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Tod von Michele Ferrero
Das Ende der italienischen Industriekapitäne

Michele Ferrero, 90-jähriger Patron des italienischen Süßwarenkonzerns Ferrero, wird heute in seiner Geburtsstadt Alba im Piemont zu Grabe getragen. Sein Sohn Giovanni übernimmt die Leitung des Wirtschaftsimperiums, dessen schokoladiges Zugpferd in fast jedem Haushalt steht, nicht nur in Italien.

Von Kirstin Hausen | 18.02.2015
    Klein, wendig, preiswert - das waren die Fiat-Autos und deshalb eroberten sie nach dem Zweiten Weltkrieg die Herzen der Italiener. Der Autobauer aus Turin motorisierte ein ganzes Land und machte die Besitzerfamilie Agnelli steinreich.
    "Zu der Zeiten gab es keine politische Entscheidung, kein Sportereignis und keine Kulturveranstaltung, zu der das Unternehmen nicht Position bezogen hätte", sagt Giuseppe Berta, Industriehistoriker an der Wirtschaftsuniversität Bocconi.
    Für ihn war der 2003 verstorbene Gianni Agnelli der Prototyp des italienischen Industriellen, der nicht nur in der Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielte, sondern auch in der Politik. Ein Strippenzieher, der sich in Roms Hinterzimmern mit allen wichtigen Politikern traf . Sein Bruder Umberto Agnelli war in den 1970er-Jahren Senator, seine Schwester Susanna wurde 1995 Italiens erste Außenministerin. Sie bezeichnete ihre Familie oft als die "Kennedys" Italiens.
    Agnellis waren die Kennedys Italiens
    Oft genug ähnelten die Agnellis aber auch den fiktiven Ewings aus der TV-Serie Dallas, die in Italien ähnlich populär war wie in Deutschland. Intrigen, Feindschaften, Flugzeugabstürze und Selbstmorde hielten die Öffentlichkeit in Atem. Natürlich gab es zwei Lager. Gianni Agnelli, der charismatische Konzernchef, scharte die meisten Familienmitglieder um sich. Die Unzufriedenen standen jedoch hinter seinem jüngeren Bruder Umberto.
    "Eine ganz andere Persönlichkeit als Gianni Agnelli", sagt Giuseppe Berta.
    "Ich habe ihn nur oberflächlich gekannt, aber er war eine ausweichende Persönlichkeit. Der exzentrische Charakter seines Bruders war für Umberto Agnelli wahrscheinlich eine Last."
    Ferrero mit Arbeitsplätzen zu guten Konditionen
    Von einem ganz anderen Schlag war dagegen die Ferrero-Familie, die kaum von sich reden machte, sich sogar abschottete vor den Medien. Keine Skandale, nur fleißiges Arbeiten, lautete ihre Devise. Geliebt wurden sie von den Italienern trotzdem. Denn Ferrero bot und bietet Arbeitsplätze zu privilegierten Konditionen. Dafür wurde das Werk in Alba bis heute noch nie bestreikt. Der Industriehistoriker Giuseppe Berta:
    "Ferrero ist Alba. Auch wenn die Familie nicht öffentlich auftritt, so ist sie doch omnipräsent. Wenn ein Angestellter schwer erkrankt und die Familie Hilfe braucht, dann springen sie ein. Diskret natürlich."
    Mit Michele Ferrero wird heute einer der letzten großen Industriellen Italiens verabschiedet, der das Wirtschaftswunder der 60er und 70er-Jahre mitgeschaffen hat. Der Anti-Agnelli. Doch es gibt Nachfolger. Unternehmer wie Diego della Valle, Patron des Schuh- und Taschenherstellers Tods, der 25 Millionen Euro für dringende Restaurierungsmaßnahmen am Kolosseum in Rom springen ließ oder Andrea und Riccardo Illy von der gleichnamigen Espressomarke mischen sich aber aktiv ins politische und gesellschaftliche Leben Italiens ein. Riccardo Illy wurde zwei Mal zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Triest gewählt, danach war er eine Amtszeit lang Präsident der Region Friaul Julisch Venezien. Sein Bruder Andrea Illy konzentriert sich aufs Geschäft.
    "Der Fokus liegt heute auf dem Wachstum im Ausland, unser Export steigt von Jahr zu Jahr, wir werden ein immer internationaleres Unternehmen."
    Nutella gibt es fast in jedem Haushalt weltweit
    Und trotzdem gibt Illy seinen Standort Triest nicht auf. Denn in Triest liegen die Unternehmenswurzeln, hier begann die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Anders als der Fiat-Konzern, der mit Chrysler verschmolzen ist und sich schwerlich noch als italienisch bezeichnen kann, hält es die Illy-Familie so wie die Ferreros. Verkauft wird in die ganze Welt, aber die Zentrale bleibt in Italien. In Zukunft leitet Michele Ferreros Sohn Giovanni den Konzern, dessen Zugpferd Nutella in fast jedem Haushalt steht, nicht nur in Italien.