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Tiefschlag für Spanien

Spaniens Bonität rangiert nur noch knapp vor Ramschniveau. Aber auch in Deutschland scheinen die Zeiten regelmäßiger Erfolgsmeldungen vorbei zu sein. Laut aktuellem Herbstgutachten wird die Wirtschaft hierzulande im nächsten Jahr nur noch halb so schnell wachsen wie bisher erwartet.

Von Michael Braun | 11.10.2012
    Bald dürften spanische Staatsanleihen Ramschniveau haben. Nur noch eine Stufe sind sie seit heute davon entfernt. Dazu die steigende Arbeitslosigkeit, etwa in Griechenland, die Debatte um einen weiteren Schuldenschnitt nicht nur dort – doch die Finanzmärkte störte das alles heute nicht. Der Deutsche Aktienindex sah umso schöner aus, je länger der Tag dauerte. Auch der Euro stieg, ließ sein Tagestief um mehr als einen Cent hinter sich, richtete sich bei gut 1,29 Dollar ein. Der Grund für die guten Kurse trotz schlechter Nachrichten heißt "Europäische Zentralbank." Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der BHF Bank:

    "Hintergrund ist natürlich das neue Anleihekaufprogramm der EZB, was ja die Systemkrise abmildern und den Finanzmarkt stabilisieren soll. Ich glaube, wir werden sehen, dass Spanien in den nächsten Wochen den Hilfsantrag stellen wird und dass die EZB dann auch ihrerseits eingreifen wird, um ihre Geldpolitik in allen Ländern gleich durchwirken zu lassen."

    Diese Hoffnung könnte nur kurzfristig wirken. Zumindest die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland gingen heute die Geldpolitik der EZB massiv an. Zwar gab es abweichende Meinungen. Aber Joachim Scheide, dessen Kieler Institut für Weltwirtschaft bei dem Herbstgutachten die Federführung übernommen hatte, sagte ohne viel Wenn und Aber, die EZB habe sich in den Dienst der Finanzpolitik gestellt:

    "Offenbar als einzige handlungsfähige Instanz ließ sich die EZB dazu drängen, eine Garantieerklärung für die Währungsunion abzugeben. Eigentlich ist es allein Aufgabe der Regierung, über den Bestand der Währungsunion zu entscheiden und ihn gegebenenfalls zu sichern."

    Gedrängelt hatten offenbar die Regierungen, auch die deutsche, die die Insolvenz eines Euro-Landes vermeiden wollen. So steht Griechenland allein aus dem ersten Hilfspaket bei den deutschen Steuerzahlern mit 15,2 Milliarden Euro in der Kreide. Ein Großteil der Summe wäre bei einem Schuldenschnitt verloren. Aber mit Hilfe der EZB hätten die Regierungen, so Scheide, einen anderen Weg gewählt:

    "Nach dem bisherigen Ablauf des Krisenmanagements scheint es immer wahrscheinlicher, dass die Politik letztlich eine höhere Inflation akzeptieren würde. Das könnte aus ihrer Sicht sogar eine relativ einfache oder die einfachste Lösung sein. Denn damit würden die Kosten verschleiert."

    Dass dies so kommen wird, glaubt auch Thorsten Polleit, Chefvolkswirt beim Goldhändler Degussa, der an der Frankfurt School of Finance and Management Geldpolitik unterrichtet:

    "Die längerfristigen Konsequenzen dieser Politik werden natürlich erst mit einer Zeitverzögerung sichtbar, also das Steigen aller Preise auf breiter Front: Nahrungsmittel, Energie etc. Das trifft dann auch den privaten Konsum."

    Erschwerend kommt hinzu, dass die Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognose für Deutschland im nächsten Jahr halbierten: von plus zwei auf plus ein Prozent.

    "Deutschland folgt dem Rest in Europa Richtung Rezession."

    Andererseits: Solange die Konjunktur nicht brummt, sind die Inflationsgefahren in der Regel gering. Für die Börsen ist die Zeit, auf Inflationsgefahr zu setzen, noch nicht gekommen.