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Theaterstück "Silver Sex"
Der Sex der älteren Generation

Die Gesellschaft wird immer älter - aber der Sex bleibt jung? Auf den Bildern, die uns überall umgeben, hat Erotik immer mit Jugendlichkeit zu tun. Über Sex im Alter wird hingegen kaum gesprochen. Genau das will die Theatergruppe "Lovefuckers" nachholen. Sie hat Menschen über 70 interviewt und die Erkenntnisse im Stück "Silver Sex" zusammengefasst. Heute Abend ist in den Berliner Sophiensälen Premiere.

Von Oliver Kranz | 19.05.2016
    Programmbild zum Stück "Silver Sex", welches am 19. Mai in den Berliner Sophiensälen Premiere feiert.
    Programmbild zum Stück "Silver Sex", das am 19. Mai in den Berliner Sophiensälen Premiere feiert. (Silver Sex / Andreas Martini)
    Die Spielfläche ist leer. Hinten gibt es einen Vorhang, auf den Videoaufnahmen der Interviews projiziert werden, die die Gruppe vorab geführt hat. Doch zuerst betreten Ivana Sajević und Nils Zapfe selbst die Bühne. Sie sind nackt.
    "Nils?"
    "Ja."
    "Du bist jetzt 35."
    "Das stimmt."
    "Noch mal 35 und du bist 70."
    "Stimmt auch."
    "Glaubst du, du wirst mit 70 noch Haare haben?"
    "Wirst du in 35 Jahren noch beide Brüste haben?"
    "Wirst du in 35 Jahren auf Hilfe beim Masturbieren angewiesen sein?"
    Lebenslustige Rentner
    Unangenehme Fragen. Wer denkt schon gern über die Probleme des Altseins nach? Doch in den Interviews sind ziemlich lebenslustige Rentner zu sehen.
    "Ich bin 83 nicht. Aber das ist kein Problem für mich, weil ich sage, ich habe immer mehr Spaß daran, das Privileg des Altseins zu genießen, weil ich mich viel offener fühle."
    Als Beweis zieht sich der alte Herr vor der Kamera aus und geht unter die Dusche. Er berichtet über seine Besuche in einem Domina-Studio, als würde er übers Wetter reden. Macht Altsein hemmungsloser? Ivana Sajević schüttelt den Kopf.
    "Wir haben es ja auch thematisiert in dem Stück. Es gibt nichts, was repräsentativ steht für die Generation. Es ist eben sehr individuell. Also die Leute, die wir interviewt haben, die wir getroffen haben, das sind alles einzelne Personen gewesen, die sehr unterschiedliche Biografien haben und auch unterschiedliche Entwicklungen genommen haben."
    Vor der Kamera sprachen natürlich nur die, denen das Thema nicht peinlich ist. Andere ließen sich per Telefon interviewen - zum Beispiel Erika. Was sie berichtet, wird auf der Bühne von Nils Zapfe gesprochen.
    "Als ich zwölf war habe ich in einem Schulwohnheim gewohnt mit zwölf anderen Mädchen und da lief mir auf einmal Blut zwischen den Beinen herunter. Ich hatte meine Tage. Und meine Mutter sagte: Jetzt bist du erwachsen, jetzt musst du anständig sein. Mehr nicht. Ich bin mir sicher, dass vieles was Mädchen so im Laufe eines Lebens passieren kann, hätte vermieden werden können, hätte man früher darüber gesprochen"
    Gummipuppe mit faltiger Haut
    Während Nils Zapfe spricht, lässt Ivana Sajević einen Dildo in eine riesige Schaumstoff-Vagina gleiten. Unnötige Illustration. Doch die Aufführung wechselt schnell zum nächsten Thema: Sexspielzeug aus dem Internet.
    "Der Markt kennt unsere Bedürfnisse und ich glaube, der Markt kreiert auch unsere Bedürfnisse der Zukunft."
    "Unser Motto war: Erkenntnis durch Konsum."
    "Das erste Produkt, das wir bestellt haben, war für 29,90 Euro."
    "Die GILF"
    Die beiden präsentieren eine aufblasbare Sexpuppe mit faltiger Haut. Und das soll das Sexspielzeug der Zukunft sein? Auch der ferngesteuerte Vibrator, der als nächstes gezeigt wird, sieht eher konventionell aus.
    "Das war auch so ein Punkt, dass wir dachten, das wird sich gar nicht so stark verändern, weil es nun mal Geschlechtsteile sind, die imitiert werden, die wir immer noch haben."
    Die Aufführung reiht Erlebnisberichte, Produktpräsentationen und Puppenspielszenen mit Geschlechtsorganen aus Schaumstoff aneinander - alles sehr sachlich und behutsam. Doch wozu das Ganze? Das Stück soll nicht als Sexratgeber für die ältere Generation missverstanden werden, sagen die Akteure:
    "Uns hat ja neben der Sexualität für Ältere jetzt auch unsere Sexualität für später beschäftigt."
    "Wir reden indirekt natürlich immer über uns. Wir setzen uns ja mit jedem auseinander, den wir da porträtieren oder zitieren. Wir suchen nach einer Haltung dazu, wie wir es finden."
    Alt werden ist nichts für Feiglinge
    "Wirst du mit 70 besseren Sex haben als jetzt?"
    "Wirst du überhaupt noch Sex haben?"
    "Hast du Angst vorm Älterwerden?"
    "Freust du dich aufs Älterwerden?"
    Schon die Art der Frage verrät eine Haltung. Alt werden ist nichts für Feiglinge. In den Geschichten, die an dem Abend erzählt werden, ist immer wieder von Überraschungen die Rede, die verschiedene Lebensabschnitte bereithalten. Offenheit ist gefragt - und das nicht nur im Sexleben.