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Themenreihe Mittelpunkt Mensch
Forschungswissen für Afrika

Schlechte Ausstattung, wenige Ressourcen - Wissenschaftler in Entwicklungsländern Afrikas arbeiten oft unter widrigen Bedingungen. Zur Lösung von Problemen wie Malaria oder Ebola sind sie meist abhängig von Forschungszentren in anderen Ländern. Um das zu ändern, hat Lucia Prieto Godino eine Organisation gegründet, die afrikanischen Forschern Hilfe zur Selbsthilfe bietet.

Von Anneke Meyer | 10.02.2017
    Lucia Prieto Godino
    Lucia Prieto Godino - hier bei einem Neuroscience Kurs im Jahr 2015 - hat "Teaching and Research for Development in Africa", kurz TreND, gegründet. (Tom Baden)
    "Wir sind hier am Zentrum für integrative Genetik der Universität Lausanne. Hier arbeite ich. Und das hier vor uns ist ein riesiger Haufen von Gegenständen, die man für naturwissenschaftliche Forschung braucht. Wir haben das alles gespendet bekommen."
    Kartons voller Plastikgefäße, Plexiglaskästen, Gummihandschuhe, dazwischen große Geräte mit reichlich Noppenfolie umhüllt. Lucia Perieto Godino stapelt Material auf eine schon ziemlich dicht bepackte Europalette.
    "Unter dieser Folie zum Beispiel ist ein konfokales Mikroskop. Das schicken wir nach Nigeria."
    Godino selbst erforscht die Evolution des Geruchssinns
    Lucia Prieto Godino lacht viel und kann für eine kleine Frau erstaunlich schwer heben. Zwischen zwei Lagen Packfolie wirft sie einen schnellen Blick auf die Uhr. Ihre eigentliche Arbeit findet drei Stockwerke weiter oben statt. Die Spanierin ist Nachwuchswissenschaftlerin. Sie erforscht die Evolution des Geruchssinns und wenn ihr laufendes Experiment gelingen soll, ist es jetzt Zeit sich um die Proben zu kümmern.
    Nebenbei ist sie Gründerin von "Teaching and Research for Development in Africa", kurz TreND. Eine Nicht-Regierungsorganisation zur Förderung von Wissenschaftlern in Afrika. Eigentlich ein Zufall, erzählt sie, während sie beginnt die Flüssigkeit zu tauschen, in der die Gewebeproben schwimmen:
    "Im ersten Jahr meiner Doktorarbeit war ich bei einem sehr guten Lehrgang in den USA. Und dort traf ich Sadique Yusuf, der als Neurowissenschaftler in Uganda arbeitete. Ich hatte vorher nie daran gedacht, dass es natürlich auch Wissenschaftler in Afrika gibt. Wir sprachen über unsere Ziele und Pläne, was es bedeutet, gute Wissenschaft zu machen. Dabei wurde mir klar: wir wollten das gleiche, aber hatten nicht dieselben Chancen, es zu tun. Nur weil wir auf unterschiedlichen Kontinenten geboren waren."
    Idee entsteht durch eine Begegnung
    Die beiden halten Kontakt und als Lucia mit ihrer Doktorarbeit fertig ist schlägt sie Sadique vor, ihn zu besuchen. In ihrer Promotion hat sie molekularbiologische Methoden gelernt, die nicht teuer sind, von denen aber kaum jemand in Afrika die Chance hat, sie zu lernen. Sie will einen Workshop in Uganda geben.
    "Und er sagte: Das ist eine großartige Idee. Ich fing also an, den Kurs zu organisieren. Damals war ich in Cambridge und fand dort viel Unterstützung. Manche erklärten mir, wo ich Fördergelder einwerben konnte. Andere spendeten Material, das es an der Uni in Uganda nicht gab. Kollegen boten an, mitzukommen und beim Unterrichten zu helfen"
    Workshops für afrikanische Wissenschaftler
    Sie tauscht noch die Flüssigkeit einer letzten Probe, dann hat die Biologin für die nächste halbe Stunde Zeit für anderes. Zurück beim gespendeten Material im Untergeschoss, sortiert sie kleine Kartons auf einen zweiten Stapel Verbrauchsmaterial, das in ein paar Wochen für einen Kurs in Nigeria gebraucht wird.
    Was ursprünglich als einmalige Aktion gedacht war, findet dieses Jahr zum sechsten Mal statt. Auf einen Platz kommen zehn Bewerber aus unterschiedlichsten Ländern Afrikas. Zusätzlich gibt es inzwischen Kurse zu Bioinformatik, wissenschaftlichem Schreiben und einen Workshop für Do-it-Yourself-Laborequipment.
    "Wir haben großes Glück, dass viele Geldgeber solche Kurse unterstützen. Wir schreiben einfach ständig Anträge. Ich verbringe damit einen Großteil meiner Freizeit"
    Gute Wissenschaft trotz schwieriger Bedingungen
    Inzwischen ist TReND zu groß geworden, um von ihr alleine gemanagt zu werden. Einige der über 200 Alumni und ehemaligen Tutoren des Programms haben feste Aufgaben übernommen.
    Die Fäden laufen immer noch bei Lucia Prieto Godino zusammen, aber die Initiative kommt von überall. Das klappt, weil es eine Lektion gibt, die jeder, der bei TReND mitmacht, lernt. Für Lucia steckt sie in einer Erinnerung:
    "Wir hatten einen Stromausfall mitten im Experiment. Wir mussten also improvisieren und haben das Gel mit Batterien laufen lassen. Aber als es fertig war, gab es immer noch keinen Strom, um es zu belichten. Da fiel mir ein, dass das Krankenhaus sicher einen Generator hat. Wir sind also mit dem Gel in die Notaufnahme gefahren und durften es dort tatsächlich belichten. Das sind meine liebsten Erinnerungen, die zeigen: auch wenn die Bedingungen schwierig sind, du kannst gute Wissenschaft machen. Du kannst etwas bewegen."
    TReND-Alumni etablieren neu gelernte Methoden an ihren Unis
    Ihr Blick leuchtet und streift dann die Uhr. Drei Stockwerke weiter oben braucht ihr Experiment gleich wieder Aufmerksamkeit. Ihre Forschungsergebnisse hat die Neurobiologin erst vor kurzem im Fachjournal Nature veröffentlicht.
    Die Folie knistert, als sie letzte Hand anlegt, um das konfokale Mikroskop sicher zu verpacken. Viele TReND-Alumni etablieren die neu gelernten Methoden an ihren Unis. Manche haben in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Eines der Partnerinstitute in Uganda hat erfolgreich Gelder des britischen Welcome-Trust eingeworben. Lucia wickelt eine letzte Lage um die Europalette:
    "Die Folie muss alles bedecken - Ja, ich glaube so ist es gut!"