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Themenreihe Mittelpunkt Mensch
Schulleiterin mit Kampfgeist

Im Leipziger Osten, mitten im sozialen Brennpunkt, liegt die August-Bebel-Grundschule - die Wirkungsstätte von Nancy Kallenbach. Die Schulleiterin hat in den vergangen Jahren nicht nur für mehr Lehrer, kostenloses Frühstück und bessere Ausstattung gekämpft. Sie hat auch gezeigt: Aus einer Problemschule kann ein Ort werden, an dem sich Kinder wohl fühlen.

Von Claudia Euen | 02.02.2017
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    Schulleiterin Nancy Kallenbach kämpft für einen besseren Unterricht: "Ich glaube in der Bildungslandschaft hat man als Schulleiter die meisten Mitgestaltungsmöglichkeiten." (Deutschlandradio / Kathrin Hof)
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    Unterricht in der Augst-Bebel-Grundschule. Die Schulstunde ist fast vorbei und die Kinder dürfen den Schulhund Lotte füttern und streicheln.
    "Lotte wohnt bei mir zu Hause, ist jetzt gut zwei Jahre alt und kommt an zwei Tagen in der Woche mit in die Schule. Und die Kinder sind alle total begeistert", sagt Nancy Kallenbach: Die Grundschullehrerin hat den Hund an die Schule geholt, weil Tiere nachweislich Entspannung bringen.
    "Sie guckt die Kinder an, legt sich manchmal zu den Füßen von Kindern, wo sie merkt, dass es jetzt gerade ein bisschen schwierig ist. Wir sind vor vielleicht fünf sechs Jahren mit Kindern, die Auffälligkeiten im sozial-emotionalen Bereich hatten, einmal in der Woche auf einen Pferdehof gefahren und haben dort Tiertherapie gemacht.
    Das war für die Kinder total schön. Und dann haben wir überlegt, was könnte man denn machen, dass man den Umgang mit Tieren auch in den Schulalltag integriert."
    Schulhund Lotte kommt zwei Mal die Woche
    Neben der sozialen Kompetenz sollen die Kinder lernen, selbstständig zu arbeiten und zu handeln. Darum gibt es zum Beispiel einen Kinderrat. Das war nicht immer so an der Schule, die unweit von der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten liegt, also jener Straße, die die Medien kürzlich zur gefährlichsten des Landes gekürt hatten.
    Nancy Kallenbach erinnert sich an die Zeit vor über fünf Jahren, als sie gerade hier anfing: "Wir hatten einen hohen Krankenstand, die Zufriedenheit bei den Eltern war nicht allzu hoch. Wir hatten einen schlechten Ruf. Wir haben dann gemerkt, es ist unerlässlich, dass wir uns öffnen, dass wir uns Unterstützung von außen holen."
    Sozialarbeiter entlasten die Lehrer
    Nancy Kallenbach ist eine Frau der Tat. Die frisch gebackene Schulleiterin zögerte nicht lange und ging zu den Behörden.
    "Ich habe darum gekämpft, dass wir Schulsozialarbeit bekommen, weil wir ein breites Spektrum an Sozialaufgaben hatten und die Kollegen gesagt haben, für Bildung und Lehrplan ist gar nicht mehr richtig Zeit.
    Ich bin nur noch damit beschäftigt, Kontakt mit dem ASD aufzunehmen, ich muss mit Psychologen sprechen, einige Kinder fallen hinten runter."
    Mittlerweile hat sich viel getan. Zwei Schulsozialarbeiter arbeiten im Team. "Ich habe vor 5,5 Jahren die Schulleitung übernommen und habe damals rund 150 Schüler hier beschult, inzwischen sind wir bei 230.
    Mehr Schüler bedeutet mehr Lehrer, mehr Ideale, mehr Skills, mehr Ideen. Wir haben viele Kollegen, die mit tollen Ideen hier gestartet sind und diese Ideen auch verwirklicht haben"
    Ferienlager und Frühstück durch Spenden finanziert
    Es gibt es einen Leseraum, weil es Kinder gibt, die zu Hause keine Büchern haben oder auch Sportförderunterricht. Jeden Sommer fahren Eltern und Lehrer mit den Kindern ins Ferienlager, auch die, die sich das eigentlich nicht leisten können.
    Für all das wirbt Kallenbach Gelder und Sachmittel bei Stiftungen und Spendern ein, genauso wie für das kostenlose Frühstück.
    "Wenn es am Wochenende in der Familie Probleme gab, dann habe ich jetzt nicht mehr als Mathelehrer Montags erste Stunde das Problem bei mir im Klassenzimmer sitzen, sondern das Problem konnte schon in der Frühstücksküche vom Schulsozialarbeiter ein Stück weit aufgefangen werden – das hat Erleichterung gebracht. Dass die Kinder überhaupt ein Frühstück haben - wir haben nach wie vor hier Kinder, deren Frühstück ist eine Tüte Chips."
    Kämpfe - vor allem mit dem Schulträger
    Nancy Kallenbach ist eine Kämpferin: "Ich bin vom Sternzeichen Löwe. Ich bin ein Visionär und ich glaube in der Bildungslandschaft hat man als Schulleiter die meisten Mitgestaltungsmöglichkeiten. Ich hab selbst ein Kind, was im Grundschulalter war als ich die Schulleitung hier übernommen habe und hab mir immer die Frage gestellt: Was würde ich mir für meine eigene Tochter wünschen?"
    Diese Frage stellt sie auch immer ihren Kollegen. So motiviert sie sich selbst und ihr Team, aber auch, weil es die Zustände einfordern, sagt die 40-Jährige.
    "Es gibt eine große Diskrepanz. Es gibt Schulen, die sind extrem gut ausgestattet, dann gibt es die Schulen im Leipziger Osten. Ich meine es schon manchmal zu sehen, dass es da Unterschiede gibt. Die größten Kämpfe, die wir austragen, sind die mit dem Schulträger, dass wir sagen, wir brauchen neue Toiletten, wir brauchen mehr Ausstattung, wir brauchen mehr Schulsozialarbeit"
    Popsänger leitet ehrenamtlich Schulchor
    Nancy Kallenbach auf dem Weg in die Aula. Auch den Chor, der hier einmal wöchentlich probt, hat sie mit viel Engagement in ins Leben gerufen.
    Der Popsänger Neo Kaliske, der schon bei The Voice of Germany auf der Bühne stand, übt mit den Kindern singen. Für die Kleinen ist das was ganz Großes, sagt Nancy Kallenbach.
    "Und das ist schon was, was den Kindern einfach zeigt: Nutz deine Potenziale und mach was aus deinem Leben. Und er verkörpert das auch ein Stück weit. Es ist ihm auch nicht zugefallen, sondern es ist einfach harte Arbeit.
    Das wollen wir den Kindern mit auf den Weg geben. Dein Weg ist nicht vorbestimmt: Sondern du kannst deinen Weg gestalten und wir können dir nur Möglichkeiten zeigen, wie du mitgestalten kannst."