Dienstag, 19. März 2024

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ThyssenKrupp fusioniert mit Tata
"Die Produktion findet hier auch weiter statt"

Durch die Fusion von ThyssenKrupp mit dem indischen Konzern Tata Steel entstehe ein "größerer und potenterer Player", sagte Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Dlf. Damit steige die Chance, sich am hart umkämpften Markt durchzusetzen - und Standorte sowie Arbeitsplätze zu sichern.

Hubertus Bardt im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 20.09.2017
    Ein Mitarbeiter von Thyssen Krupp verfolgt in Duisburg am Hochofen im Stahlwerk den Anstich
    "Wir haben große Überkapazitäten auf den Stahlmärkten," sagte Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln im Dlf. (dpa / Oliver Berg)
    Sina Fröhndrich: Ob die Fusion mit ThyssenKrupps Stahlsparte für Tata auch so erfolgreich sein wird - das wollen wir besprechen mit Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger nennt das geplante europäische Unternehmen fulminant und fantastisch. Kann diese Fusion wirklich so gewinnbringend sein?
    Hubertus Bardt: Die Fusion ist aus zwei Gründen interessant für die Unternehmen. Zum einen, weil sie direkt Kosten sparen können, Verwaltung sparen können und Ähnliches. Und zum anderen, weil sie damit in einem sehr hart umkämpften Markt ein größerer und potenterer Player sind und damit auch weiterhin ihre Chancen besser werden nutzen können als einzelne Unternehmen in der Vergangenheit.
    Fröhndrich: Sie haben jetzt gesagt, der Markt ist sehr umkämpft. Aber am Ende bleibt ja das Grundproblem, nämlich dass es zu viel Stahl auf dem Markt gibt. Dieser Konkurrenz-, dieser Preisdruck bleibt. Hat man denn da wirklich eine Chance?
    Bardt: Wir haben große Überkapazitäten und wir haben Protektionismus auch auf den Stahlmärkten. Da ist es schwierig für jeden Einzelnen. Aber Sie haben natürlich als großes Unternehmen viel eher noch die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Ihre Standorte erhalten bleiben und Sie sich dann auch am Markt durchsetzen können, weil Sie mehr Luft zum Atmen haben als ein kleineres Unternehmen, was da sehr viel härter kämpfen muss.
    "Es bedeutet nicht, dass die Standorte hier zugemacht würden"
    Fröhndrich: Diese Luft zum Atmen, wenn wir das Bild nehmen, verschafft sich ThyssenKrupp und auch Tata jetzt, indem sie 4.000 Stellen streichen. Darüber wird auch heute Abend schon verhandelt mit der Arbeitnehmerseite. Ist das schon das Ende der Fahnenstange, oder werden da im Zweifel vielleicht noch mehr Mitarbeiter gehen müssen oder Stellen gestrichen werden?
    Bardt: Ich glaube, kurzfristig wird man sich darauf verpflichten, dass es dabei bleibt, und damit wohl auch weniger Stellen bei ThyssenKrupp abbauen als zwischendurch mal spekuliert wurde für den Fall, dass ThyssenKrupp alleine weitermacht. Was das langfristig bedeutet, weiß natürlich keiner. Langfristig ist nur klar, dass die Chancen auf stabile Arbeitsplätze für diejenigen, die dann bleiben können in dem neuen Unternehmen, durch die Entscheidung gestärkt sein werden.
    Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln
    Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft, sieht bei einer Fusion für beide Unternehmen größere Chancen am Markt (imago / Stefan Zeitz)
    Fröhndrich: Was jetzt auch klar ist, ist, dass mit dieser Entscheidung ja vielleicht auch eine ziemlich lange Tradition in Deutschland endet, vor allem auch in Nordrhein-Westfalen. Die Stahlproduktion ist doch jetzt eigentlich Geschichte bei uns.
    Bardt: Wir produzieren ja weiter hier. ThyssenKrupp oder dann das neue Unternehmen wird ja nicht die Standorte zumachen. Auch das ist ein Kampf und eine Entscheidung, die für die Zukunft dann immer wieder neu gewonnen werden muss. Aber die Produktion findet hier auch weiter statt, natürlich nicht mit der Bedeutung, die sie mal in den 50er-, 60er-Jahren hatte. Aber die Übergabe der bisherigen Stahlsparten von Thyssen und von Tata in ein neues Unternehmen hinein bedeutet noch nicht, dass die Standorte hier zugemacht würden und man die Produktionstradition tatsächlich beenden würde.
    Fröhndrich: Das heißt, Sie gehen schon davon aus, dass wir im Ruhrgebiet vielleicht auch in Zukunft noch das eine oder andere Stahlwerk haben werden, was sich aber vielleicht noch mal anders aufstellt?
    Bardt: Ich gehe davon aus, dass wir auch weiterhin Produktion hier haben können. Die Frage ist immer, was ist die Marktposition, und auch, wie sind die Kostensituationen hier. Die Stahlunternehmen in Deutschland - da gibt es ja auch noch mehr als nur ThyssenKrupp - leiden beispielsweise unter Energiekosten, Unsicherheiten, was Energiepreise angeht, Klima-Herausforderungen, die hier höher sind, zurecht auch höher sind als in anderen Weltregionen. Aber das macht es natürlich für die Unternehmen im Wettbewerb schwer. Wenn wir die Standortbedingungen hinkriegen und gleichzeitig es schaffen, die Überkapazitäten da abzubauen, wo sie tatsächlich abgebaut werden müssten, nämlich bei den ineffizienten Werken, dann haben wir hier gute Chancen, auch weiterhin Stahl zu produzieren.
    "ThyssenKrupp völlig anderes Unternehmen als vor 60 Jahren"
    Fröhndrich: Und wenn wir uns den Markt noch mal ein bisschen genauer anschauen: Wo wird denn vielleicht auch hochwertiger Stahl - ThyssenKrupp steht für hochwertigen Stahl, hat da einen guten Ruf sich aufgebaut -, in welchem Bereich wird denn dieser Stahl in Zukunft besonders gebraucht werden? In der Automobilindustrie? Welches sind dort die Spielfelder?
    Bardt: Stahl ist kein Massengut. Wir brauchen natürlich die großen Mengen von Stahl für Bauten, im Gebäudebau, im Straßenbau etc. Aber das, womit Geld verdient werden kann, womit sich ein Unternehmen auch differenzieren kann, innovativ sein kann und sich am Markt behaupten kann, das sind dann Dinge, die beispielsweise notwendig sind für leichte Autos. Wenn wir über leichten Fahrzeugbau sprechen, Energieeinsparung, Verbrauchseinsparung im Fahrzeugbau, dann spielen hier auch Stähle, moderne Stähle eine Rolle, die einfach die Haltbarkeit sehr viel leichter hinkriegen als in der Vergangenheit. Hier ist Innovation und Fokussierung auf die Bereiche wichtig, die eine hohe Wertschöpfung bringen. Das sind auch ganz wichtige Bestandteile, um die Zukunft der Standorte in Deutschland zu sichern.
    Fröhndrich: Kann dann diese ganz alte Stahlindustrie ein innovativer Industriezweig werden?
    Bardt: Die Stahlindustrie ist nicht so alt. Natürlich gibt es schon lange Stahlindustrie. Aber ein Stahlwerk von heute und die Produkte, die ein Stahlwerk von heute produziert, haben nicht mehr so viel zu tun mit dem, wie das vor 50, 60 Jahren war. ThyssenKrupp ist heute ein völlig anderes Unternehmen, als es das damals war, und dieser Strukturwandel, dieser Veränderungsprozess des Unternehmens wird auch weitergehen müssen und wird sich jetzt in einer neuen Rechtsform zusammen mit den Werken von Tata wiederfinden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.