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Tinnitus
Wenn es im Ohr klingelt

Fast jeder kennt es: Ein kurzes Klingeln im Ohr, nach einem lauten Konzert oder einer stressigen Situation. Tinnitus lautet der Fachbegriff für solche Ohrgeräusche - mehrere Millionen Menschen in Deutschland hören es kurz oder ständig. Verschiedene Behandlungen werden angeboten - doch nicht alle helfen.

Von Christina Sartori | 22.12.2015
    Eine Frau hält sich eine Hand ans Ohr.
    Oft genug bleibt ein Tinnitus - da muss der Patient lernen, damit zu leben, Medikamente zeigen keine Wirkung. (picture alliance / Romain Fellens)
    Ein Tinnitus hat viele verschiedene Formen: Das Geräusch kann laut sein oder leise, es kann einige Minuten zu hören sein, oder monatelang. Und es kann ganz unterschiedlich klingen, sagt Professorin Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums der Charité in Berlin:
    "Es kann ein Summen, Zischen, Pulsieren, Sausen, Hämmern sein, es kann einseitig, beidseitig sein, kann auch variieren."
    Und es kann jeden treffen, egal ob alt oder jung, berichtet die Hals-Nasen Ohren Ärztin aus ihrem Alltag:
    "Wir haben viele Kinder, wir haben viele Jugendliche zunehmend, das kommt vor allem auch durch die Lärmbelastung, also laute Musik hören, Diskotheken, dann die große Gruppe der 30-40 Jährigen, wo die Stressbelastung eine große Rolle spielt, und dann natürlich die älteren Patienten. Dort ist es dann vor allem der Hörverlust, der sich massiv bemerkbar macht."
    Es gibt verschiedene Formen
    Sehr unterschiedlich ist auch, wie sehr Patienten unter einem Tinnitus leiden: Manchen macht es nichts aus, die hören das Ohrgeräusch im Hintergrund und stören sich nicht besonders daran. Bei anderen Betroffenen verändert der Tinnitus das Leben – und zwar nicht zum Guten. Professorin Birgit Mazurek:
    "Patienten, die es permanent hören, wo alles dann sich um dieses Ohrgeräusch dreht, und, in deren Verlauf es dann zu Depressionen kommt, zu Angststörungen, zu Konzentrationsstörungen, schlechter schlafen. Und damit die Lebensqualität so massiv eingeschränkt ist, die Belastung so stark ist, dass sie mehr Hilfe benötigen."
    Nicht immer, aber sehr häufig hilft ein Hörgerät, erzählt der Leiter der Tinnitusklinik am Krankenhaus in Bad Arolsen, Professor Gerhard Hesse. Dann nämlich, wenn der Tinnitus durch eine Schwerhörigkeit entstanden ist. Dabei ist es entscheidend, welche Frequenzen der Patient schlechter oder gar nicht mehr hört. Professor Hesse erklärt den Zusammenhang:
    "Es ist nämlich so, dass das Gehirn einfach gewohnt ist bestimmte Frequenzen zu hören. Und wenn die nicht mehr kommen, durch eine Schwerhörigkeit, durch einen Hörsturz oder ein Lärm-Trauma oder was auch immer, dann versucht das Gehirn das auszugleichen und sendet ganz viel Verstärkung in das Hörsystem und sendet dann gerade diese Informationen, die da nicht hingehören, zum Beispiel ein Ohrgeräusch."
    Manchmal hilft ein Hörgerät
    In solchen Fällen kann ein Hörgerät helfen. Doch nicht immer reicht das aus, und vor allem nicht, wenn ein Tinnitus ohne Schwerhörigkeit auftritt. Für diese Patienten sind in der Regel psychotherapeutische Behandlungen, zum Beispiel eine Verhaltenstherapie, das Beste, betont Gerhard Hesse:
    "Im Wesentlichen geht es genau darum: Der Patient muss lernen, dass dieses Geräusch erstens unwichtig ist, es vielleicht auch eine Ursache dafür gibt und dass man ihn so stabil bekommt, dass er das überhören kann."
    Denn oft genug bleibt ein Tinnitus - da muss der Patient lernen, damit zu leben. Das belegen auch Studien, sagt Professorin Mazurek:
    "Die Mehrzahl der Patienten schaffen es, dass sie das Ohrgeräusch soweit in den Hintergrund drängen, dass es zwar da ist, sie aber nicht mehr stört."
    Medikamente zeigen keine Wirkung
    Für Medikamente und Mittelchen, die gegen Tinnitus angeboten werden, zeigen Studien dagegen keine Wirksamkeit:
    "Zum Beispiel das Präparat Ginko wird seit 30, 40 Jahren tonnenweise verordnet, ohne wirklich einen Effekt bringen zu können. Und diese Medikamente sind in Studien nachgewiesen worden, dass sie alle, allesamt nicht besser wirken als Placebo, also als zum Beispiel Kalktabletten."
    Neuerdings gibt es auch zwei Apps, die gegen Tinnitus helfen soll – angeblich. Dabei gibt es noch keine aussagekräftigen Studien zu diesen Apps, kritisiert Birgt Mazurek:
    "Der kritische Punkt ist ganz einfach, das bevor man ein Gerät in den Einsatz bringt mit Menschen, eigentlich klinische Studien in Richtung Nebenwirkungen vorliegen müssen und auch große Datenmengen. Damit man überhaupt sagen kann: Hat es eine Wirksamkeit oder nicht oder ist es einfach nur, dass ich postuliere, es wirkt."
    Besser also man vermeidet Lärm und Stress – denn beides erhöht das Tinnitus-Risiko.