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Krise nach Parteiübertritt
Vorgezogener Wahlkampf in Niedersachsen

Eine Rücktrittsforderung an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Terminsuche für mögliche Neuwahlen: Der Parteiwechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU bedeutet Wahlkampf - und Spekulationen zu möglichen Nachfolgern des Spitzenpersonals. Nicht nur bei der SPD.

Von Gerhard Mohaupt | 05.08.2017
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) spricht am 04.08.2017 während einer Pressekonferenz vor der Staatskanzlei in Hannover (Niedersachsen) vor Medienvertretern. Weil ist nach dem Verlust der rot-grünen Regierungsmehrheit für eine rasche Neuwahl des Landtags, will aber nicht zurücktreten.
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will sich dem Wählerwillen stellen. (dpa/Holger Hollemann)
    Am Tag danach – Wunden lecken bei den bisherigen Regierungsfraktionen und der von ihnen bisher getragenen Landesregierung. Man versucht, sich selbst ein wenig Mut zu machen. Die SPD-Landtagsfraktionschefin Johanne Modder zum Beispiel verkündete den Auftakt des Wahlkampfs. Man habe gute Arbeit geleistet und gehe davon aus, dass die Wähler der SPD eine Mehrheit geben werden.
    Eine Meinung, mit der sie möglicherweise eher allein ist. Bereits Ende Januar hatte eine Infratest dimap-Umfrage im Auftrag des NDR ergeben, dass Rot-Grün die parlamentarische Mehrheit verloren habe. Es reichte damals zwar noch nicht für Schwarz-Gelb – aber das hat sich ja jetzt geändert, sehr zur Freude des CDU-Fraktionschefs Björn Thümler, der schon mal vorrechnete, was sich alles im Parlamentsalltag ändern wird. Und zwar schon ab kommender Woche.
    "Also – im Grunde genommen wird aus jedem Ausschuss ein Sitz, der jetzt der Regierungsseite zusteht, in den Oppositions-, also den derzeitigen Oppositionsbereich dann wechseln, und wie man das Neue dann nennt … ist dann wahrscheinlich die neue Mehrheit oder die neue Liebe – keine Ahnung, wie Sie es nennen wollen … also, es ist eine durchgängige neue Mehrheit in allen Ausschüssen und in allen sonstigen Konstellationen, die der Landtag zu bestimmen hat."
    Rücktrittsforderung an Ministerpräsident Stephan Weil
    Und mit diesen neuen Verhältnissen im Parlament müsse Ministerpräsident Weil jetzt klarkommen. Deshalb gebe es eigentlich nur eine Alternative, so Thümler weiter.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine rot-grüne Regierung, die die letzten viereinhalb Jahre so gearbeitet hat, wie sie gearbeitet hat, als Minderheitenregierung weiter arbeiten würde – mit einer anderen parlamentarischen Mehrheit. Und da der Ministerpräsident bei seiner Wahl 2013 schon gesagt hat, dass er ohne eine parlamentarische Mehrheit eben nicht zur Verfügung steht, wäre der sinnvolle Schritt, eben zurückzutreten und den Weg frei zu machen."
    Genau das hat Stephan Weil aber nicht vor:
    "Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen – aber ich werde einer Intrige nicht weichen!"
    Eine klare Ansage des Ministerpräsidenten, der so wenigstens wieder das Heft des Handelns übernommen hat. Schon am Montag will er mit allen Landtagsfraktionen Gespräche über die Parlamentsauflösung führen – die bisherigen Regierungsfraktionen haben schon ihre Zustimmung signalisiert, die CDU scheint dem auch nicht im Weg stehen zu wollen und die FDP hält ebenfalls schnellstmögliche Neuwahlen für angebracht. Das kann also recht schnell gehen. Die Landeswahlleiterin hat bereits klar gemacht, dass auch der Termin der Bundestagswahl, also der 24. September, für die Landtagswahl durchaus realisierbar sei.
    Nachfolge-Spekulationen um das Spitzenpersonal: Pistorius? Von der Leyen?
    Bleibt die Frage, ob dann auch wirklich Stephan Weil wieder SPD-Spitzenkandidat ist – in seiner Partei steht mit dem aktuellen Innenminister Boris Pistorius immerhin ein Politiker mit weitreichenden Ambitionen in den Startlöchern. Und bei der CDU, so die Gerüchteküche, könnte anstelle des bisher nicht sonderlich prominent in Erscheinung getretenen Landeschefs Bernd Althusmann Bundesverteidigungsministein von der Leyen zum Zuge kommen.