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Tod aus dem All?

Können kosmische Katastrophen ein Massenaussterben auf der Erde bewirken? Zumindest für ein entsprechendes Ereignis am Ende des Ordoviziums vor rund 440 Millionen Jahren ziehen Astronomen Gammastrahlenausbrüche oder Supernovä als Ursache in Betracht.

Von Dagmar Röhrlich | 12.10.2011
    Seit Jahren beschäftigt sich Brian Thomas von der Washburn University in Topeka, Kansas, mit der Idee, dass kosmische Katastrophen auf der Erde Massenaussterben auslösen:

    "Wir haben verschiedene astrophysikalische Ereignisse untersucht - von Sternen, die als Supernova explodieren über extremen Sonneneruptionen bis hin zu diesen gewaltigen Energieausbrüchen, die wir als Gammastrahlenblitze bezeichnen. Wir haben simuliert, wie die Strahlung mit der Erdatmosphäre reagiert und vor allem, was dabei mit unserer Ozonschicht passiert. Diese extremen Ereignisse greifen die Ozonschicht an, die die Erde vor der schädlichen UV-Strahlung schützt."

    Die Ozonschicht bliebe über mehrere Jahre hinweg "löchrig", und das käme als Auslöser eines Massenaussterbens infrage. Neuen Daten des NASA-Satelliten SWIFT zufolge wären Supernovä und Gammablitze gefährlich genug dafür:

    "Dabei gibt es Gammastrahlenausbrüche, die bis zu zehn Sekunden andauern und weniger harte Strahlung aussenden. Die wären aber eher harmlos. Gefährlich wären vielmehr die kurzen, harten Ausbrüche, die durch die Kollision zweier Neutronensterne oder durch kollidierende Schwarze Löcher entstehen. Sie dauern nur Bruchteile einer Sekunde und emittieren gewaltige Mengen hochenergetischer Strahlung. Je mehr Energie abgestrahlt wird, desto größer sind die Auswirkungen auf die Atmosphäre."
    Der Gefahrenbereich läge im Umkreis von bis zu 650 Lichtjahren. Auch das schließen die Astronomen aus den SWIFT-Daten.

    "Gammastrahlenausbrüche ereignen sich etwa alle 300 Millionen Jahre. Solche Abschätzungen sind zwar schwierig, aber von dem, was wir wissen, präzise."
    Die Supernovä seien etwas seltener, würden sich wohl etwa alle 500 Millionen Jahre in einem Radius von 30 Lichtjahren ereignen. Das wäre bei ihnen die Gefahrenzone.

    "Wir haben uns vor allem ein Massenaussterben am Ende des Ordoviziums angeschaut. Es ereignete sich vor rund 440 Millionen Jahren. Unserer Meinung nach trägt es Merkmale, die besonders für eine Supernova oder einen Gamma-Strahlenausbruch als Auslöser sprechen."

    Zum einen habe das Massenaussterben damals vor allem Lebewesen getroffen, die an der Meeresoberfläche lebten. Organismen tiefer im Ozean seien vor der UV-Strahlung geschützt gewesen:

    "Außerdem verändern sich die Effekte mit der geografischen Breite, sodass der Schaden in den mittleren Breiten am höchsten wäre. Und das Aussterben war auch in den mittleren Breiten der Südhemisphäre am stärksten."
    Beweise für die Idee gebe es allerdings nicht, gibt Brian Thomas zu. Die Ursachen dieses Massenaussterbens, bei dem in den Meeren weit mehr als 70 Prozent aller bekannten Arten verschwanden, sind unklar. Die meisten Geologen halten "erdgebundene" Auslöser für wahrscheinlich. Thierry Adatte von der Universität von Lausanne:

    "Das Massenaussterben am Ende des Ordoviziums scheint mit wiederkehrenden Schwankungen zwischen Eis- und Warmzeiten zusammenzuhängen."
    Damals sackte der Meeresspiegel um bis zu 140 Meter ab. Dabei waren die Ökosysteme des Ordoviziums vor allem an flache Binnenmeere und Küstenzonen angepasst - und genau die verschwanden und mit ihnen ihre Bewohner. Auch die Küstenökosysteme um den Kontinent Gondwana fielen trocken - und die befanden sich vor allem in den mittleren Breiten der Südhalbkugel:

    "Außerdem dauerte dieses Massenaussterben sehr lange, zwischen 450 und 440 Millionen Jahren vor heute gab es zwei durch eine Million Jahre voneinander getrennte Phasen. Gammastrahlenausbrüche oder Supernovä sind sehr kurze Ereignisse, und das Ozonloch erholt sich ja innerhalb von vielleicht 1000 Jahren wieder. Das ist wirklich kein langfristiger Effekt."
    Brian Thomas gibt zu, dass sich nur wenige Paläontologen ernsthaft mit der Idee von den tödlichen Gammastrahlenausbrüchen beschäftigen. Er selbst will nun die Folgen einer Supernova näher betrachten. Vielleicht lassen sich in den Gesteinen Spuren einer Eisen-60-Anomalie finden, die ein solches Ereignis verraten könnten.