Donnerstag, 18. April 2024

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Till Brönner
"Jazz und Film haben eine wirkliche Verbindung"

Der Jazzmusiker Till Brönner, der kürzlich erst mit einer Fotoausstellung über Filmstars überraschte, wendet sich nun auch der Filmmusik zu. Auf seinem neuen "Movie Album" covert er berühmte Soundtracks. Naheliegend, wie er findet, denn: "Jazz war einmal die Filmmusik schlechthin."

Till Brönner im Gespräch mit Thekla Jahn | 17.10.2014
    Till Brönner
    Wenn Filmmusik es schafft, das, was im Film emotional passieren soll, zu verstärken, ist sie gut, findet Till Brönner. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Thekla Jahn: Ein neues Album haben Sie vorgelegt, "The Movie Album", darauf Sie selbst zu sehen, lässig, weißes Hemd, brauner Anzug, Stil 50er-, 60er-Jahre, Typ Schauspieler, im Hintergrund Palmen vor kitschblauem Himmel, Los Angeles, Hollywood, das perfekte Cover. Ein heimlicher Traum von Ihnen, Till Brönner als Hollywood-Star?
    Till Brönner: Um Gottes Willen! Ich glaube, mit den Jahren erfährt man dann schon noch ein bisschen genauer, wo so die wirklichen Talente liegen. Wenn man allerdings ein Album über Filmmusik, und das in Hollywood, auf dem Streifen aufnimmt, wo die ganzen Studios letztlich links und rechts abgehen, dann ist so ein Foto fast naheliegend.
    Jahn: Das bietet sich an, das muss man machen!
    Brönner: Ja, das ist vielleicht schon Pflichtprogramm, könnte man fast sagen. Man wäre, glaube ich, im Nachhinein etwas enttäuscht über sich selber gewesen, das nicht noch mitgenommen zu haben. Aber so vermessen, mich jetzt als Schauspieler zu sehen, noch dazu in Hollywood, bin ich nicht. Da habe ich mit der Musik alle Hände voll zu tun!
    Jahn: Warum ein Movie-Album?
    Brönner: Grundsätzlich ist es so, dass Jazz und Film immer eine sehr, sehr enge Symbiose eingegangen sind. Ich glaube, dass man durchaus sagen kann, dass Jazz eigentlich mal die Filmmusik schlechthin war. Wenn man in der Historie zurückgeht, findet sich diese Musik dort andauernd und die Trompete insbesondere. Das hängt vielleicht auch ein bisschen mit dem militärischen Hintergrund der Trompete zusammen und dass die Signale in Filmen immer auch sehr gerne genommen worden sind. Später waren es aber auch ganz liebliche Melodien, die immer mal wieder mit einer Trompete gespielt worden sind, "Der Pate" zum Beispiel...
    Jahn: Oder "Fahrstuhl zum Schafott", wunderbarer Film.
    Brönner: Wunderbarer Film, auch sehr, sehr schöne improvisierte Musik, die schon zu frühen Zeiten von Louis Malle ja auch genauso eigentlich im Studio live zum Film eingespielt wurde. Das ist sicherlich auch aus heutiger Sicht noch eine Besonderheit, wünscht man sich zurück. Aber Jazz und Film haben eben eine wirkliche Verbindung, auf die sie miteinander zurückblicken können.
    "Es muss nicht dir große Melodie sein"
    Jahn: Wann ist für Sie eine Filmmusik gelungen? Wann ist das, was wichtig ist, gerade bei der Filmmusik, wo man die Musiker eben nicht sieht im Normalfall, wann ist es gelungen, was braucht diese Musik?
    Brönner: Ich denke, das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich glaube nur, dass die Filmmusik, die wirklich das, was im Film emotional passieren soll, das, was der Zuschauer denken soll, die Musik, die das schafft sozusagen zu verstärken, und sei es, dass ich die Musik gar nicht bemerke und sie schafft es trotzdem, die halte ich für gut, diese Musik. Ich sage es mal einfacher: Es muss nicht die große Melodie sein, wenngleich mich die noch mehr reizt als alles andere, aber wenn Musik es schafft, die Emotionen wirklich doch auch zu erwecken - und das ist im Übrigen auch laut Lehrbuch ihre Aufgabe -, dann ist sie gut und dann ist wahrscheinlich auch der Film streckenweise doch auf dem Level, den sich der Regisseur gewünscht hat.
    Jahn: Sie haben sich in die Höhle des Löwen gewagt, in die legendären EastWest Studios auf dem Sunset Boulevard in L.A., wo unzählige berühmte Filmkomponisten und Riesenorchester Hollywood-Filme vertont haben und sich seit Jahrzehnten viele Popstars die Klinke in die Hand geben. Weshalb wollten Sie unbedingt dort arbeiten? War Ihnen das wichtig, um besonders authentisch zu sein?
    Brönner: Ich glaube, dass Authentizität immer dann gegeben ist, wenn man plötzlich nicht mehr viele Fragen zum Hergestellten hat. Hätte ich jetzt ein Album in Heidelberg aufgenommen, dann hätten Sie mir die Frage, glaube ich, genauso gestellt...
    Jahn: Nicht unbedingt!
    Brönner: Sehen Sie! Aber letztlich impliziert Ihre Frage natürlich, dass es tatsächlich überhaupt keine Frage eben sein darf, warum man an Orten, wo Dinge passiert sind, im Prinzip auch das Gleiche tut. Es war immer schon so, dass Orte wie die Carnegie Hall, die Berliner Philharmonie zum Beispiel, natürlich letztlich doch auch die Bretter, auf denen man steht, den Geist doch in sich trugen. Und ich glaube, dass Geist in Häusern und Bühnen wirklich drin steckt. Ein guter Geist definitiv, das kann man bei Häusern oder Städten, an denen wirklich schlimme Dinge passiert sind, manchmal genauso feststellen. Und davon halte ich mich dann tunlichst fern.
    Kuscheljazz: "Diese Labels haben mich bisher noch nicht so wirklich bekommen"
    Jahn: Was Sie jetzt abgeliefert haben mit dem "Movie Album", das ist, um ganz ehrlich zu sein, schon so ein bisschen schnulzenverdächtig. Ich habe irgendwann beim Hören der CD gedacht, das ist doch so ein bisschen was in Richtung Kuscheljazz, Jazz weich gespült und damit für ein breites Publikum verdaulich. War Ihnen das auch wichtig?
    Brönner: Das ist eine ganz einfache Unterstellung, aber eine interessante noch dazu!
    Jahn: Ja!
    Brönner: Wie kann mir irgendwas wichtig sein, was ich nicht im Kopf hatte? Oder vielleicht hätten Sie fragen sollen, hatten Sie das im Kopf! Das ist, glaube ich, reine Geschmackssache und darüber lässt sich, bekanntlich, vortrefflich streiten.
    Jahn: Hatten Sie es denn im Kopf?
    Brönner: Was denn? Ich habe die Frage schon vergessen!
    Jahn: So in Richtung Kuscheljazz zu gehen?
    Brönner: Wissen Sie, auch diese Labels haben mich bisher noch nicht so wirklich bekommen. Ich könnte auch genauso gut fragen, gibt es Loungejazz.
    Jahn: Das stimmt nicht ganz, ich habe geguckt, Sie sind im Kuscheljazz auf verschiedenen Samplern zu finden.
    Brönner: Ja gut, da hat man natürlich nicht so viel Einfluss drauf. Wenn eine Plattenfirma das Gefühl hat, dass es ohne Kuscheln nicht mehr geht im Jazz, wird das wahrscheinlich doch über die Gegenwart noch ein bisschen mehr aussagen. Wenn man sich da wiederfindet und es funktioniert, dann sage ich mal: d'accord!
    Jahn: Das "Movie Album" ist nicht rein instrumental, einige Stücke darauf sind Vokaltitel, gesungen von Gregory Porter oder Joy Denalane, die wir vorhin gehört haben. Mit der waren Sie schon 2003 auf Tour. Ist sie die Richtige für diese Movie-Stücke?
    Brönner: Ist sie es nicht? Joy Denalane ist eine Künstlerin, mit der ich schon seit vielen Jahren verbandelt bin, und zwar im positivsten Sinne, das ist eine Künstlerin, die auf eine lange kulturelle Geschichte trotz ihrer jungen Jahre zurückblicken kann, ist mit dem Jazz sehr, sehr vertraut. Und es war mir eine Ehre, dass sie Lust und Zeit hatte, bei dieser Nummer zu singen.
    "Mir ist der Bruch immer sehr, sehr wichtig"
    Jahn: Ich frage deshalb, weil es unglaublich große Künstler, Jazzmusiker, auch Popmusiker gibt, mit denen Sie zusammengearbeitet haben. Deswegen ist es natürlich immer spannend zu fragen, weshalb genau diese Auswahl?
    Brönner: Mich reizt natürlich bei Produktionen, schon immer das zu tun, was es vielleicht nicht zu erwarten gilt in dem Zusammenhang. Jetzt zum Beispiel Kurt Elling zu nehmen, den ich auf meinem letzten Album hatte, oder Mark Murphy, dessen Alben ich produziert habe, zumindest zwei davon, das wäre sicherlich eine Option gewesen. Und ich glaube, dass man sicherlich auch mal überlegen sollte, wen man mit dieser Musik letztlich erreicht. Ein Gregory Porter, dem würde man trotz seines derzeitigen Erfolges zum Beispiel glücklicherweise gar nicht absprechen, dass er wirklich aus den Katakomben, wirklich den Tiefen des Jazz kommt. Das hat er die letzten 20 Jahre mal so sportlich auch gemacht. Mir ist der Bruch immer sehr, sehr wichtig. Manchmal muss man sogar fast feststellen, dass es einen so ein bisschen in den Nahbereich der Langeweile bringt, das zu machen, was vorhersehbar ist. Also, auch Sting hat sich immer mal wieder aus seinen eigenen Gefilden herausbewegt und hat ganz bewusst in Musikecken gestöbert, die nicht so wirklich sofort mit ihm assoziiert worden waren oder die man nicht assoziieren würde. Ich finde so was spannender manchmal, als zu sagen, Jazzsängerin für Jazzsong.
    Jahn: Immer mal was anderes, Till Brönner macht das ständig. Sie haben nämlich neben Ihrem neuen Album, das gerade erschienen ist, noch eine Fotoausstellung, mit der Sie unterwegs sind, "Faces of Talent", Schwarz-Weiß-Fotografien von Künstlern, Musikern, Schauspielern wie Armin Mueller-Stahl, Beth Ditto, Peter Maffay, Hannelore Elsner. Die Fotografien waren auf der "photokina" in Köln zu sehen, seit Ende vergangener Woche sind sie auch in Frankfurt in der Leica Galerie, und gleichzeitig ist dazu auch natürlich ein Fotoband erschienen mit den 96 Porträts. Ist Fotografie nun Ihr zweites Standbein, haben Sie das so im Visier?
    Brönner: Fotografie ist vor allen Dingen nicht mein Beruf. Das macht es vielleicht deswegen auch ein wenig einfacher, völlig ungezwungen an die Sache heranzugehen und sich die Zeit, die man auf Reisen dann doch manchmal totschlagen muss wirklich, zu verkürzen. Ich habe die Fotografie als etwas entdeckt, was offenbar in mir zu schlummern scheint, was mir noch mal einen ganz anderen Blickwinkel buchstäblich eröffnet, die Zeit anhalten zu können. Was ich ja normalerweise auf der Bühne nicht kann, denn da zählt vor allen Dingen das, was ich im Augenblick versuche zu kreieren. Und da gelingt es mir, glaube ich zumindest, immer mal wieder doch auch selber abschweifen zu können. Und wenn ich dann Bilder ausstellen kann wie in diesem Buch oder wie in der derzeitigen Ausstellung, dann habe ich die Möglichkeit, Menschen einzuladen, an diesem Blick teilzuhaben, während ich selber eben nicht auf der Bühne stehe. Und das finde ich extrem inspirierend.
    Fotoband "Faces of Talent": "Das war spannend!"
    Jahn: "Faces of Talent", so heißt der Titel. Und damit deuten Sie schon an, dass es Ihnen um Porträts von Stars geht, und Sie wollen dem Wesen der Stars näherkommen. Sind Sie das, haben Sie eine Antwort gefunden auf die Frage, was die Faces of Talent gemeinsam haben, was sie ausmacht?
    Brönner: Was ich tue mit diesem Buch, ist vor allen Dingen eine These aufstellen. Wenn man sich vor, ich sage mal, überdimensional großen Schwarz-weiß-Porträts wiederfindet, und das im Close-up, dann sind sowohl Gesichter als auch Augen so viel größer, so ungleich größer als das, was man normalerweise sieht, wenn man vor einem Menschen steht, und man kann sich vor allen Dingen die Zeit nehmen, in Ruhe auf die Reise zu gehen. Und zwar auf eine Reise in dieses Gesicht. Wenn man so möchte, gibt es da auch noch einen Trick. Der Trick lautet, sich eben doch vor die Bilder zu stellen oder die Bilder von Menschen zu machen, die nachweislich als talentiert gelten, sodass man im Prinzip, wenn man einen Armin Mueller-Stahl sieht, einfach diesem Menschen mal so in die Augen gucken kann. Er hat es übrigens auch auf der Fotografie nicht geschafft, in die Kamera zu gucken, weil das etwas...
    Jahn: Er guckt so ein bisschen seitlich.
    Brönner: Ja, das ist offenbar etwas, was Schauspieler, obwohl man gar nicht so annehmen würde, dass es so ist, beruflich nicht so gerne machen. Die gucken entweder gerne weg oder an der Kamera vorbei, aber selten in die Kamera. Und wenn man es dann von ihnen verlangt, dann werden die oft unsicher. Das war spannend.
    Jahn: Ganz herzlichen Dank! Der Musiker, Komponist, Arrangeur und Fotograf Till Brönner, ein Multitalent. Danke Ihnen für das Corso-Gespräch! Seine neue CD mit musikalischen Filmklassikern, "The Movie Album", ist gerade erschienen. Und seine Fotoausstellung "Faces of Talent" läuft in der Leica Galerie in Frankfurt noch bis zum 15. Januar.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.