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Theatraliker von Geblüt

August Wilhelm Iffland, der zur Goethezeit nicht nur als der größte Schauspieler galt, war auch einer der erfolgreichsten Bühnenautoren und Theaterdirektoren seiner Zeit. Nach ihm ist der "Iffland-Ring" benannt, die bedeutendste Auszeichnung für Schauspieler deutscher Zunge.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 19.04.2009
    "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!"

    Vielleicht hat es sich so angehört, wenn August Wilhelm Iffland den Hamlet gab. Und er gab die großen Rollen gern, wenn auch ein bisschen pompös mit breiten malenden Gesten der beringten Hand - Iffland, geboren am 19. April 1759, war Theatraliker von Geblüt. Als Kind wickelte er sich in Vorhangstoffe und deklamierte mit wütender Emphase Reden vom Lehnstuhl herab - die Tanten im Wohnzimmer waren zu Tränen gerührt, die Eltern erkannten das Schauspieltalent und empfahlen ihm - nein, weder die Politik noch das echte Theater - sie rieten zur Kanzel. Frommen Herzens erforschte der Knabe Iffland die Dramaturgie des Gottesdienstes. Später schrieb er seine Beobachtungen auf.

    Nun trat der Prediger auf die Kanzel. Er stand allein, er stand im Dunkeln. Er sang in einem heulenden Jammertone, niemand antwortete ihm, und Menschen waren eingeschlafen.

    So glanzlos wollte Iffland nicht leben. Ihn hatte die von Lessing im Geiste der Aufklärung und der Moral entfesselte Theatromanie ergriffen. Kaum 18 geworden entwich er aus dem Hannoveraner Juristenhaushalt und machte sich auf nach Gotha. Da gab es ein kleines Hoftheater, bei dessen ruhmreichem Direktor Eckhof er vorsprach.

    Meine halbe Rede brachte ich vor, aber ich musste weinen - ich konnte nichts sagen. Er reichte mir treuherzig die Hand - durch alle Glieder fuhr mir die Weihe.
    Es war ein Glück, bei einem stehenden Theater spielen zu dürfen. Die Theaterleute waren in der Mitte des 18. Jahrhunderts oft noch fahrendes Volk, Zotenreißer, die Bretterbuden auf Marktplätzen aufschlugen und Stücke spielten wie "Hans Wurst in der Hölle" oder "Der Förster im Schmalzkübel". Und selbst auf den seriösen Hofbühnen nahm man die Schauspielkunst zwar wichtig, aber beileibe nicht immer ernst. Es kam schon mal vor, dass den Schauspielern auf der Bühne der Text abhanden kam, den sie auf dem Weg aus der Schenke ins Theater notdürftig memoriert hatten, ebenso, dass ein desorientierter Bühnenmeister den dramatischen Augenblick verdarb.
    Hamlet schauderte vor den Geheimnissen der Ewigkeit. Der Geist hebt an zu reden. Indem hört man ein widriges Geklapper vom Bühnenmeister - das Publikum lacht, der Geist flucht und hustet. Wir nahmen die Flucht.

    Iffland hielt es nicht lange aus in der Provinz. "Nationaltheater" hieß das Projekt der Zeit, für das er Gotha verließ und erst als Schauspieler nach Mannheim und 1796 nach Berlin ging - nun schon als Intendant mit Ministergehalt. Er schaffte es, das Theater für die bürgerlichen Schichten der Hauptstadt interessant zu machen. Nicht nur Unterhaltung, vor allem Aufklärung und moralische Erziehung standen auf dem Programm. Iffland führte die Dramen seiner Freunde Goethe und Schiller auf, gab ihren Helden Gesicht und Charakter und schrieb auch selbst Stücke im Geist der Zeit.

    Es ist mein Vorsatz, bürgerliche Verhältnisse dramatisch zu behandeln. Ich wünsche, dass die Zuschauer mein Stück mit gutmütigen Gefühle verlassen mögen.
    Das ist ihm gelungen. Seine Stücke waren erfolgreicher als die der gesamten Weimarer Klassik. Sie handelten von den Fehltritten rüstiger Buchbinder und strammer Försterstöchter, die zur Freude des Publikums immer wieder auf den rosenbestreuten Pfad der Tugend zurückfanden. Da glühten die Herzen im Parkett. Iffland wurde gefeiert und genoss den Erfolg, aller Kritik der romantischen Intellektuellen um Kleist zum Trotz. Er ging bei Ministern ein und aus und war der erste deutsche Schauspieler, der einen Orden bekam. Er lebte auf großem Fuß und vergnügte sich, allerdings lieber mit seinem lustigen Diener Georg als mit seiner Frau.

    Ich würde vor Langeweile umkommen, wenn ich den ganzen Tag gegenüber der Feinheit meiner übrigens höchstguten Frau leben sollte.

    Der Mann mit den unglaublich schönen schwarzen Augen wurde in seinen späten Jahren sehr dick. Sein Spiel war jetzt, so hieß es, ein fortwährender Triumph des Geistes über den Körper - das konnte nicht lange gut gehen. 1814, nur 55 Jahre alt, starb Iffland. Und er wäre wahrscheinlich längst vergessen, wenn es nicht diesen Ring gäbe, den sein Bildnis ziert und den bis heute immer ein großer Schauspieler deutscher Zunge tragen und an einen Nachfolger seiner Wahl vererben darf. Allerdings weiß niemand ganz genau, ob Iffland selbst den Iffland-Ring je trug. Aber darauf kommt es wohl auch nicht an. Was ein echter Schauspieler ist, der trägt den Ring im Herzen.

    "Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage."