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Tierschutz
Tierfreundlich hergestellte Wollwaren besser erkennen

Mehrere Modeketten verkaufen keine Kleidung aus Angorawolle mehr, nachdem die Tierschutzorganisation PETA auf das brutale Rupfen der Tiere aufmerksam machte. Wie tierfreundlich Bekleidung ist, erfährt der Kunden vom Etikett oder durch gezieltes Nachfragen.

Von Jens Jensen | 04.12.2013
    "100 Prozent Cashmere, nur Handwäsche. - 80 Prozent Schurwolle, 20 Prozent Polyester. - 100 Prozent Leder, nicht waschbar."
    Die wichtigste Informationsquelle beim Modeeinkauf ist das Etikett. Es kommt zum Vorschein, wenn man die Jacke oder den Pullover auf links dreht. Das EU-Recht schreibt für Textilprodukte eine Rohstoffkennzeichnung vor, die sich meist bei den Pflegehinweisen findet. Zusätzlich können weitere freiwillige Angaben enthalten sein, erläutert Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund.
    "Das Etikett verrät, welche Materialien verarbeitet wurden, auch zu wie viel Prozent anteilig. Und da sollte der Verbraucher ganz genau hinschauen: Was steht darin? Gibt es ein Herkunftsland? Gibt es eine Internetpräsenz, die noch einmal zusätzliche Informationen bietet? Da sollte man eben ganz genau hinschauen."
    Manche Formulierung muss der Verbraucher jedoch erst entschlüsseln, zum Beispiel den Aufdruck: "Enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs." Dahinter können sich Kleinteile verbergen wie Perlmuttknöpfe oder das Lederlabel einer Jeans. Es kann aber auch ein Hinweis auf Pelz sein. Das ist ein wichtiges Indiz für Käufer, die aus Tierschutzgründen auf Echtfell verzichten wollen. Umgekehrt sieht manches täuschend echt aus, was in Wahrheit gar nicht vom Tier stammt.
    "Es gibt Fellimitate, die eine ähnliche Konsistenz haben, die sich fast genauso anfühlen wie tierisches Fell, aber synthetisch verarbeitet sind."
    Deutsche Tierschutzbund lehnt fordert Verbot von Pelztierhaltung
    In einigen europäischen Ländern ist die Haltung von Pelztieren zur Fellgewinnung verboten oder durch strenge Auflagen unrentabel, so etwa in Großbritannien, Österreich und der Schweiz. In Deutschland wurden die Tierschutzauflagen 2006 geändert. Nach einer mehrjährigen Übergangsfrist sind zum Beispiel für Nerze größere Käfige vorgeschrieben. Mehrere Pelztierfarmen haben gegen diese Vorgaben geklagt. Der Deutsche Tierschutzbund lehnt die Pelztierhaltung generell ab und fordert ein Verbot auch hierzulande. Bei anderen Rohstoffen komme es dagegen ganz auf die Behandlung der Tiere an, sagt Marius Tünte. Zum Beispiel bei Schurwolle:
    "Gerade das Scheren von Schafen muss nicht ein Tierschutzproblem sein. Das kann für die Tiere überhaupt unproblematisch sein, wenn es vernünftig gemacht ist, wenn das Wohl der Tiere dabei beobachtet wurde und Fachkunde dahintersteht. Es kann aber dann zum Problem werden, wenn es industrialisierte Verarbeitung ist, wenn das schnell gehen muss, wenn es ungelernte Kräfte sind, die diese Tiere scheren. Da muss man hinschauen, ob man da als Verbraucher die Möglichkeit hat, das nachzuvollziehen."
    Ähnliches gilt nach Ansicht des Tierschutzbundes auch für Alpaka- und Kaschmirwolle, soweit die Tiere artgerecht gehalten wurden. Bei der Kaschmirziege gibt es verschiedene Verfahren der Wollgewinnung, die unterschiedlich belastend sein können: das Auskämmen des Unterhaares oder die Schur. Fallen Tiere unter das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES, das den Handel mit gefährdeten Arten regelt, müssen entsprechende Begleitdokumente vorliegen. Dies garantiere aber nicht, dass ein Exemplar auch tierschutzgerecht gehalten beziehungsweise gefangen und getötet wurde, sagt Dietrich Jelden vom Bundesamt für Naturschutz:
    Im Zweifel: Besser auf den Kleiderkauf verzichten
    "Also das heißt, es kann aus artenschutzrechtlicher Sicht bedenkenlos sein, aber aus tierschutzrechtlicher Sicht höchst bedenklich."
    Die einfachste Regel, die man aufstellen könne, laute daher: Im Zweifel verzichten, auch wenn das Kleidungsstück noch so verlockend ist. Wenn es viele Käufer so hielten, wirke sich das aus. So seien durch ein gewachsenes Umweltbewusstsein der Kunden viele exotische Produkte in den vergangenen Jahrzehnten fast völlig vom Markt verschwunden.
    "Oft unterschätzt wird die Macht des Verbrauchers. Das merken die Händler sehr wohl, wenn Fragen in zunehmendem Maße bei ihnen in den einzelnen Geschäften kommen, ob die einzelnen Exemplare wirklich tierschutz- und artenschutzrechtlich berechtigt angeboten werden oder nicht."