Freitag, 19. April 2024

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Tierversuche
"Forschung mit transgenen Tieren wird zunehmen"

Mehr als zwei Millionen Tiere wurden 2017 in Deutschland für wissenschaftliche Zwecke „verwendet“, so ein Bericht der Bundesregierung. An Affen werde nur geforscht, wenn es keine Alternative gebe, so Stefan Treue vom Primatenzentrum Göttingen. Für die Erforschung bestimmter Erkrankungen eigneten sich aber besonders transgene Tiere.

Stefan Treue im Gespräch mit Lennart Pyritz | 20.12.2018
    Eine Labormaus sitzt auf der behandschuhten Hand einer Wissenschaftlerin.
    Die Maus im Labor spielt eine zentrale Rolle: An genetisch veränderten Tieren lasse sich mit besseren Ergebnissen forschen, sagt Stefan Treue vom Primatenzentrum Göttingen. (imago stock&people)
    Mehr als zwei Millionen Tiere sind 2017 in Deutschland für wissenschaftliche Zwecke "verwendet" worden, etwa 740.000 Tiere wurden in diesem Zeitraum getötet. Das geht aus einem Bericht der Bundesregierung über Tierversuche an die EU-Kommission hervor.
    Mäuse, Ratten und Fische am häufigsten eingesetzt
    Am häufigsten wurden dem Bericht zufolge Mäuse, Ratten und Fische eingesetzt. Laut dem Landwirtschaftsministerium bewegen sich die Werte auf dem Niveau des Jahres 2016. Deutlich gestiegen ist aber die Zahl der verwendeten Affen: Von knapp 2.500 Tieren im Jahr 2016 auf knapp 3.500 Tiere 2017. Warum die Zahl der in Tierversuchen verwendeten Primaten in Deutschland zwischen 2016 und 2017 so deutlich gestiegen ist, erklärt Stefan Treue, Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen und Vorsitzender der Initiative "Tierversuche verstehen", im Gespräch mit Lennart Pyritz.
    "Primaten machen nur einen winzigen Anteil aus"
    "Primaten machen nur einen winzigen Anteil der Tierversuche aus, daher schwankt deren Zahl von Jahr zu Jahr", so Treue. Es handele sich dabei aber um gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen - vor allem sogenannte "Giftigkeitsprüfungen", wo neue Substanzen für Medikamente zum Einsatz kommen sollen. Der kleinere Teil der Affen komme dagegen im Bereich der Grundlagenforschung für Immunologie, Kardiologie und Nervensysteme zum Einsatz.
    "Die wenigen Tiere sind leider unersetzlich"
    Dennoch werde sehr aktiv nach Alternativen zu Versuchen mit Primaten gesucht, erklärt Treue. Der sehr kleine Teil, den Affen bei den Tierversuchen spielten, spiegele ja auch wider, dass in ganz weiten Bereichen Alternativen existieren und auch genutzt würden. Die wenigen Tiere, an denen die Studien nach wie vor durchgeführt werden müssten, seien leider unersetzlich, weil es keine Alternativen gebe.
    Verstärkte Forschung in den USA und China
    In der EU - insbesondere in England, Frankreich und Deutschland - würden Tierversuche laut Treue in ähnlichem Umfang gemacht. Der Trend sei über die Jahre gleich geblieben bei den Primaten. In den USA gebe es einen leichten Anstieg, insbesondere im Bereich der angewandten Forschung und an Primaten, weil die Amerikaner in der pharmazeutischen Industrie viel aktiver seien. Aus Deutschland wurde viel verlagert, Firmen hätten sich zurückgezogen und forschten zum Teil in den USA oder auch in Asien - vor allem in China.
    Mit weniger Tieren mehr Ergebnisse erzielen
    Die transgenen - die genetisch veränderten - Tiere, die dann spezifisch für die Erforschung bestimmter Erkrankungen geeignet seien, spielten im Bereich der Nagetierforschung eine ganz zentrale Rolle. Grund sei, dass man mit Mäusen oder Nagern besser als mit nicht genetisch manipulierten Tieren forschen könne. Das steigere die Effizienz - man könne mit weniger Tieren mehr Ergebnisse erzielen, so Treue. Bei Primaten sei das aus wissenschaftlicher Sicht nach wie vor sehr anspruchsvoll und werde deswegen gerade erst in den letzten Jahren entwickelt.
    Man könne davon ausgehen, dass gerade durch die Entwicklung in China und zum Teil auch in den USA die Forschung mit transgenen Tieren zunehmen werde. Europa sei da aber völliges Schlusslicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.