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Tierschützer schlagen Alarm
Heimliche Aufnahmen im Maasdorfer "Schweinehochhaus"

Für Schweine ist Sachsen-Anhalt kein Paradies, 2016 gab es bei etwa einem knappen Viertel aller kontrollierten Betriebe Verstöße, 2015 lag die Quote etwas darüber. Für Aufsehen sorgen jetzt heimlich gemachte Aufnahmen des Deutschen Tierschutzbüros aus dem sogenannten "Schweinehochhaus".

Von Christoph Richter | 23.03.2018
    Das "Schweinehochhaus", aufgenommen am 12.03.2015 in Maasdorf (Sachsen-Anhalt).
    Das "Schweinehochhaus" in Maasdorf: gilt in Europa als einzigartig und bietet aus sechs Etagen Hunderten Schweinen Platz. (Peter Endig / dpa)
    Schmallippig ist die Reaktion der Veterinärbehörde des Landkreis Anhalt-Bitterfeld zu den Berichten über die Schweinehaltung im Schweinehochhaus Maasdorf. In einer knappen Pressemitteilung ist lediglich zu lesen, dass man bei einer Kontrolle Mängel festgestellt habe, dass man ein Zwangsgeld androhe, falls die Mängel nicht abgestellt würden. Genaueres erfährt man nicht, öffentlich will sich keiner äußern (*).
    "Die Veterinärbehörde ist auch in der Vergangenheit sehr zurückhaltend gewesen, was Maasdorf betrifft," so die grüne Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking.
    "Wenn wir davon ausgehen, dass die Bilder, die uns gezeigt wurden, echt sind. Dann ist das ein Skandal, dass es immer noch solche Missstände gibt. Und man muss sich fragen, warum ist das der Veterinärbehörde in der Vergangenheit nicht aufgefallen."
    Das sogenannte Schweinehochhaus, Anfang der 1970er-Jahre gebaut, ist ein früheres DDR-Prestige-Objekt. Heute ein dreckiger Plattenbau in Maasdorf bei Halle, indem auf sechs Etagen bis zu 3.000 Schweine gehalten werden. Rund ums Gelände stinkt es nach Tierdung. Auf das Klingeln will keiner öffnen. Betreiber ist die HET GmbH, Geschäftsführer ist der Niederländer Michiel Taken. Er will sich zu den Umständen im Schweinehochhaus nicht äußern. 2015 und 2016 hat der Betrieb EU-Subventionen von mehr als 50.000 Euro erhalten.
    "Klarer Verstoß gegen die Tierschutz-Auflagen"
    Mit versteckten Kameras haben Tierschutzaktivisten des Deutschen Tierschutzbüros heimlich Aufnahmen gemacht: Man sieht überzüchtete Ferkel, die kaum stehen können, von ihren Sauen beinahe erdrückt werden. In den mit Löchern perforierten Metallböden bleiben sie immer wieder mit ihren kleinen Beinen stecken, ein klarer Verstoß gegen die Tierschutz-Auflagen, so Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragter Marco König. Erschreckt hat ihn aber der brutale Umgang der Mitarbeiter, die fast enthemmt Ferkel gegen eine Wand schlagen, um sie dann wie Abfall in eine Plastiktonne zu werfen. Ohne jedweden Respekt vor der Kreatur. Marco König:
    "In allererster Linie muss eine Wandlung im Umgang mit Tieren in der Schweinehalterbranche passieren. Man hat solche Bilder nicht zum ersten Mal gesehen. Insofern besteht schon der Verdacht, dass das keine Einzelfälle sind."
    Werner Gutzmer schüttelt energisch den Kopf. Er ist der Vorsitzende des Schweinewirtschaftsverbandes Sachsen-Anhalt. Jetzt Pensionär. Bis vor Kurzem hat er einen Betrieb mit 5.000 Schweinen in Pretzsch bei Wittenberg geleitet. Durch die illegal gemachten Bilder würden Schweinehalter nur in Verruf gebracht, meint Gutzmer.
    Warum aber gerade die Massenschweinezucht immer wieder in Schlagzeilen gerät, darauf hat der frühere Schweineproduzent Gutzmer keine Antwort. Selbstkritik: Fehlanzeige. Stattdessen zeigt Gutzmer mit dem Finger auf die Politik und kritisiert massiv die grüne Umweltministerin Claudia Dalbert.
    "Was wir wollen, mehr als nur die Kastenstandshaltung ändern, sondern wir wollen mehr. Dazu muss man aber auch mehr tun. Und sie liefert nicht. Seit eineinhalb Jahren. Ich habe den Eindruck, sie will nicht, sie kann nicht."
    Gerne hätten wir Umweltministerin Claudia Dalbert mit den Vorwürfen konfrontiert. Um zu erfahren, welche unmittelbaren Schritte künftig von der Landesregierung zu erwarten sind. Doch Umweltministerin Dalbert war nicht zu sprechen, aus terminlichen Gründen wie es heißt.
    Für unabhängige Tierschutzbeauftragte in den Betrieben
    1,2 Millionen Schweine werden allein in Sachsen-Anhalt gehalten. Der Grund: Die Halter dürfen alte LPG-Betriebe nachnutzen, für die ein sogenannter Bestandsschutz gilt. Aber mit dem Tierschutz scheint es da nicht weither zu sein, vermutet Sachsen-Anhalts oberster Tierschützer Marco König. Und fordert unabhängige Tierschutzbeauftragte für die jeweiligen Groß-Betriebe mit Massentierhaltung, so wie es bei Schlachthöfen bereits gang und gebe sei, so König weiter.
    "Sachsen-Anhalt hat in Bund-Länder-Beratungen auf Agrarministerebene solche Vorschläge schon unterbreitet. Zu meinem Bedauern sind die bisher nicht zum Tragen gekommen."
    Jetzt kursiert das Wort vom Tierhalteverbot für den Betreiber Michiel Taken. Doch ob das komme, könne man derzeit nicht sagen, so Tierschützer Marco König weiter.
    Derzeit prüfen die Behörden, inwiefern Mitarbeiter des Schweinhochhaus möglicherweise strafrechtlich gegen den Tierschutz verstoßen haben. Vier der getöteten Ferkel wurden deshalb zu einer pathologischen Untersuchung nach Stendal gebracht.
    (*) Nachtrag der Redaktion:

    Wie Udo Pawelczyk, Pressesprecher der Kreisverwaltung Anhalt-Bitterfeld, dem Deutschlandfunk nach Redaktionsschluss für diesen Beitrag auf Nachfrage mitteilte, wurden bei der Vorortkontrolle unter anderem folgende Mängel festgestellt:

    "Kranke, verletzte beziehungsweise gesundheitsauffällige Tiere wurden nicht separat in "Krankenboxen" gehalten". Veterinäre wurden auch nicht hinzugezogen. Weiter: "Teilweise mangelhafte Klauenpflege" und "großer Fliegenbefall" der Schweine, sowie "mangelhafte Hygiene in den Haltevorrichtungen". Zudem: "zu kleine Ferkelnester in den Abferkelbuchten" sowie "fehlende Nachweise für das Kupieren von Schwänzen" bei Ferkeln.

    Es wurde die sofortige Beseitigung der festgestellten Mängel bzw. die Erbringung von Nachweisen angeordnet. Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnungen, droht der Landkreis Anhalt-Bitterfeld für jeden einzelnen Mangel ein Zwangsgeld in unterschiedlicher Höhe an (Spanne von 1.000 bis 5.000 Euro je Mangel). Der Landkreis wird die Mängelbeseitigung vor Ort überprüfen.

    Gegenwärtig bereitet der Landkreis eine Strafanzeige vor. "Missstände, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind, werden dann von den Strafverfolgungsbehörden geprüft und gegebenenfalls geahndet. Zudem behält sich der Landkreis die Möglichkeit eines Bußgeldbescheides vor. Der hätte jedoch Nachrang, für den Fall, dass strafrechtlich ermittelt wird."