ihm selbst verfassten Textes. Während der Arbeit offenbar hinzugefügte Aktualisierungen wie der Rebell in weißer Burka, Allah-Rufe und Surenklang verraten allenfalls die Absicht, sich einer hochbrisanten Thematik zu stellen, die aber von dieser Muppet-artigen Außenseiter-Homestory helvetischer Art nicht zu erfassen ist. Zu Recht bejubelt wurden die von Jojo Büld konzipierten und einstudierten Song-Einlagen. Nur dann brachen Gefühle auf, wurden Figuren hinter den Chargen erkennbar. Auch Levy selbst hat das wohl erkannt und lässt das Ganze dann bezeichnenderweise als eine Art Musical mit rührseligem Schlusstableau enden. Letztlich können aber weder Songs noch die gekonnten Video-Einspielungen das Hier und Jetzt des Theaters ersetzen.