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Til Schweiger und die Filmkritik

Der Schauspieler, Regisseur und Produzent Til Schweiger zeigt seine Filme vor Veröffentlichung nur noch denjenigen Journalisten, die ihm genehm sind. Jetzt wurde er in der Akademie der Künste in Berlin gebeten, diese Entscheidung zu erklären. In einer öffentlichen Diskussion setzte er sich mit dem Filmkritiker Andreas Kilb auseinander.

Von Oliver Kranz | 05.02.2013
    Dass die beiden nicht zusammen kommen können, spürte man gleich zu Beginn. Auf die Frage, was für ihn eine gute Kritik ist, antwortet Til Schweiger:

    "Natürlich eine Hymne auf den Film, den man gemacht hat."

    Während Andreas Kilb vor allem hintergründige Texte schreiben will.

    "Mich interessiert nur 'ne Kritik, die nicht nur über das Kino redet, sondern über das Kino hinaus ein Stück Welt einfängt."

    Und diese Standpunkte sind unvereinbar. Schweiger möchte Kritiken, die beschreiben, worum es in seinen Filmen geht, Kilb hasst das.

    "Eine Filmkritik, die sagt: Licht okay, Ton schlecht, was weiß ich, die Szene hätte so eingerichtet werden müssen, interessiert mich nicht."

    Kilb möchte Filme lieber in ihren gesellschaftlichen und kunstgeschichtlichen Kontext einordnen - und das auf unterhaltsame Weise.

    "Insofern ist eine gute Filmkritik erst mal eine, die nicht langweilig ist, die mir was zu denken gibt, die mir was zu empfinden gibt. Um das mal ganz deutlich zu sagen, das ist kein Gutachten."

    Andreas Kilb bestreitet, dass eine Rezension - bevor sie einordnet und bewertet - auch beschreiben muss. Und damit steht er nicht allein. Viele Kritiker sparen sich die Fleißarbeit, um gleich zum Grundsätzlichen zu kommen.

    Til Schweiger ärgert das. Außerdem beklagt er eine generelle Hochnäsigkeit der Feuilletons gegenüber unterhaltsamen Filmen.

    "Alle Filme, die ich selber gemacht habe, im Feuilleton – nicht bei allen Filmjournalisten - die sind alle zu 100 Prozent im Feuilleton wirklich niedergeschrieben worden."

    Daher hat Schweiger verfügt, dass seine Filme vor dem Kinostart nur noch einigen wenigen, von ihm persönlich eingeladenen Journalisten gezeigt werden. Das wiederum bringt die Kritiker in Rage. Claudia Lenssen vom Berliner Tagesspiegel verweist darauf, dass Schweigers Filme zu einem großen Teil aus öffentlichen Geldern finanziert werden.

    "Da fällt es irgendwie merkwürdig auf, dass Sie sagen: Ich muss meinen Film schützen. In dem Moment, wo Sie ihn hergestellt haben, mit 40 Prozent öffentlichen Geldern, ist er in dem Sinne ja gar nicht mehr Ihr Film."

    Doch dieser Vorwurf lässt Til Schweiger kalt.

    "Das sind staatliche Fördermittel, die die Wirtschaft ankurbeln sollen und im Erfolgsfall sind die zurückzuzahlen. Das ist eigentlich nur ein Fluss. Wir haben das einmal bekommen und zurückgezahlt."

    "Sie reinvestieren das?"

    "Genau. Wir reinvestieren das. Das ist eigentlich eine super Wirtschaftsförderung. Es gibt auch Spezialisten, die sagen, das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Das ist kein Angriff auf die Pressefreiheit. Ihr könnt ja meinen Film gucken – das ist ja ein freies Land – ihr müsst nur dafür bezahlen und ihn vorab nicht mehr umsonst sehen."

    Was natürlich nichts daran ändert, dass die von Schweiger bevorzugten Journalisten die neuen Filme eher sehen und auch eher darüber berichten können – was das Meinungsbild eben doch in gewisser Weise verzerrt.

    Spannend ist, dass in der Akademie der Künste vor allem darüber diskutiert wurde, obwohl die heutige Filmkritik durchaus andere, wichtigere Probleme hat – zum Beispiel die Konkurrenz durch das Internet.

    "Ein großes Problem besteht darin, dass die Hemmschwelle sinkt bei dem, was Filmkritik eigentlich ist. Da, wo es gedruckt ist, gibt es eine relativ hohe Hemmschwelle. Da, wo es nicht mehr gedruckt ist, in der freien Welt des Internets, gibt es viele Abstufungen zwischen dem, was eine Filmkritik ist, und dem, was eine Beleidigung ist."

    Andreas Kilbs Hinweis betrifft nicht nur die Filmkritik, sondern den Journalismus überhaupt. Und trotzdem wurde bei der gestrigen Gesprächsrunde, bei der zahlreiche Filmkritiker im Publikum saßen, kaum darüber gesprochen. Offenbar ist es auch für Journalisten spannender, über Til Schweiger zu diskutieren, als über die die Krise der eigenen Branche. Schweiger ist ein dankbarer Gesprächspartner, weil er extrem emotional reagiert. Gestern drohte er sogar, den Saal zu verlassen, als eine negative Kritik zu seinem letzten Film angesprochen wurde.

    Kilb: "Es war doch keine persönliche Beleidigung drin, oder?"

    Schweiger: "Keine persönliche Beleidigung?"

    Kilb: "Was war denn als persönliche Beleidigung drin?"

    Schweiger: "Pass auf. Lass uns hier an dieser Stelle das Thema wechseln, sonst werde ich echt aggro."

    So kennt man ihn – spontan, leicht aufbrausend, aber auch natürlich. Deshalb sind Gespräche mit ihm auch nie langweilig. Am Presseverbot für seine Filme wird Til Schweiger auf absehbare Zeit nichts ändern.

    "Ich kann jetzt nicht hingehen und sagen: Ab meinem nächsten Film könnt ihr wieder alle kommen. Das geht nicht."

    "Warum?"

    "Weil ich damals aus der Akademie ausgetreten bin und als ich dann spontan nach Bernd Eichingers Rede auf der Podiumsdiskussion gesagt habe: 'Okay, ich trete wieder ein', fanden das alle supergenial – außer den Leuten, die drüber geschrieben haben. Die haben alle geschrieben: 'Erst hat er ne dicke Fresse und dann zieht er den Schwanz ein.' Und das mache ich nicht zweimal."

    Und selbst wenn Schweiger seinen gekränkten Stolz mal vergessen sollte – er hat auch als Geschäftsmann keinen Grund, seine Haltung zu ändern. Das Presseverbot hält ihn besser im Gespräch als seine Filme. Der unfreundliche Akt gegen die Filmkritik hat sich längst als geniale Marketingmaßnahme erwiesen.