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Todestag von Martin Luther King
"Seine Botschaft ist wichtiger als je zuvor"

Am 4. April 1968 wurde der Bürgerrechtler Martin Luther King erschossen. Bis dahin setzte er sich unermüdlich für Rassengleichheit in den USA ein. In seiner Heimatstadt Atlanta hält eine Gedenkstätte sein Vermächtnis am Leben. In Zeiten politischer Spaltung halten dort viele Kings berühmte "Traum"-Rede noch für aktuell.

Von Mareike Aden | 04.04.2017
    Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington, D. C. winkt den Demonstranten zu.
    Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington, D. C. (AFP )
    "Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können."
    Es sind die Worte von Martin Luther King, vorgetragen von Stephon Ferguson. Das Mikrofon knackt ab und zu.
    Aber die etwa 100 Menschen, die auf Klappstühlen in der Ebenezer-Kirche sitzen, hören gebannt zu. Stephon Ferguson ist 48 Jahre alt, schwarz, trägt Schnurrbart und Anzug, wie einst Martin Luther King.
    Dessen Philosophie der Gewaltlosigkeit, der Liebe und der Rassengleichheit liege ihm am Herzen, erzählt Stephon Ferguson mir, als wir nach der Rede auf einer Kirchenbank sitzen. Die Reden von King vorzutragen – und sie damit am Leben zu halten, das ist seine Mission. Dass er die Stimme des Bürgerrechtlers haargenau imitieren kann, entdeckte Stephon Ferguson Ende der 90er-Jahre. Als DJ legte er Platten mit den Reden von King auf und mischte sie mit Musik.
    "Ein guter Freund hörte, wie ich Dr. King imitierte und sagte: 'Du solltest das professionell machen. Stell dir vor, wie viele Menschen du inspirieren kannst, die Martin Luther King nie erleben konnten.' Wenig später merkte ich: Das ist meine Mission, Gott hat mich dazu berufen."
    Botschaften Martin Luthers in Erinnerung rufen
    Stephon Ferguson ist stolz darauf, eine offizielle Erlaubnis der Familie King zu haben, die Reden des Bürgerrechtlers zu halten, sie nachzustellen. Er tut das in Schulen und Universitäten landesweit und war auch schon in London zu Gast – aber die Ebenezer Kirche in Atlanta, im Stadtteil Sweet Auburn ist ein besonderer Ort: Hier wurde Martin Luther King getauft, hier predigte er später - und ganz in der Nähe ist sein Grab.
    Stephon Ferguson trägt die Reden des Bürgerrechtlers Martin Luther King vor.
    Stephon Ferguson trägt die Reden des Bürgerrechtlers Martin Luther King vor. (Mareike Aden)
    Die Kirche ist Teil einer Gedenkstätte. Es gibt ein Museum, einen Rosengarten, und das Geburtshaus des Bürgerrechtlers kann besichtigt werden. Mehrmals in der Woche ist Ferguson hier in der Ebenezer Kirche, ehrenamtlich. Er will, dass die Besucher Martin Luther Kings Botschaft verinnerlichen.
    "Das ist jetzt wichtiger als je zuvor in der Geschichte unseres Landes. So viel geschieht: Wir haben einen neuen Präsidenten, es gibt so viel Spaltung, so viel Böses und Hass. Und Martin Luther King predigte ja Gewaltlosigkeit."
    Auch im Protest und Widerstand – ein Beispiel: Der Montgomery Bus-Boykott von 1955, den King mitanführte. Der begann, nachdem Rosa Parks verhaftet wurde – weil sie sich geweigert hatte, ihren Platz an einen Weißen abzugeben. Der über ein Jahr dauernde Boykott führte schließlich zu neuen Gesetzen. Ein entscheidender Sieg der Bürgerrechtsbewegung.
    Legendär ist Martin Luther Kings Rede während des Marsches auf Washington für Freiheit und Arbeit im Jahr 1963: Vor etwa 250.000 Menschen sprach er von seinem Traum von Gleichheit. Es ist die Rede, die Stephon Ferguson am häufigsten hält. Und immer noch gäbe es zu viel Rassismus im Land, sagt er.
    "Wenn man sich die 'Ich habe einen Traum'-Rede heute anhört, ist sie immer noch aktuell. Die gleichen Themen, die gleichen Probleme. Es ist ein wenig besser geworden, aber viele Probleme sind einfach nur verdeckt. Es gibt sie noch - sie äußern sich nur anders."
    Schwierige Zeiten für Minderheiten
    Wenige Schritte von der Kirche entfernt ist die Grabstätte von Martin Luther King und seiner Frau Corretta, die 2006 starb: Ein weißer Sarkophag umgeben von Wasser. Die Inschrift: "Free at last". Jay Johnson aus Alabama bittet mich, ein Foto von sich und ihrer Familie vor dem Sarkophag zu machen.
    Wie die meisten Besucher hier, ist sie schwarz. Sie ist mit ihren Töchtern und ihrem Mann zu Besuch in Atlanta. Sie machen sich Sorgen um das Land, erzählt Jay Johnson mir. Die Rhetorik von Donald Trump im Wahlkampf habe sie oft als rassistisch gefunden. Umso wohltuender sei es, hier dem Vermächtnis von Martin Luther King zu gedenken.
    "Das ist so wichtig. Besonders jetzt, mit dem neuen Präsidenten. Unser Land ist so gespalten im Moment. Dr. King stand für Einheit, für Liebe und Zusammenhalt und das ist das Gesicht, das die USA der Welt zeigen sollte."
    In der Kirche bereitet sich Stephon Ferguson auf die fünfte und letzte "I have a dream"-Rede des Tages vor. Es seien schwierige Zeiten für all jene, die nicht weiß seien oder einer anderen Minderheit angehörten.
    "Ja, es gibt Grund zur Sorge. Wir brauchen mehr Menschen, die wie Dr. King sind, die bereit sind, aufzustehen und etwas zu tun. Menschen, die Unrecht nicht akzeptieren und ihr Leben dem Kampf dagegen widmen. Ich möchte, dass Menschen, die hören wie ich die Rede vortrage, sich inspiriert und motiviert fühlen, etwas für die Gesellschaft zu tun."
    Und dann beginnt Stephon Ferguson mit der nächsten Rede - über den Traum von Martin Luther King.