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Thoben will Nokia-Beschäftigten "Kraft geben"

Nach Darstellung der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin Christa Thoben verdichten sich die Informationen, dass Nokia Arbeitsplatz-Zusagen für sein Werk in Bochum nicht eingehalten hat. "Wir ermitteln gerade die letzten Sachverhalte", sagte die CDU-Politikerin zum Verdacht ungerechtfertigter Subventionszahlungen. Den von der Schließung des Werkes bedrohten Mitarbeitern sagte sie zu, "dass wir ihr auf alle erdenkliche Art und Weise helfen und Kraft geben".

Moderation: Friedbert Meurer | 29.01.2008
    Friedbert Meurer: Die Belegschaft von Nokia in Bochum fühlt sich von ihrem finnischen Arbeitgeber ziemlich verschaukelt. Deswegen drohen die Gewerkschaften jetzt damit, gegen Nokia aufmarschieren zu wollen wie einst in Duisburg-Rheinhausen. Monatelang gab es damals Mahnwachen, Autobahnblockaden, Protestzüge gegen die Schließung der Stahlwerke durch Krupp.

    Vielleicht aber findet man doch noch eine Lösung, dass es für die Belegschaft nicht ganz so schlimm kommt. Gestern jedenfalls war der Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo in Nordrhein-Westfalen und hat dort mit Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) über das Werk in Bochum geredet. Guten Morgen, Frau Thoben!

    Christa Thoben: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Wie frostig war das Gespräch?

    Thoben: Frostig ist nicht der richtige Begriff, aber es war ein sehr ernstes und über drei Stunden dauerndes Gespräch.

    Meurer: Haben Sie ihm auch gesagt, das sei nicht anständig gewesen?

    Thoben: Nein. Bei solchen Gesprächen benutzt man etwas andere Begriffe, aber in der Sache war das überdeutlich. Es geht nicht, dass ein Konzern, zumal sich zwischenzeitlich auch noch dessen Ertragslage eben als ausgesprochen spektakulär herausgestellt hat, sich so glaubt, aus einem Standort verabschieden zu können. Das haut nicht hin.

    Meurer: Hat der Nokia-Chef Kallasvuo umgekehrt gesagt, so darf die Politik nicht über uns reden?

    Thoben: Nein, das hat er nicht gemacht. Aber ich fand es ganz interessant, dass er immer wieder anfing zu sagen, "glauben Sie mir einfach, dass ich von der Handy-Produktion was verstehe". Nur das hatten wir nie bestritten.

    Meurer: Jürgen Rüttgers hatte ja die ganze Zeit gesagt, Nokia soll endlich mal einen Grund nennen, warum man denn das Werk schließen will. Die Lohnkosten würden nur fünf Prozent betragen. Alle rätselten, Was war denn jetzt der Grund? Wissen Sie es jetzt?

    Thoben: Das bleibt sehr kompliziert. Nokia legt dar, dass die Produktionsbedingung in Rumänien neben den Lohnkosten auch noch die Nähe der Zulieferer hätte. Nur das ist alles gar nicht so sehr der Punkt. Wenn man das frühzeitig glaubt, vertreten zu müssen, kommuniziert man das anständig mit den Mitarbeitern, insbesondere mit dem Betriebsrat. Der Betriebsrat ist ja wie vom Donner gerührt, weil er wegen hoher Leistung im Jahr 2007 noch einen Bonus erhält, das ganze Jahr mit Überschichten gearbeitet hat und dann Anfang Januar gesagt kriegt, Ende Juni ist Schluss. Das ist der Punkt, den kann man nicht durchgehen lassen.

    Meurer: Hatten Sie den Eindruck in dem Gespräch gewonnen, Frau Thoben, dass der finnische Nokia-Konzern Angst um sein Image und den Umsatz seiner Handys in Deutschland hat?

    Thoben: Ich glaube, das ist ein Punkt, aber er hat generell total unterschätzt, was er da für einen Schaden angerichtet hat. Das geht ja, und deshalb beschäftigt mich das intensiv, weit über irgendwelche Unternehmensentscheidungen hinaus. Das sind Fälle, an denen sich all die hochziehen, die generell sagen, so sind Unternehmen. Und ich möchte nicht, dass Unternehmen, die bei uns ordentlich mit ihren Arbeitnehmern umgehen, von solch einem schlechten Beispiel mitbeschädigt werden.

    Meurer: Wieso sollte das Herrn Kallasvuo beeindrucken, wenn wir hier in Deutschland immer skeptischer über die Marktwirtschaft werden?

    Thoben: Ach wissen Sie, einmal ist das die Kategorie Image, aber ein Weltkonzern hat außer, dass er in einem Markt ein schlechtes Ansehen hat, auch generell Ansehen und Renommee zu verlieren. Das würde dann an sämtlichen Standorten gelten. Wir haben jetzt schon Hinweise darauf, dass auch in Finnland eine Debatte losbricht, "sagen sie mal, was machen die da eigentlich?"

    Meurer: Und Sie selbst, haben Sie selbst auch ein wenig den Glauben an die Marktwirtschaft verloren?

    Thoben: Nein, ich nicht. Ich werbe mit guten Beispielen und versuche, die anderen zur Räson zu bringen. So sehe ich meine Aufgabe.

    Meurer: Aber es wird Ihnen kaum gelingen, Nokia zur Räson zu bringen?

    Thoben: Sie haben gestern zugestanden, dass sie große Fehler gemacht haben. Herr Kallasvuo hat zugestanden, dass sehr kurzfristig auch der Betriebsrat mit Nokia seine Vorstellungen beraten und erörtern kann. Und wir haben die Einsetzung einer Arbeitsgruppe vereinbart. Der Nokia-Chef hatte ja angekündigt, dass er an innovativen Lösungen für den Standort Bochum mitarbeiten wolle. Das kann er jetzt beweisen.

    Meurer: Was dürfen die Mitarbeiter sich unter innovativen Lösungen vorstellen?

    Thoben: Das wissen wir alles noch nicht, nur dass er überhaupt sagt, "ich werde daran mitarbeiten". Nokia hat ganz verschiedene Produktionslinien. Nokia hat Forschungseinrichtungen, Nokia hat Qualifizierungseinrichtungen. Da werden wir sicherlich auch die bereits vorhandenen vielen guten Überlegungen des Betriebsrates einbeziehen können.

    Meurer: Das Nokia-Werk in Bochum könnte zerschlagen, aufgesplittert werden. Wäre das sozusagen noch die zweitschlechteste Alternative, weil dann wenigstens 300 Jobs erhalten bleiben?

    Thoben:! Bevor man in solche Gespräche geht, versucht man nicht, sich schon mit irgendwelchen schlechteren Lösungen abzufinden. Das wäre nun wirklich total falsch. Da bitte ich Sie um Verständnis.

    Meurer: Haben Sie noch Hoffnungen, dass das Nokia-Werk bleibt in Bochum?

    Thoben: Ich habe Hoffnung, dass wir ordentliche Lösungen finden. Der Betriebsrat, der sich bisher ausgesprochen konstruktiv verhalten hat, weil er am Erhalt von Arbeitsplätzen mitwirken will, wird dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Ich bin sicher: E r verdient das Vertrauen, und deshalb stehe ich hinter ihm.

    Meurer: Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, Frau Thoben, hat ja den Vorwurf erhoben, die Grundlage für die Subventionen an den Nokia-Konzern sei ja gewesen, dass der Konzern 2800 und etwas darüber Arbeitsplätze garantiere. Das habe er nicht eingehalten. Was sagte denn dazu der finnische Chef?

    Thoben: Wir ermitteln gerade die letzten Sachverhalte. Nokia hat uns gebeten. Das macht bei uns auf der Landesebene die NRW-Bank, weil sie die Bewilligungsbescheide und die Einhaltung der dort gemachten Zusagen laufend überprüfen muss auch beim Abschlussbericht. Nokia hat gebeten, dass wir ihnen bis Mittwoch noch mal Zeit geben, um deren Standpunkt genau zu dokumentieren. Sie meinen, sie hätten eingehalten, bei uns verdichten sich die Informationen, dass das so nicht stimmt.

    Meurer: Wenn man die Leiharbeiter mitzählt,1000 Leiharbeiter, dann lag Nokia bei weit über 3000 und hätte die Bedingungen eingehalten.

    Thoben: Das Problem ist aber genau der Punkt. Die Einbeziehung von Leiharbeitern, so derzeitiger Erkenntnisstand, ist überhaupt wenn erst ab 2002/2003 in einigen Bundesländern akzeptiert worden; in Nordrhein-Westfalen angeblich zur damaligen Zeit überhaupt nicht. Nun geht es darum, ob man das auch schriftlich fixiert feststellen kann.

    Meurer: Warum wird das eigentlich jetzt erst kontrolliert und nicht in den vergangenen Jahren schon?

    Thoben: Das müssen Sie die alte Landesregierung fragen.

    Meurer: Letzte Frage, Frau Thoben. Welche Hoffnungen können Sie der Belegschaft noch machen?

    Thoben: Ich kann ihr nur die Hoffnung machen, dass der Konzern jetzt offener ist, als er bisher war. Er hat ja wohl geglaubt, er brauchte einfach zu vollziehen, was er in Helsinki beschlossen hat. Die Belegschaft kann ganz sicher sein, dass wir ihr auf alle erdenkliche Art und Weise helfen und Kraft geben.

    Meurer: Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben von der CDU bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Thoben, schönen Dank und auf Wiederhören.

    Thoben: Danke, Herr Meurer.