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Thüringen
Neuer Plan soll Schulen besser machen

Der neue "Thüringenplan" soll die Lage an den Schulen verbessern. Zu tun gebe es genug - Lehrermangel, marode Schulgebäude und Rückstand bei der Digitalisierung sind nur einige Stichworte. Lehrervertreter und Opposition glauben allerdings nicht daran, dass der neue Plan viel hilft.

Von Henry Bernhard | 30.05.2018
    Der Landtagsabgeordnete der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, fotografiert am 04.07.2017 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern). Holter übernimmt von der seit Monten erkrankten Thüringer Bildungsministerin Klaubert (Linke) das Amt. Holter, der acht Jahre Regierungserfahrung in Mecklenburg-Vorpommern hat, soll die angekündigten Reformen in der Bildungspolitik umsetzen. Nach Angaben der Staatskanzlei wird Holter in der nächsten Landtagssitzung nach der parlamentarischen Sommerpause - voraussichtlich am 30. August - als Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Thüringen vereidigt.
    Thüringens Bildungsminister Helmut Holter will mit einem neuen Plan die Lage an den Schulen verbessern (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    "Er ist fertig! Der Thüringenplan für eine gute Zukunft unserer Schulen."
    Die Erwartungen waren groß: Seit einem dreiviertel Jahr ist Helmut Holter Bildungsminister in Thüringen, und auch schon vorher hatte er sich im Auftrag von Ministerpräsident Bodo Ramelow in einer Kommission mit der Zukunft der Thüringer Schulen beschäftigt. Nüchtern und sachlich, wie gewohnt, beschreibt nun sein "Thüringenplan" die Probleme: Lehrermangel, massiver Stundenausfall, marode Schulgebäude, Bildungsungerechtigkeit, ein Rückstand in der Digitalisierung. Nun liegt der Plan auf dem Tisch, knapp 80 Seiten, viele Zahlen und Tabellen, und viel Hoffnung. Angehende Lehramtsstudenten sollen sanft auf gesuchte Fächerkombinationen umgelenkt werden, es sollen vielleicht mehr Referendarstellen geschaffen, den Lehrern vielleicht mehr Geld gezahlt werden; Schulen sollen ein Budget zur eigenen Verwendung erhalten. Und:
    "Wir haben auch die Möglichkeit, dass alle Lehrerinnen und Lehrer zum Ende dieses Jahres – hoffentlich früher! – eine Dienst-E-Mail-Adresse bekommen."
    Viele Ideen wurden gestrichen
    Das Problem des Thüringenplans: Er ist nach monatelangen Gesprächen, Sitzungen, Foren, Abstimmungen mit allen Beteiligten in den letzten Wochen an den entscheidenden Stellen gekürzt worden, wie ein Beteiligter berichtet: Rolf Busch, der Vorsitzende des Thüringer Lehrerverbands.
    "Ich bin bitter enttäuscht. Am Ende sind nur noch Optimierungen und zusätzliche Belastungen drin; aber alles, was entlasten sollte und was vielleicht auch Anreize schaffen sollte, ist rausgestrichen worden."
    Ähnlich kritisieren es auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Opposition von CDU und AfD. Rolf Busch vom Lehrerverband vermisst fast alles, was Geld gekostet hätte:
    "Zum Beispiel gab es den Vorschlag, dass Mehrarbeit sofort bezahlt wird, wie sie entsteht, gerade, wenn Unterricht ausfällt, z.B. war auch ein Prüfauftrag drin, ob nicht Grundschullehrer nicht auch besser bezahlt werden müssen – andere Bundesländer sind unterwegs! –, ist rausgeflogen. Ein Stipendium ist rausgeflogen, was letztendlich für die MINT-Fächer und die Lehrer auf dem Lande einen Anreiz schaffen sollte."
    Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, vermisst auch die ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Zahl von Referendarstellen.
    "Es wird zwar davon gesprochen, man könnte es mal erhöhen, aber das wird unter Finanzierungsvorbehalt gestellt und in eine weitere Arbeitsgruppe verschoben. Das halten wir für völlig falsch. Und es gab einen Entwurf vor 6 Wochen, da standen all die Maßnahmen durchaus noch drin, die auch wir als Union vorgeschlagen haben. Das ist jetzt herausgezaubert worden; man kann vermuten, wer das war. Aber es scheint auch, dass die Landesregierung scheinbar da nicht an einem Strang zieht."
    Überalterung als Grundproblem
    In Fachkreisen wird gemutmaßt, dass neben dem Finanz- auch noch das Wissenschaftsministerium in Holters Thüringenplan hineindirigiert hat. Holters kleiner Schlenker in der Pressekonferenz könnte ebenso verstanden werden.
    "Dieses Programm verschwindet nicht in der Schublade oder in einem Regal. Ich werde das schrittweise umsetzen, mit Unterstützung al…, der anderen Kolleginnen und Kollegen aus der Regierung."
    Ein Grundproblem im Thüringer Bildungswesen ist die Überalterung der Lehrer. Im Schnitt sind sie 51 Jahre alt. Drei von vier Lehrern an Regelschulen gehen in den nächsten 15 Jahren in Rente. Der Krankenstand ist hoch und damit auch der Unterrichtsausfall. In diesem Jahr sollen alle ausscheidenden Lehrkräfte ersetzt werden, allerdings nicht unbedingt an derselben Schule. Michael Kaufmann zum Beispiel, der Leiter des Schulamts Südthüringen, könnte zum kommenden Schuljahr 130 Stellen neu besetzen. Bislang hat er allerdings nur 35 Zusagen von jungen Lehrern, die zudem auch noch nicht verbindlich sind. Dabei wird ihnen die sofortige Verbeamtung zugesagt.
    Kaufman berichtet, "dass wir Schwierigkeiten haben, Stellen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich eigentlich in allen Schularten zu besetzen. Wir haben im Bereich der Regelschulen darüber hinaus das Problem, musisch-künstlerische Fächer zu besetzen. Wir wollen gezielt, Bewerber ansprechen und ermutigen, mit der Frage: Könnten sie sich vielleicht auch vorstellen, vielleicht auch ein anderes Fach zu unterrichten, was ihren studierten Fächern nicht entspricht?"
    Dass er seine freien Stellen alle wird besetzen können, bezweifelt er dennoch.