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Tod der Eiszeitriesen
Klima als Mammutkiller?

Beim Begriff Eiszeit denken die meisten Menschen an die großen Tiere, die damals auf der Nordhalbkugel lebten: Mammut, Säbelzahntiger und Höhlenbär. Der Grund ihres Aussterbens sorgt seit vielen Jahren innerhalb der Wissenschaft für rege Diskussionen – die mit den jetzt entdeckten Erkenntnissen noch kontroverser werden könnten.

Von Michael Stang | 24.07.2015
    Der Kampf von Urmenschen gegen ein Mammut: Das Modell im Maßstab in Originalgröße ist in einem privaten Saurierpark in der ostsächsischen Gemeinde Kleinwelka zu sehen.
    Der Kampf von Urmenschen gegen ein Mammut: Lange glaubte man, der Mensch habe das Mammut ausgerottet - heute scheint der Klimawandel als Grund wahrscheinlicher. (dpa / picture alliance / Matthias Hiekel)
    Sucht man Love Dalén im Internet, stößt man rasch auf Fotos, auf denen der Paläogenetiker inmitten der Natur große Knochen oder Stoßzähne präsentiert. Der Wissenschaftler vom Schwedischen Naturhistorischen Museum in Stockholm will herausfinden, weshalb Eiszeitriesen wie die Mammute ausstarben. Wie jeden Sommer ist er gerade in der Sibirischen Taiga unterwegs, um Antworten zu finden oder gar Beweise. Schon 2010 trieb ihn eine Frage um:
    "Haben möglicherweise unsere Vorfahren die letzten Mammuts ausgerottet? Das ist bislang reine Spekulation. Wir bräuchten eine Art 'rauchenden Speer', also den Beweis, dass Mammuts tatsächlich durch Waffen ums Leben kamen, aber solche Belege haben wir bislang nicht. Wir wissen nur, dass der Aussterbeprozess sehr schnell vonstattenging."
    Die Knochen von Waldelefanten und Wollnashörnern etwa lassen sich bis in die letzte Eiszeit hindurch finden, danach tauchen sie plötzlich nicht mehr auf. Waren es tatsächlich die Menschen, die all diesen großen Tieren den Garaus machten? Selbst wenn mehrere solche "rauchenden Speere" entdeckt werden würden, wäre damit noch nicht bewiesen, dass diese Einzelfunde das Masseaussterben in Gänze erklären würden. Denn dutzende Großwildarten sind in den vergangenen 60.000 Jahren plötzlich ausgestorben, obwohl sie zuvor Hunderttausende, teilweise Millionen von Jahren erfolgreich gelebt hatten. Diese Frage treibt auch Alan Cooper von der Universität von Adelaide um. Er ist Hauptautor der heute im Fachmagazin Science erschienenen Studie. Der Paläogenetiker ist ebenfalls gerade auf einer Ausgrabung. In einer Höhle im US-amerikanischen Wyoming sucht er nach Überresten der eiszeitlichen Megafauna. Die Handyverbindung mitten in dieser Einöde ist hörbar schlecht.
    "Wir haben uns 31 verschiedene Zeitabschnitte angeschaut, die eindeutig datiert waren und haben diese mit 28 verschiedenen Tierarten verglichen. Die Proben stammen aus Europa, Russland und Nordamerika."
    Alan Cooper hat sich aus zahlreichen Museen die Knochen von Mammut, Kurznasenbär, Riesenhirsch und den anderen Eiszeitvertretern besorgt und deren Erbgut untersucht. Er schaute sich die genetische Vielfalt der Tiere aus verschiedenen Zeiten und Orten an und verglich sie mit Klimadaten. Die Frage war, ob es einen Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Anzahl der Tiere gab.
    Klima als Hauptfaktor für die Aussterbeprozesse
    "Dabei sind wir auf sehr dynamische Prozesse gestoßen, und zwar auf diverse Ereignisse wie Artenschwund und Aussterbeprozesse. All diese Prozesse passierten immer dann, wenn sich das Klima verändert hatte, genauer gesagt, sobald sich das Klima rasch erwärmt hatte."
    Allen Cooper konnte diesen Zusammenhang bei fast allen untersuchten Arten entdecken. Damit könnte die alte Frage beantwortet sein.
    Das Klima sei der Hauptfaktor für die Aussterbeprozesse gewesen. Beth Shapiro von der Universität von Santa Cruz hat die Studie von Alan Cooper aufmerksam gelesen. Da die Paläogenetikerin ebenso gerade auf einer Ausgrabung ist, war sie für eine Einschätzung nur per Email erreichbar, denn einen Telefonempfang habe sie im Nordosten Amerikas nicht.
    "Ich denke nicht, dass das Klima einen größeren Anteil am Aussterben der Tiere hatte als die Menschen. Klimaveränderungen verursachen lokales Aussterben und sind ein großer Stressfaktor. Da stimme ich zu. Aber die Menschen müssen eine wichtige Rolle gespielt haben, weil sie das Aussterben der reduzierten Tierarten beschleunigten."
    Demnach könnte die Diskussion zu einem Henne-Ei-Problem werden, bei dem nur das Resultat bekannt ist, nicht jedoch der Auslöser. Ob nun der Mensch das Massensterben in Gang brachte oder die Klimaerwärmung und wer von beiden den Prozess beendete, wird sich vielleicht nie final klären lassen.
    Bedenklich sei nur eines, so Alan Cooper. Vergleicht man die prähistorischen Daten mit denen der heutigen Klimaentwicklung, sei ein weiteres Masseaussterben großer Tiere in den kommenden Jahrhunderten sehr wahrscheinlich. Naturschutzorganisationen zufolge habe dieser Prozess bei Amphibien bereits seit einigen Jahren eingesetzt.

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