Dienstag, 19. März 2024

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Tinderkinder, Transface, Schlipster
Spekulatives Glossar der Modewörter 2017

Egosurfen oder Gammelfleischparties: Die angeblichen Jugendwörter des Jahres sind allzu oft reine Feuilletonprodukte. Studenten der Berliner Universität der Künste haben deshalb als Gegenvorschlag ein "spekulatives Glossar der Modewörter von 2017" veröffentlicht. Demnach sind Tinderkinder, Transface oder Schlipster die Worttrends von übermorgen.

Von Christoph Spittler | 30.12.2015
    - Tinderkinder
    - Selbsthilfegruppe
    - Dollysteaks
    - Fleisch aus dem Reagenzglas
    Schon mal von Xenofeminismus gehört? Transface? Drone Boning? Ok, Sie sind entschuldigt: Diese angeblichen Trendbegriffe sind noch nicht in aller Munde. Sie existieren nur im spekulativen Glossar der Modewörter von 2017.
    "Es geht darum, dass man praktisch Trends und Entwicklungen erkennt und übertreibt, und dann überlegt, wie könnte das irgendwie übermorgen aussehen, wie könnten wir übermorgen reden – ich glaube, es ist vor allen Dingen auch eine Spielerei."
    Helene von Schwichow und Salomon Hörler, Studenten der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Berlin, haben das Fake-Nachschlagewerk für die nahe Zukunft im Rahmen eines Uni-Projekts erstellt:
    "Wir wollten nicht irgendwie von fliegenden Autos und von irgendwelchen anderen Planeten oder Bewohnern vom Mars reden, sondern wir wollten von der nahen Zukunft sprechen. Und da wollten wir jetzt nicht, weil 2016, da sind wir ja eigentlich schon, das wäre zu nah gewesen, also der nächstgrößere Schritt ist 2017."
    Tinderesting: Bett-, aber nicht dialogfähig
    Denn 2016 ist so 2015.
    - Tinderesting: Man empfindet eine Person als tinderesting, wenn man sich mit ihr zwar eine gemeinsame Nacht vorstellen kann, sie aber zugleich für nicht dialogfähig hält.
    Wobei das auch eine Nummer härter geht.
    - Instabang: Ja oder Nein? Chatten ist nicht mehr.
    "Es hat sich ein bisschen herauskristallisiert, dass bestimmte Themen wie zum Beispiel Tinder oder Drohnen oder Datenschutz Sachen sind, die einfach immer wieder auftauchen, weil das Trends und Themen sind, von denen man merkt, okay, die haben jetzt gerade eine Relevanz, und die wird auch so schnell nicht abflauen."
    Aber auch der Wandel der Arbeitswelt wird thematisiert.
    - Schlipster: Lediglich die Tatsache, dass er statt eines Aktenkoffers immer noch einen Jutebeutel über die Schulter hängen hat, verrät seine Vergangenheit.
    Und wenn 2017 die Hipster endlich verbürgerlichen, dann bleibt als neue revolutionäre Protestform nur noch das:
    - Burn In: Strategie, einen Job anzunehmen, der offensichtlich auf Selbstausbeutung angelegt ist, und ihn innerhalb kürzester Zeit so zu sabotieren, dass dem jeweiligen Arbeitgeber langfristig ein erheblicher Schaden entsteht.
    Schöner Gegenvorschlag ohne pädagogischen Zeigefinger
    Die Methode, Trends ein, zwei Jahre weiterzudenken, erzeugt jedenfalls einen irritierenden Verfremdungseffekt. Gibt's das jetzt wirklich schon? Fragt man sich bei jedem dieser Stichworte. Anders als bei angeblichen Jugendwörtern à la Smombie, bei denen man oft den pädagogischen Zeigefinger mithört.
    "Ich glaube, das Jugendwort des Jahres muss man gar nicht kritisieren, weil jeder weiß, wie absurd, und, Entschuldigung, dumm diese Wörter meist gewählt sind, und deswegen ist es einfach ein schönerer Gegenvorschlag."
    YOLO, die Abkürzung für "You only live once", ist eins dieser urst affengeilen mega-swaggen Jugendbuzzwords – und für die Autoren des 2017-Glossars jedenfalls ein klarer Fall von:
    - Yologismus: Peinliches Wort, das von erwachsenen Feuilletonlesern aus der Teenagersprache übernommen wird.