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Themenreihe Mittelpunkt Mensch
Studierende beraten Flüchtlinge

Lernen und gleichzeitig anderen helfen - auf dieser Idee beruht „Refugee Law Clinic“. In dem deutschlandweiten Sozialprojekt werden Studierende dazu ausgebildet, Asylsuchende in rechtlichen Fragen zu beraten. Seit einem Jahr an der Uni Gießen aktiv ist Gerrit Gaidosch.

Von Ludger Fittkau | 28.02.2017
    Auf dem Bild sehen Sie Gerrit Gaidosch im Foyer der Universität Gießen.
    "Mir war es halt wichtig, wirklich professionelle Hilfe zu geben", sagt Gerrit Gaidosch. Er engagiert sich seit einem Jahr bei der "Refugee Law Clinic" an der Uni Gießen. (Deutschlandradio / Ludger Fittkau)
    "Ja, ich heiße Gerrit Gaidosch. Bin 23 Jahre alt und komme ursprünglich aus Nierenhausen, das ist in der Nähe von Idstein und studiere jetzt seit zwei Jahren in Gießen und bin dann auch hier hergezogen."
    Ein offener Blick, leichter Kinn-Bart unter der schwarzen Wollmütze, ein grauer Kapuzen-Pulli lugt unter der grau-grünen Outdoor-Jacke hervor. Wie ein Paragrafenreiter sieht Gerrit Gaidosch nicht gerade aus, als er zum verabredeten Treffpunkt im Eingangsbereich der Uni Gießen kommt. Er ist aber einer. Gerrit Gaidosch berät Flüchtlinge in Rechtsfragen. "Refugee Law Clinic" heißt das Projekt. Der Pädagogikstudent erklärt, was sich hinter dem Namen verbirgt:
    "Der Name ist vielleicht ein bisschen verwirrend. Letztendlich ist es ein Universitätsprojekt, in dem Studenten im höheren Semester und Rechtsanwälte, Richter, die aus dem Asylbereich kommen, im Prinzip jüngeren Studenten die Grundlagen des Asylverfahrens und alles drum herum, was dazu gehört - das Aufenthaltsgesetz - beibringen. Ziel ist es dann auch, dass diese Studenten dann auch Rechtsberatung geben können. "
    Studenten vermitteln Rechtswissen zu Asylfragen
    Ein Jahr lang arbeitet Gerrit Gaidosch bereits mit in der Refugee Law Clinic. Die Rechtsberatungen, Gruppengespräche und Einzelfallberatungen, finden an verschiedenen Orten in Gießen statt. In einer Erstaufnahmeeinrichtung oder in Jugendheimen, in denen sich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge treffen. Oder in einem schlichten Büro des Fachbereichs Jura.
    "Mir war es halt wichtig, wirklich professionelle Hilfe zu geben. Die Refugee Law Clinic hat halt schon ein festes Konzept und geht da sehr professionell ran und gibt sich sehr viel Mühe bei der Ausbildung der Studenten. Und man wird angeleitet, das war mir auch wichtig, dass man Stück für Stück an die Sache ran geführt wird.
    Es gibt eine Supervision und auch eine psychologische Supervision. Das ist sicher auch wichtig, dass man mit anderen darüber sprechen kann, was man so erlebt hat. Meine Erwartungen sind eigentlich, mich weiter zu engagieren und ein bisschen was zurück zu geben, was ich von der Refugee Law Clinic bekommen habe."
    Flüchtlinge werden zu offiziellen Terminen begleitet
    Vor wenigen Wochen hat Gerrit Gaidosch zum ersten Mal Flüchtlinge begleitet - zu einer offiziellen Anhörung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – kurz BAMF. Ein besonders wichtiger Termin für jeden Asylsuchenden. Denn er bringt eine Vorentscheidung darüber, ob einem Asylbegehren staatgegeben wird oder nicht. Nicht nur die Flüchtlinge, die er begleitete, waren sehr angespannt, erzählt Gerrit Gaidosch in der Pause einer Weiterbildungsveranstaltung der Refugee Law Clinic:
    "Ich war auch sehr angespannt. Man hat zwar die Theorie durch die Refugee Law Clinic schon mitbekommen, wie das ungefähr ablaufen soll, aber die Realität sieht dann doch sehr anders aus. Ob jetzt mal eine Reinigungskraft reinkam, um den Müll zu leeren, während der Anhörung oder ein Kollege schönen Feierabend gewünscht hat."
    Respektlos sei das gewesen, findet Gerrit Gaidosch. Denn für die Asylsuchenden sei die Anhörung beim zuständigen Bundesamt, auf die sie teilweise monatelang gewartet haben, sehr aufwühlend.
    Beraten und keine falschen Hoffnungen schüren
    Gerrit Gaidosch lernt im Projekt, den Ratsuchenden jederzeit ein realistisches Bild ihrer Rechtslage zu vermitteln, auch wenn sie nicht günstig sein sollte:
    "Ja, das gehört natürlich zu einer professionellen Rechtsberatung dazu, dass man keine falschen Hoffnungen macht. Dass man den Klienten, sage ich mal klar vermittelt, wie die Lage ist, damit sie sich ein eigenes Bild machen können und dann selber entscheiden, wie ihr Asylverfahren weiterlaufen kann."
    Wie hilfreich das Engagement der Gießener "Refugee Law Clinic" für die Geflüchteten ist, hat sich längst auch bis nach Berlin herumgesprochen.
    Würdigung durch Bundespräsident Gauck
    Im vergangenen Jahr besuchte sogar Bundespräsident Joachim Gauck das Projekt, das für andere Hochschulen längst ein Vorbild geworden ist:
    "Gießen ist – glaube ich - die älteste Refugee Law Clinic in Deutschland, dass heißt, hier ist die Vernetzung schon ein bisschen besser und der Bekanntheitsgrad ist höher. Und in anderen Städten muss man ja erst ein bisschen was aufbauen und von daher ist vielleicht der Fokus ein anderer."
    Gerrit Gaidosch kann sich nach einem Jahr Mitarbeit in der "Refugee Law Clinic" gut vorstellen, auch in seinem Beruf später Flüchtlinge zu beraten.
    Über Musik vom Alltag als Geflüchteter berichten
    Die Fernsehbilder von Menschen auf der Flucht nach Europa haben den angehenden Pädagogen dazu bewogen, sich in einem Flüchtlingsprojekt zu engagieren.
    "Und dazu kommt auch noch für mich persönlich, dass ich halt sehr gerne Hip Hop höre. Genauso Rap. Und da berichten halt auch viele Jugendliche oder Ältere, die meist einen Migrationshintergrund aber oft auch einen Fluchthintergrund haben, über ihren Alltag.
    In der Thematik kenne ich vor allem Azad, so die ersten Alben von ihm, zum Beispiel "Freiheit". Und dadurch, dass ich mich immer mehr für diese Thematik "ungleiche Teilhabe" und soziale Gerechtigkeit und so was interessiert habe, war es mir auch immer wichtiger, mich in diesem Bereich zu engagieren."