Serie "Zukunft designen"

Wo die Welt von morgen gestaltet wird

Blaupause für einen roboterhaften vitruvianischen Mann
Wie designen wir unsere Zukunft und unser Selbst? © imago / Ikon Images
Von Kirsten Klümper · 07.08.2017
Wer früher von Design sprach, meinte damit meist eher die Gestaltung von Stühlen, Häusern oder Küchengeräten. Heute ist Design längst zum Stichwort fürs ganze Leben geworden. Wir machen uns in "Studio 9" auf die Suche nach den Orten, wo die Zukunft designt wird.
Unsere Vorstellungen von Design haben sich gewaltig verändert: Ging es früher vor allem um Gegenstände, designen wir heute Kommunikation und virtuelle Welten, Gene und künstliche Lebewesen, intelligente Maschinen und unsere eigenen Körper. "Wenn wir entwerfen, befreien wir uns. Das ist der Wesenskern unseres Menschseins", so der Designtheoretiker Friedrich von Borries, der eine politische Designtheorie vorlegt hat. Jeder ist ein Designer der eigenen und gemeinsamen Zukunft!
Wir machen uns in "Studio 9" auf die Suche nach den Orten, wo heute die Welt von morgen gestaltet wird: Wie viel gesellschaftliche Sprengkraft liegt im 3D-Druck, der die Herstellung von Waren total verändern könnte? Brauchen Designer eine Ethik für die Virtual Reality? Können wir unseren Lebensstil, unsere Gene selbst designen? Gestalten Elektroden im Hirn einen neuen Menschen? Und wie gut sind Maschinen schon im Entwerfen von Designobjekten? Wie modellieren wir durch Body Modification, Cyborg-Technik oder Hirn-Tuning ein neues Selbst? Und wann haben wir die Maschine geschaffen, die unsere Gefühle besser versteht als wir selbst – und dadurch unser Leben völlig umkrempeln könnte?
Wir sprechen mit Designern der realen und virtuellen Welt, mit Forschern und mit Naturwissenschaftlern – über folgende Themen:
Studio 9, Montag, 7.8., ab 6.50 Uhr
Designe ... die Zukunft! Gestalten als Haltung?
Wir "designen" heute vieles, was wir früher nicht so genannt hätten. Dinge sind dafür immer weniger darunter, denn die Welt wird zunehmend digitaler – und damit immaterieller. Begriff also erfolgreich gekapert? Oder haben das Gestalten von Mensch-Maschine-Schnittstellen, die Gründung einer Partei oder die Wiedereröffnung von Parks im Stadtraum doch was mit Design zu tun? Designtheoretiker Markus Frenzls Antwort: Aber klar hat das was miteinander zu tun, es geht um eine Denk-Haltung zur Welt: "Designer waren schon immer ein bisschen besser darin, die Zukunft vorherzusehen und weiterzudenken."
Studio 9, Montag, 7.8., ab 17.40 Uhr
Designe ... Unabhängigkeit? Wie viel Gesellschaftsutopie im 3D-Druck steckt
Dezentral, selbstausdruckbar, im hintersten Winkel verfügbar? Hinter dem 3D-Druck könnte nicht nur einen neue, industrielle Revolution stehen, sondern auch eine des Designs – und vielleicht sogar der Gesellschaft. Beinahe alles könnte dezentral produziert und erreichbar sein, ganz ohne Lieferzeiten und mit weniger Verkehr. Und wir könnten auch alle selbst zum Designer werden und unsere eigenen Möbel, oder Häuser ausdrucken. Personalisierung des Konsums und Selbstermächtigung des Verbrauchers: Hat 3D-Druck die Kraft zur Gesellschaftsutopie? Das fragen wir den Innovationsforscher Frank Piller.
Studio 9, Dienstag, 8.8., ab 7.40 Uhr
Designe ... das Miteinander der Zukunft? Wie Maschinen lernen, uns zu lesen
Schon jetzt begegnen uns im Alltag immer öfter Programme als Gegenüber. Bald könnten Maschinen ein normaler Part im Sozialleben sein, vom Pflegeroboter bis zum Büroassistenten. Wie diese Maschinen auf uns reagieren, könnte unser Miteinander in Zukunft möglicherweise sehr verändern. Björn Schuller forscht für die Universität Nürnberg und für seine eigene Firma daran, wie Maschinen lernen können, unsere Gefühle zu erkennen – etwa anhand von Stimme, Mimik und Körpersprache. Das könnte Autisten helfen, andere Menschen besser zu verstehen, bei Gesprächen zwischen Menschen warnen, wenn der Tonfall zu aggressiv wird oder im Smart Home dafür sorgen, dass die Wohnung von allein aufheizt, sobald der Einwohner fröstelt. Es könnte aber auch genutzt werden, um die wahren Gefühle von Kandidaten bei Bewerbungsgesprächen zu erkennen, um Mitarbeiter oder öffentlichen Raum zu überwachen oder um unsere Emotionen in vielen anderen Situationen jederzeit offenzulegen. Noch können Algorithmen nicht jedes menschliche Pokerface oder jede Stimmungsschwankung durchschauen. Aber was, wenn sie soweit sind? Friedliches Miteinander, totale soziale Kontrolle oder komplette Transparenz unseres Innenlebens – wir diskutieren mit Björn Schuller, wie man einen Zukunft mit Maschinen gestaltet, die uns lesen können.
Studio 9, Dienstag, 8.8., ab 17 Uhr
Designe ... algorithmisch! Wie gut entwerfen Maschinen?
Am Computer arbeiten Designer natürlich schon lange. Aber: Könnten sie das bald auch sein lassen, weil die Maschine ganz alleine weiterdesignt? Visitenkarten, Logos, Handyhülle – solche relativ einfachen Dinge können Algorithmen heute bereits selbständig entwerfen, und so zum Beispiel ganz einfach und ohne menschliche Hilfe Colaflaschen mit tausendfach unterschiedlichem Bild darauf produzieren oder Brotaufstrich mit personalisiertem Namen auf dem Etikett – beides Werbeaktionen, die es bereits gab. Kreativdirektor Andreas Laeufer hat im Selbsttest erkundet, wie gut Maschinen schon entwerfen und erklärt uns nun, ob es seine Profession in Zukunft noch braucht.
Studio 9, Mittwoch. 9.8., ab 6.50 Uhr
Designe ... digitale Welten! Entwerfen für die Virtual Reality
Die Dinge verschwinden! Vieles spielt sich jetzt schon nicht mehr in der materiellen Welt ab, sondern im digitalen Raum. Nächste Station: die Virtual Reality. Doch wer heute für die 3D-Version der digitalen Welt designt, gestaltet damit vielleicht auch die reale Welt mit. Denn virtuelles Erleben und reales Leben verschwimmen möglicherweise leichter als etwa bei bisherigen Computerspielen am Bildschirm – also könnte der Einfluss von VR-Games auf Spieler vielleicht auch ein anderer sein. Andererseits haben auch die Welten der virtuellen Realitität ihre Regeln, vielleicht auch: Gesellschaften, Sozialräume, Utopien und Dystopien. Und was sagen die dann über unsere realen Verhältnisse aus? Und was lernen wir von ihnen, Gutes oder Schlechtes? Unser Autor Christian Alt hat für uns die virtuelle Welt bereist und in der echten eine VR-Designerin getroffen.
Studio 9, 9.8., 17 Uhr
Designe ... deine Gene? Epigenetik – ein neuer Blick auf unsere Gesundheit
Können wir selbst unsere Gene designen – und zwar ganz ohne Labor? Der Sachbuch-Autor Peter Spork sagt: Tatsächlich gestalten wir alle schon jetzt mit, wie unsere Gene im Körper zum Tragen kommen. Spork beschäftigt sich intensiv mit den Ergebnissen der Epigenetik, der Wissenschaft von der Steuerung unserer Gene. Und die zeigen immer deutlicher: Unsere Vergangenheit und Erlebnisse, unsere räumliche und soziale Umwelt und unser Lebensstil können die Gene in unseren Körper an- oder abschalten –und so unsere Gesundheit beeinflussen. Unser Leben schreibt sich sozusagen in unsere DNA ein. Und das vererben wir auch teils an unsere Nachkommen. Dadurch, wie und wo wir unsere Kinder aufziehen und damit wieder die Steuerung ihre Gene verändern. Aber vielleicht sogar direkt, durch genetische Vererbung, darauf deuten erste Forschungsergebnisse hin. "Wir müssen anfangen, Gesundheit ganz anders zu denken", sagt Spork – und dabei unser genetisches Selbst-Design gleich mit.
Studio 9, 10.8., 7.40 Uhr
Designe ... deine Gefühle? Wie Mensch-Maschine-Schnittstellen unser Empfinden verändern können
Stimulation durch Elektroden im Gehirn kann Menschen mit schwersten Depressionen heute schon lang ersehnte Linderung bringen, ergab die Forschung von Thomas Schläpfer an der Uniklinik Bonn. An der richtigen Stelle eingesetzt und eingestellt half der Hirnschrittmacher Patienten teils schon nach kurzer Zeit, auch bei Parkinson wird solche Technik schon eingesetzt, und sie könnte vielleicht auch für andere Erkrankungen Hilfe bringen. Jenseits solcher Forschung schwirren im Zeitalter der Selbstoptimierung allerdings auch schon ganz andere Visionen herum: Könnten nicht auch Gesunde mehr leisten, besser leben, wenn sie emotional stabiler wären? Motivierter? Intelligenter? Wir reden mit Thomas Schläpfer über seine Forschung zur Hilfe für Demenzkranke und darüber, wo für ihn als Wissenschaftler die ethische Grenze ist, wenn es darum geht, das eigene Gefühlsleben und die Persönlichkeit zu gestalten.
Studio 9, 11.8., 8.40 Uhr
Designe ... deinen Körper! Auf der Suche nach der perfekten Oberfläche?
Schnittstelle im Hirn, Informationstechnik im Arm, perfekte Muskeln und darin das Implantat, das superstark und schneller als alle anderen macht. Und wie sehen unsere Gesichter erst aus, wenn wir endlich da sind, wo wir hinwollen? Der Drang des Menschen, seinen Körper zu gestalten, ist offenbar groß, und das nicht erst seit heute. Früher allerdings ging es um Mode und Diät, heute noch direkter um den Körper: Fitnesstraining, Bodybuilding, Tattoos und Schönheits-OPs sind fast schon normal. Millionen versuchen, im Facebook-Profil oder Youtube-Film perfekt zu wirken und sammeln fleißig Fans und Friends. Und in weniger großen Nischen basteln die Meister der Body Modification am eigenen Körper, lassen sich Gegenstände unter die Haut operieren, Zungen spalten oder Metall durch den Körper ziehen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt? Aber wann wird Freiheit der Selbst-Gestaltung zum Zwang? Selbstoptimierung zur Sucht oder zur Geißel? Unser Autor Frank Kaspar hat sich Gedanken gemacht: darüber, was geht und was noch werden könnte in der Welt der Körper-Designer – und woher die Sehnsucht der Mensch rührt, ein Bild von sich zu entwerfen.