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Thüringen
Rechter Boykott gegen Theater

Auf einer Demo des Bürgerforums Altenburg - einer Variante von Pegida - wurde zum Boykott des örtlichen Theaters aufgerufen. Dieses macht sich in seinen Inszenierungen und mit Aktionen für eine flüchtlingsfreundliche Politik stark. Auf die Besucherzahlen hatte die Forderung bislang keine Auswirkungen.

Von Henry Bernhard | 08.01.2017
    Altenburg: Blick auf den Marktplatz der einstigen Residenzstadt der Herzöge von Sachsen-Altenburg.
    Altenburg: Blick auf den Marktplatz der einstigen Residenzstadt der Herzöge von Sachsen-Altenburg. (dpa)
    "Widerstand! Widerstand!"
    Eine Kundgebung des Bürgerforums Altenburg im Osten Thüringens am Ende des vergangenen Jahres. Die lokale Variante der Pegida-Sügida-AfD-Demonstrationen, mit Unternehmern und Bildungsbürgern, aber auch mit bekennenden Rechtsextremen und Antisemiten. Der letzte Redner ist Andreas Sickmüller. Er geißelt die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und die der linken Landrätin im Altenburger Kreis und schließt Ausländer ausdrücklich aus der Solidargemeinschaft aus, die nur für Deutsche da sei:
    "Ich möchte schließen mit einem Vergleich zu einem den Deutschen gegenüber in der Nachkriegszeit immer wieder erhobenen Kollektivvorhalt: Sie hätten nichts getan gegen die Regierung des Dritten Reichs, hielt man immer ungerechterweise allen Deutschen vor. Lasst es nicht dazu kommen, dass euch in einigen Jahren derselbe Vorhalt zur heutigen Regierung, diesmal allerdings zu Recht gemacht wird!"
    Kulturschaffende sind öffentlich für eine flüchtlingsfreundliche Politik
    Und da sich Kulturschaffende der Stadt Altenburg öffentlich für eine flüchtlingsfreundliche Politik stark gemacht hatten, endet Sickmüller mit einem Boykottaufruf:
    "Und ich rufe alle, die gegen diese Politik sind, dazu auf, das Theater in Altenburg und das Lindenau-Museum zu boykottieren! Grenzt sie auf dieselbe Weise aus, wie sie es mit euch tun! Und zeigt ihnen, woher das Geld kommt, mit dem sie ihre Miete bezahlen!"
    Schauspieldirektor Bernhard Stengele vom Altenburger Theater nimmt den Boykottaufruf zunächst einmal sportlich:
    "Also ich nehme das Ganze unter Meinungsfreiheit. Jeder darf dafür sein, dass man die Kultur abschafft, das ist unser Meinungsrecht. Und auch, wenn das auf ziemlich ekelhafte Weise dargebracht wird: Wir würden was falsch machen, wenn das Bürgerforum sagen würde, "Besuchen Sie unbedingt dieses Theater!"
    Die Ablehnung der Rechtspopulisten habe man sich ehrlich erarbeitet, so Stengele:
    "Na ja, wir haben uns in den letzten zwei Jahren sehr, sehr intensiv mit der – hier heißt es ja Bürgerforum – mit der Bewegung auseinandergesetzt, wir haben große Events gemacht, Gegendemonstrationen; wir haben am 1. Mai einen Tag gemacht, der hieß "Gut Mensch!" mit Ausrufungszeichen, wo wir 1.200 Besucher hatten. Das heißt, wir positionieren uns sehr klar für eine weltoffene Gesellschaft, und das nimmt das Bürgerforum wahr und wehrt sich dann entsprechend dagegen."
    Schnittmenge zwischen Theatergängern und Bürgerforum scheint gering
    Die Besucherzahlen haben sich seit dem Boykottaufruf nicht verändert; entweder hat ihn niemand ernst genommen oder die Schnittmenge zwischen Theatergängern und Bürgerforum ist eher gering. Weder die lokale noch die überregionale Tagespresse hatte über den Boykottaufruf berichtet. Einzig die Zeitschrift "Opernwelt" thematisierte ihn in ihrer Dezemberausgabe. Der Bürgermeister schwieg; die Landrätin will kein Öl ins Feuer gießen. Im Theater-Förderverein ist man froh darüber. Frieder Krause:
    "Wir waren im Prinzip der hiesigen Presse dankbar, muss ich mal jetzt so sagen, dass also nicht groß in der Presse dieser Boykottaufruf wiedergegeben worden ist, um sozusagen den Ball in dieser Frage flach zu halten"
    Der Thüringer Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff von den Linken empfindet das eher als Friedhofsruhe:
    "Jasper von Altenbokum hat jüngst in der FAZ vom US-amerikanischen Wahlkampf gesprochen als "Populismus am Rande der Gewaltbereitschaft". Und ich glaube, dass wir mit dieser Gefahr auch im Thüringer Kulturdiskurs konfrontiert sind und dass quasi mit dem Gestus, "Deutsche, kauft nicht bei Juden!", jetzt gesagt wird, "Altenburger, geht nicht in dieses Theater, weil die sich menschenrechtsfreundlich zum Thema Flüchtlingsaufnahme in Altenburg geäußert haben!", das ist schon eine neue Qualität. Ich halte das für ein ganz gefährliches Signal.
    Und wir hatten im vergangenen Jahr mehrere tausend Menschen, die an Veranstaltungen teilgenommen haben zur Theaterfinanzierung. Und ich erwarte, dass diejenigen, die damals dabei waren, um sich für ihr Theater einzusetzen, dass die sich jetzt auch hinstellen und sagen, "Wir sind die Zivilgesellschaft; wir stehen zu unserem Theater und unserem Orchester. Und wir lassen das von niemandem in Frage stellen!"
    "Das bedeutet, dass dieses Theater seine Arbeit gut macht!"
    Die Altenburger Theaterleute wollen sich jedenfalls nicht einschüchtern lassen. Auch nicht die griechische Schauspielerin Katerina Papandreou, die nicht wegen des Boykottaufrufs das Theater verlassen will, sondern weil sie und andere ausländische Mitarbeiter sich zunehmend auf der Straße Pöbeleien ausgesetzt sehen. Papandreou und drei andere nicht-deutsche Schauspieler und Sänger werden so das Theater Gera-Altenburg vorzeitig verlassen. Aber das ist eine andere Geschichte.
    "Immer wo ich das gesagt habe zu Freunden von mir in Griechenland, alle, die diese Geschichte mit dem Boykott gehört haben, haben gesagt, "Also, das bedeutet wirklich, dass dieses Theater seine Arbeit wahnsinnig gut macht!" Also, die waren alle sehr stolz! Die waren echt begeistert, muss ich sagen."