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Tierschutz
Skandal bei "Neuland"-Fleisch soll aufgeklärt werden

Ein Hähnchenmäster aus Niedersachsen steht unter dem Verdacht, Geflügel aus Massentierhaltung unter dem Tierschutz-Label "Neuland" vermarktet zu haben. Jetzt fürchten die Trägervereine hinter dem Siegel um ihren guten Ruf. Doch die Verbände, darunter BUND und der Tierschutzbund, haben bei "Neuland" möglicherweise selbst zu lange weggesehen.

Von Kersten Mügge | 23.04.2014
    Großaufnahme dreier Hühner
    "Neuland" wird Etikettenschwindel bei Geflügelfleisch vorgeworfen (dpa / Benjamin Beytekin)
    Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer von den Grünen klang in seiner Stellungnahme zu den ersten Berichten über angeblichen Etikettenschwindel beim Tierschutz-Label "Neuland" ganz wie der klassische Agrarpolitiker:
    "Ich bin entsetzt. Wenn sich das so herausstellt, ist das Betrug eines einzigen Landwirts. Man darf jetzt aus dem Einzelfall aber keinen Rückschluss auf eine ganze Branche ziehen. Man muss jetzt prüfen, welche Vergehen möglicherweise vorliegen."
    Diese Aufklärungsarbeit soll heute in Bremen beginnen. Dort tagt der "Neuland"-Vorstand unter der Leitung des Ehrenpräsidenten des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel. Es ginge ihm auch um seine Ehre und um mögliche Konsequenzen, sagte er vorab. In einer schriftlichen Stellungnahme sieht sich der Tierschutzbund aber vor allem als Opfer eines betrügerischen Landwirts:
    "Wir müssen erkennen, dass es offenbar unter den Guten, den ehrlichen 'Neuland'-Landwirten auch einzelne 'Böse' gibt. Die vor knapp anderthalb Jahren begonnene Verschärfung der Kontrollen war und ist der richtige Weg, der muss konsequent weiter verfolgt werden."
    Großzügige Ausnahmen
    Ähnlich hatte sich zuvor der Bund für Umwelt und Naturschutz geäußert. Dabei hat im Fall des betroffenen Landwirts aus dem niedersächsischen Wietzen "Neuland" selbst jahrelang die eigenen Regeln außer Kraft gesetzt und dem Landwirt eine großzügige Ausnahmegenehmigung erteilt. Statt nur Küken durfte er auch junge Hennen kaufen, nach "Neuland"-Kriterien groß ziehen und schlachten. Das heißt: Die Tiere lebten gar nicht ihr ganzes Leben unter den "Neuland"-Bedingungen. Dafür konnte der Landwirt deutlich mehr "Neuland"-Geflügel produzieren als es die Regularien des Verbandes zuließen. "Neuland" wollte von dem Landwirt zuletzt 100.000 Schlachthühner pro Jahr, eine Zahl die ein "Neuland"-Bauer allein nach den Verbandsregeln gar nicht hätte mästen dürfen. Dafür wären mindestens zwei in der Region notwendig gewesen, Aber der betroffene Landwirt, Werner Langfeld, war der einzige "Neuland"-Hähnchenmäster in Norddeutschland. Die verbandseigenen Regeln und die Lieferanforderungen von "Neuland" passten nach Langfelds Darstellung also nicht zusammen:
    "Es war jedem bekannt und bewusst, dass das absolut nicht gehen kann. Ich habe dann eben als der, der unter dem Druck stand, nur zu hören bekommen: Werner, du hast ein Schlachthaus gebaut, das muss ausgelastet werden, sieh zu, wo Mäster herkriegst."
    Langfeld gesteht allerdings auch ein: Er hat auch Geflügel an "Neuland" verkauft, das nie oder nur kurz auf seinem Hof war. Dass aber nicht nur dieser vermeintliche Etikettenschwindel Fragen aufwirft, sondern auch der Umgang des Verbands mit der Ausnahmegenehmigung, darauf verweist der Kenner der alternativen Landwirtschaftsszene, Eckardt Niemann:
    "Die Schuld liegt sicher nicht nur bei denjenigen, der dort betrogen hat, sondern auch in den Strukturen, die das nicht hinterfragt haben und vielleicht leichtfertig, wenn nicht vorsätzlich in Kauf genommen haben."
    Offiziell äußert sich der dritte Träger von "Neuland", die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, zu der auch Niemann gehört, noch etwas zurückhaltender. Aber Insider sprechen von größter Aufregung in den drei Verbänden, die alle einen Namen zu verlieren hätten. Und: die Konsequenzen zu ziehen, werde für alle ein harter Gang.