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Theaterstück "Sugarland"
Das harte Teenager-Leben im australischen Hinterland

Von Gesine Kühne | 27.08.2014
    Ein schlankes Mädchen mit langen dunklen Haaren und dunkler Haut betritt die Bühne, die mit Metallmöbeln ausgestattet ist. Das Mädchen verteilt rote Erde. Es ist Nina - die Hauptperson in "Sugarland". Sie nimmt den Zuschauer mit nach Katherine. Aber nicht nur ins Schwimmbad, zum Skatepark und dem einzigen Supermarkt.
    Nina nimmt den Zuschauer auch gleich mit zu sich nach Hause. In ein Camp vor der Stadtgrenze. Dort lebt die Schülerin. Mit zwölf anderen in einem Zimmer.
    "Nina ist 15, kommt aus Beswick. Sie ist unabhängig und stark. Das hat sich aus ihren Lebensumständen heraus entwickelt. Sie musste schnell erwachsen werden, sie wurde quasi zur Ersatz-Mutter. Das ist eine große Last für sie - deshalb muss sie unabhängig und stark sein."
    Dubs Yunupingo ist selbst erst 17 Jahre alt und kommt aus einer Ureinwohnerfamilie. Sie spielt die Rolle der Nina.
    Nina will dringend ein eigenes Haus. Denn, da wo sie jetzt lebt, bei ihren Verwandten, da wird sie ständig angebettelt. Und sie erlebt Gewalt. Sie entschließt sich, an einem Gesangswettbewerb teilzunehmen, um 5000 Dollar zu gewinnen. Der erste Schritt zum Eigenheim, denkt sich der Teenager. Als sie aus Scham den Wettbewerb abbricht, verspielt sie ihre Chance auf den Gewinn. Plan B - eine Schwangerschaft, denn dann bekommt sie vom Staat ein Haus.
    Es ist die erste Rolle der jungen Frau aus Sydney. Eigentlich ist Dubs Yunupingo Tänzerin - dennoch spielt sie wie ein Profi, weil sie die Probleme von Nina kennt.
    "Es läuft genauso wie da, wo ich herkomme. Dort sieht man viele junge Mädchen mit ihren Freunden, die schwanger werden, um eine eigene Unterkunft zu bekommen. Das ist die Wirklichkeit. Es gibt die gleichen Alkohol- und Drogenprobleme. Es ist traurig, die eigene Familie so zu sehen."
    "Sugarland" ist eine Fiktion - basierend auf Fakten, sagt Rachael Coopes. Die Autorin und Schauspielerin aus Sydney hat das Stück zusammen mit Wayne Blair geschrieben. Über vier Jahre sind sie immer wieder nach Katherine gereist, um zu recherchieren.
    "'Sugarland' ist ein Schnappschuss. Wir zeigen Jugendliche, die in abgelegenen Orten aufwachsen. Generell geht es ums Jungsein in Australien. Darum, wie wichtig die Teenagerzeit ist. Dennoch steht für diese Kids mehr auf dem Spiel als für viele andere Kinder, die in westlichen Ländern aufwachsen."
    Herausgekommen ist ein Theaterstück, das das Leben von fünf Teenagern zeigt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nina und Jimmy, beide Uraustralier. Sie ist gut in der Schule, aber voller Scham, er Draufgänger, Trinker und nicht an Schule interessiert. Dann gibt es noch den Boxer Charles, der sich als Weißer immer vernachlässigt fühlt, "weil die Aborigines alles auf dem Silbertablett serviert bekommen!" Aaron, ein tollpatschiger, lustiger Typ aus dem Irak, und Erika, das verwöhnte Gör aus Melbourne, das von Airforce-Base zu Airforce-Base ziehen muss und sich aus Einsamkeit ritzt. Die Gemeinsamkeit der Fünf: Sie hören dieselbe Musik.
    Obwohl der Zuschauer mit "Sugarland" eine Problemkeule nach der anderen um die Ohren gehauen bekommt, ist das Stück nicht bedrückend. Es ist lustig und kurzweilig. Autorin Coopes fügt hinzu:
    "Es war mir wichtig, dass es komisch bleibt. Das soll nicht wie eine Predigt wirken. Es beobachtet. So nach dem Motto: Hier sind wir gerade. Und nun? Was machen wir jetzt? Ich weiß das auch nicht - aber der Anfang sollte sein, uns selbst zu betrachten. Vorsichtig und mit einem Augenzwinkern."
    Eine bittersüße Geschichte rund um fünf Teenager. "Sugarland" reißt die Zuschauer bei der Uraufführung im Nordterritorium zu Standing Ovations hin. Und nicht nur Australier sind begeistert von der Kraft der Geschichte. Auch die 24-jährige Lillie aus London.
    "Zwei Kulturen, die nebeneinander existieren - das ist ein starkes Thema für ein Theaterstück."
    Denn unterschiedliche Kulturen treffen nicht nur im australischen Outback aufeinander. "Sugarland" ist eine Produktion des "Australian Theatre for Young People" und wird ab heute in Sydney gezeigt. Die Macher des Stückes wollen "Sugarland" auch als Film produzieren, um den Rest der Welt an der Geschichte teilhaben zu lassen.