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Tiefseegraben Nankai-Trog
Sediment-Analysen geben Aufschluss über japanische Erdbebenzone

Vor der Ostküste Japans befindet sich eine der am stärksten erdbeben- und tsunamiträchtigen Zonen. Um so viel wie möglich über die Entstehung der Bedrohung vor der Küste zu erfahren, hat Japan das größte wissenschaftliche Bohrschiff der Welt bauen lassen, die Chikyu. Kostenpunkt: mehr als eine halbe Milliarde Euro. Die Sedimentproben geben nun ersten Aufschluss.

Von Dagmar Röhrlich | 11.11.2016
    Das japanische Forschungsschiff Chikyu führte 2012 mit 2500 Metern die bislang tiefste wissenschaftliche Ozeanbohrung durch. Hier liegt es im September 2013 im Hafen von Shimizu vor Anker
    Das japanische Forschungsschiff Chikyu hat bereits etliche Bohrungen in der Störungszone des Nankai-Trog durchgeführt. (AFP PHOTO / TOSHIFUMI KITAMURA )
    Es geschah am 24. Dezember 1946: Ein Erdbeben der Stärke 8 bis 8,4 erschütterte den Süden der japanischen Hauptinsel Honshu. Eine halbe Stunde später vollendete ein Tsunami das Zerstörungswerk: Fast 14.000 Menschen starben, von 36.000 Häusern blieben nur Trümmer.
    Zwei Jahre zuvor hatte ein ähnlich starkes Beben mitsamt Tsunami die Nachbarregion verwüstet. Die Epizentren beider Beben lagen im Nankai-Trog - einem Tiefseegraben, an dem die philippinische Ozeanplatte unter Japan ins Erdinnere absinkt:
    "Und Japan gehört zur eurasischen Platte. Der Nankai-Trog ist eine große Subduktionszone, die bekannt ist für immer wiederkehrende Erdbeben. Das ist letztendlich der Grund, warum dieses große Projekt initiiert wurde, das so genannte NanTroSEIZE-Project."
    Dabei wird der Nankai-Trog im Rahmen des Internationalen Meerestiefbohrprogramms IODP an verschiedenen Stellen systematisch angebohrt, erklärt Michael Stipp vom Geomar in Kiel:
    "Das ist das Ziel des ganzen Projektes, dass wir bis in diese seismogene Zone bohren, das ist die Zone, in der die Erdbeben entstehen können. Das ist im Fall von Nankai relativ flach, schätzungsweise in fünfeinhalb bis sechs Kilometern."
    Weiches Sediment würde normalerweise Beben absorbieren
    Doch noch konzentrieren sich die Bohrungen auf die mächtigen Sedimentpakete oberhalb dieser Zone. Dieser Sedimentkeil entsteht, weil die eurasische Kontinentalplatte wie ein Messer Sande und Tone abschabt, die sich im Lauf von Jahrmillionen auf der absinkenden philippinischen Meereskruste angesammelt haben.
    Was abgeschabt wird, sammelt sich in einem Sedimentkeil an. Lösen sich dann in der Erdbebenzone die durch die Plattenkollision aufgebauten Spannungen in einem schweren Beben, sollten die seismischen Wellen in diesem Keil eigentlich gedämpft werden. Denn, erklärt Michael Stipp:
    "Diese Sedimente, die da vorliegen, die sind eigentlich sehr weich. Man würde eigentlich erwarten, dass die Bewegungen auslaufen, weil die Verformung von den weichen Sedimenten einfach aufgenommen wird."
    Genau das passiert jedoch nicht. Vielmehr reißt der Bruch bis zum Meeresboden durch, lässt ihn hochschnellen und löst so einen Tsunami aus. Experimente an Proben aus den Bohrkernen sollten nun zeigen, was diesen Sedimentkeil im Nankai-Trog so gefährlich macht. Zunächst landeten die Proben in einer Hochleistungspresse und wurden verformt. Das Resultat:
    "Wir haben festgestellt, dass es da Probenmaterial gibt, das mit zunehmender Verformung immer fester wird."
    Sprich: Es behält seine Struktur, nimmt die Verformung durch die Wellen auf und dämpft sie so ab:
    "Und auf der anderen Seite gibt es Material, was mit zunehmender Verformung nur ein bisschen fester wird und dann sehr stark abschwächt."
    Schuld für die Bebengefahr ist ein zu tonreiches Material
    Dieser Materialtyp versagt, wenn Erdbebenwellen durchlaufen: Er kollabiert - und das löst die Bodenbewegungen aus, durch die der Tsunami entsteht. Sozusagen auf den ersten Blick schienen sich die beiden Sedimenttypen nicht zu unterscheiden. Warum sie so verschieden reagierten, verriet der Synchrotron-Strahl des Hamburger DESY. Den Unterschied macht ein wenig höherer Sand- oder Tongehalt aus:
    "Dieser geringe Unterschied in der Zusammensetzung, es geht nur um fünf bis zehn Prozent, der kontrolliert tatsächlich diesen immensen Festigkeitsunterschied. Das hat uns sehr erstaunt, dass ein so geringer Unterschied so entscheidend sein kann für das mechanische Verhalten der Sedimente. Damit haben wir nicht gerechnet."
    In den festen Proben halten die Sandkörner das Sediment in Form. Laufen Bebenwellen hindurch, dämpft dieser Sedimenttyp die Verformung und bleibt stabil. In den etwas tonreicheren Partien ist es genau umgekehrt: Die Tonminerale setzen der Belastung nichts entgegen, geben nach, die Porenräume klappen zusammen.
    Und die Bohrprofile verraten, dass sich - unglücklicherweise für die Bewohner Japans - dieses etwas tonreichere Material genau da angereichert hat, wo eine weitere Störung bis zum Meeresboden durchschlägt. Diese ungute Kombination könnte die Ursache dafür sein, dass Erdbeben im Nankai-Trog so oft mit verheerenden Tsunasmis einhergehen.