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THW-Präsident
"Nur einer der Partner im Zivilschutz"

Die Bundesregierung will den Zivilschutz jetzt auf den Prüfstand stellen. Für Einsätze nach atomaren, biologischen oder chemischen Angriffen sei derzeit nur eine geringe Einsatzmöglichkeit vorhanden, sagte Albrecht Broemme, Präsident des Technischen Hilfswerks THW, im DLF. Doch sei vor drei Jahren begonnen worden, diese zu verbessern.

Albrecht Broemme im Gespräch mit Jochen Fischer | 24.02.2015
    Der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme.
    Der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme. (picture alliance / dpa / Ole Spata)
    Dirk-Oliver Heckmann: In der Bundeswehr sind die Überlegungen, sich auf die neue sicherheitspolitische Lage in Europa einzustellen, ja in vollem Gang. Doch wie sieht es mit dem Zivilschutz eigentlich aus? Nach dem Ende des Kalten Kriegs sind hier in Deutschland Bunker geschlossen und Sirenen abgebaut worden, doch das könnte voreilig gewesen sein. Die Bundesregierung will den Zivilschutz jetzt auf den Prüfstand stellen und darüber hat mein Kollege Jochen Fischer gesprochen mit Albrecht Broemme, er ist der Präsident des Technischen Hilfswerks THW.
    Jochen Fischer: Herr Broemme, sind wir auf aktuelle mögliche Bedrohungen im Zivilschutz gut genug vorbereitet?
    Albrecht Broemme: Die Frage, ob wir hinreichend und umfassend aufgestellt sind für alle denkbaren Lagen des Zivilschutzes, die kann ich in dieser Form nicht bejahen, weil natürlich auch einige Szenarien wieder neu hinzugekommen sind. Eine Schwachstelle, die wir haben, sind zum Beispiel Einsätze, die nach atomaren, biologischen oder chemischen Angriffen stattzufinden haben. Hier haben wir nur eine sehr geringe Einsatzmöglichkeit derzeit. Wir haben bereits aber vor drei Jahren begonnen, dieses stufenweise zu verbessern, was allerdings auch eine Frage des Geldes ist, was das THW für solche Anschaffungen zur Verfügung gestellt bekommt.
    "Verfechter der Planungen, die auch von Worst-Case-Szenarien ausgehen"
    Fischer: Nun haben Sie gerade von neuen Szenarien gesprochen. Das was Sie gerade angeführt haben, also die atomare Bedrohung, die hört sich ja nach ganz Kaltem Krieg an. Das ist ja längst vorbei, oder?
    Broemme: Na ja, man weiß natürlich nicht, wenn man mit irgendwelchen Angriffen von irgendwo her rechnet, wie die stattfinden könnten. Ich kann mir es im Moment nicht vorstellen, dass man mit Atomarwaffen irgendwelche Erstschläge macht, wie man das früher gemacht hat, aber man kann sich natürlich vorstellen, dass ein Atomkraftwerk getroffen wird und dann eine radioaktive Verseuchung aus solchen Gründen eintritt. Ich bin ein großer Verfechter der Planungen, die auch von Worst-Case-Szenarien ausgehen, ohne mit dem Leichentuch wedeln zu wollen, und das bedeutet auch, es ist relativ egal, was die eigentliche Ursache ist. Die Tatsache ist: So eine Lage kann bestehen und diese Gefahr bestand ja zum Beispiel auch in Japan nach Fukushima, nach einem Hochwasser.
    Da gibt es ganz unterschiedliche Anlässe für Szenarien, die vom Ergebnis her ähnlich sind und eine große Herausforderung für alle beteiligten Akteure im Zivilschutz darstellen, wobei das THW nur einer der Partner im Zivilschutz ist. Die Feuerwehren flächendeckend, die Hilfsorganisationen sind ebenfalls im Zivilschutz eingebunden. Das THW ist nur die von dem Bund finanzierte und bundesweit einheitlich aufgestellte Einsatzorganisation des Bundes im Zivilschutz.
    "Ich bin ein großer Anhänger föderaler Strukturen"
    Fischer: Da sprechen Sie schon die föderale Ordnung an. Da gibt es die Feuerwehren; die kommen, wenn das Haus brennt, wenn das Haus zusammengestürzt ist vielleicht auch. Dann gibt es das Technische Hilfswerk, das sind Sie. Dann gibt es noch das Bundesamt für Bevölkerungs- und Zivilschutz, das mischt da auch noch irgendwie mit. Und nicht zu vergessen natürlich auch die Polizeien der Länder. Ist das alles im Ernstfall wirklich nützlich?
    Broemme: Es hat sich bewährt. Ich bin ein großer Anhänger föderaler Strukturen, weil die meisten Lagen, übrigens auch in solchen Szenarien, letztlich irgendwo klein anfangen und langsam aufwachsen, und da kann man sich schwer vorstellen, also auch ich mit meinen über 45 Jahren praktischer Erfahrungen im Zivil- und Katastrophenschutz, dass man nun gleich eine Lage hat, die man am besten von Berlin aus, von der Bundesregierung aus zu steuern hat. Das würde gar nicht funktionieren. Wir sind also auf die föderalen Strukturen angewiesen. Die hätten sogar nach dem klassischen Bild im Zivilschutz eine größere Bedeutung, weil nämlich dann die Kreise als durchführende Stellen im Auftrag des Bundes die Zivilschutzaufgaben durchführen müssten. Das ist vielen Leuten gar nicht mehr so bewusst, aber nicht umsonst führt auch das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenhilfe an der zentralen Bildungseinrichtung in Ahrweiler entsprechende Schulungen genau für diesen Personenkreis schon immer durch.
    "Bunker haben wir in Deutschland immer nur halbherzig gehabt"
    Fischer: Noch mal zurück. Sie haben eben neue Szenarien skizziert und dann ausgeführt, dass es immer noch nicht hinreichenden Schutz gäbe. Aber wir haben ja in der Vergangenheit Bunker geschlossen, Sirenen abgebaut. Brauchen wir das alles wieder?
    Broemme: Bunker haben wir in Deutschland immer nur halbherzig gehabt. Die Ausstattung mit Bunkern war sehr dünn und hätte auch nur wenigen Menschen Schutz bieten können. Das war im Zweiten Weltkrieg naturgemäß größer, wo dann auch viele Häuser provisorische Bunkeranlagen hatten, natürlich auch mit Luftfiltern und Ähnlichem. Ob solche Szenarien wieder kommen, dass man eigentlich Bunker bräuchte, kann ich nicht beurteilen. Tatsache ist, dass die Bunker, wenn sie überhaupt noch existierten, in letzter Zeit abgebaut wurden, unter anderem auch vor dem Hintergrund der Frage, was passiert eigentlich nach den Tagen X im Bunker, wenn man rauskommt und man eigentlich nicht richtig überleben kann. Das ist zwar eine sehr triste Fragestellung, aber sie muss man sich unter den heutigen Zeitpunkten auch stellen.
    "Eine Frage der Aufklärung der Bevölkerung"
    Fischer: Beispiel Information der Bevölkerung. Dazu hat ja auch die Sirene gedient. Nun gibt es heutzutage ganz ausgeklügelte Systeme per SMS, demnächst per App, auch per Internet. Aber wissen die Menschen eigentlich, was sie zu tun haben, wenn sie durch diese Systeme gewarnt werden?
    Broemme: Es ist eine Frage der Aufklärung der Bevölkerung, wo es sicher dann wieder sehr viel zu tun gibt. Das muss sich natürlich auch mit sehr konkreten Ratschlägen beziehen, und hier können wir natürlich Erfahrungen sammeln, was Israel zum Beispiel auf diesem Feld tut. Ich habe auch persönlich sehr viel in Israel zu tun, wir machen auch zum Teil gemeinsame Forschungsprojekte, sodass wir nicht bei null anfangen mit den Planungen, aber sicher auf einem sehr niedrigen Niveau wieder anfangen müssen, die Bevölkerung aufzuklären.
    Ich lehne es auf der anderen Seite aber auch ab, so zu tun, als ob aufgrund von einigen aktuellen Entwicklungen wir in der übernächsten Woche in Deutschland wieder einen Krieg im Lande hätten. Das ist ein Szenario, was ich mir immer noch nicht vorstellen kann. Aber einzelne Schläge, auch von einzelnen Terroristen sind leider nie auszuschließen. Dafür sprechen ja die Ereignisse in Europa in den letzten Wochen leider eine deutliche Sprache.
    Heckmann: Albrecht Broemme war das, der Präsident des Technischen Hilfswerks THW, im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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