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Tierschutzgesetz
Tierschutzbund fordert Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang

"Ausgehverbot oder Kastration für Hauskater", so titelt ein Bericht der "Bild"-Zeit heute. Schon 2013 habe die Bundesregierung das Tierschutzgesetz so geändert, dass Kommunen Kastrationen anordnen könnten, wenn es zu viele frei lebende Katzen gebe, sagte Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. Notwendig sei eine bundesweite Regelung auch, weil die Tierheime völlig überlastet seien.

Marius Tünte im Gespräch mit Stefan Römermann | 19.11.2015
    Eine Katze auf der Insel Rügen.
    Unkastrierte Katzen sorgen immer wieder für unerwartete Würfe. (picture-alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Stefan Römermann: Es klingt schon etwas wild, was die "Bild"-Zeitung da heute groß auf Seite eins berichtet: "Ausgehverbot oder Kastration für Hauskater" steht da. Das fordert angeblich der Agrarminister im aktuellen Tierschutzbericht. Wenn man einer Meldung der "Bild"-Zeitung nachgeht, dann ist es wie so oft, wenn man solche Geschichten recherchiert. Entweder ist die Sache falsch, oder uralt. Deshalb die Frage an Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund: Was ist es denn in diesem Fall, falsch oder alles schon längst bekannt?
    Marius Tünte: Hallo! Ich grüße Sie. - Es ist im Prinzip tatsächlich ein bisschen beides. Es ist auf der einen Seite schon länger her, dass die Bundesregierung 2013 das Tierschutzgesetz geändert hat, damit die Länder aktiv werden können.
    Römermann: 2013! Also zwei Jahre ist das alles schon alt.
    Tünte: Genau, es ist schon ein bisschen älter. Und die Formulierungen des Ministers sind da natürlich sehr zugespitzt zusammengefasst worden. Von daher tut ein bisschen Aufklärung sicherlich gut.
    Römermann: Das versuchen wir hier. Gehen wir der Sache nach. Es gibt tatsächlich eine Änderung im Tierschutzgesetz. Die ist 2013 passiert. Was wurde da beschlossen?
    Tünte: Da wurde beschlossen, dass die Länder die Möglichkeit haben, wenn es Probleme mit frei lebenden Katzen gibt und die Population zu groß ist und die Tiere leiden, dass dann die Länder aktiv werden können, um Maßnahmen zu treffen wie zum Beispiel Kastrationspflicht oder Kastrationsaktionen, und das wurde tatsächlich 2013 schon eingeführt.
    Römermann: Das ist in einigen Bundesländern jetzt schon eingeführt. Wissen Sie von Städten oder Ländern, in denen das schon tatsächlich passiert ist?
    Tünte: Es haben Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen unserer Kenntnis nach schon umgesetzt und die wiederum brechen es runter auf die Kommunen, weil nicht quasi im ganzen Bundesland diese Problematik besteht, sondern vielleicht nur in bestimmten Kommunen. Deswegen haben diese Bundesländer jetzt zum Beispiel ihre Kommunen ermächtigt, dann, wenn es Probleme vor Ort gibt, so was einzuführen, und deswegen droht uns im Moment ein bisschen ein Flickenteppich in ganz Deutschland. Da wäre es natürlich gut, wenn der Bund eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang einführt, aber das scheint im Moment mit der Regierung nicht akut zu sein.
    "Ein Routineeingriff, der für Katze und Kater kaum Folgen hat"
    Römermann: Sie sagen, das ist sinnvoll. Was gibt es denn da konkret für Probleme? Warum ist das sinnvoll, wenn ich Haustierbesitzer bin, wenn ich Katzenbesitzer bin, mein Tier kastrieren zu lassen? Das klingt ja erst mal ziemlich böse und radikal.
    Tünte: Die Kastration ist heutzutage ein Routineeingriff, hat auch für die Katzen und Kater kaum Folgen. Es ist völlig normal heutzutage. Und wir sehen die Folgen in den Tierheimen. Da werden unheimlich viele Tiere abgegeben, weil unerwartet irgendwo ein Wurf ist, oder die Leute melden frei lebende Katzen, die sich mit Hauskatzen gepaart haben, denen es nicht gut geht, weil die nicht genug Futter bekommen, und das muss irgendwie aufgefangen werden. Das könnte man verhindern, indem diese Freigängerkatzen kastriert werden, und diese unkontrollierte Vermehrung, die wird dann eingedämmt. In einigen Bereichen - in einigen Kommunen sehen wir das - ist das ein Problem, weil den Tieren geht es nicht gut und die Tierheime sind auch überlastet, und da eine einheitliche Regelung zu schaffen, die auch den Tierhaltern Sicherheit gibt, wäre natürlich gut.
    Römermann: Den Tieren geht es nicht gut, sie bekommen nicht genug Futter. Aber haben die auch noch andere Dinge? Ich habe gehört, die sind an Temperaturen oder sonst was nicht richtig angepasst. Oder ist das falsch?
    Tünte: Es ist tatsächlich so, dass die Tiere sich oftmals zurückziehen und in irgendwelchen Brachgeländen leben, Probleme haben mit Futter, mit dem Klima durchaus, aber auch Krankheiten sind natürlich ein gutes Thema. Da sind immer wieder Probleme, gerade wenn die sich zum Beispiel auf Hauskatzen übertragen. An die Tiere ist auch schwer heranzukommen. Die sind oft sehr scheu, für Tierschützer ist es schwer, da heranzukommen, und deswegen ist es so wichtig. Mit einer Kastration, die bundesweit ist, könnte man das ein Stück weit eindämmen. Dieses Problem hat die Regierung zumindest erkannt, das ist richtig, aber hat es auf die Länder übertragen, was auch schon mal ein ganz passabler Schritt ist, und wir müssen insgesamt hier weiterkommen als nur dieses Runterbrechen auf die immer niedrigere Stufe.
    Römermann: Nur ganz kurz: Wieviel muss ich als Tierbesitzer dafür einplanen? Wieviel kostet so ein Eingriff ungefähr?
    Tünte: Der Eingriff ist routinemäßig, tut dem Tier nichts und kostet je nach Tierarzt, glaube ich, zwischen 30 und 50 Euro, ist eine einmalige Sache, gibt einem aber auch selbst Sicherheit, entweder für den Kater, dass der nicht draußen sich vermehrt, und gleichzeitig, wenn ich eine Katze habe, dass die nicht auf einmal unerwartet mit Jungen trächtig ist. Auch die Tierheime werden entlastet. Von daher ist so eine Summe dann schon eine gute Investition.
    Römermann: Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.