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Todesurteil wegen Flugblättern

Hans und Sophie Scholl gelten als die bekanntesten Köpfe der Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Mittels Flugblätter lehnten sich die Studenten gegen das Nazi-Regime auf. Beide wurden vom Universitätshausmeister an die Gestapo verraten und als erste Opfer aus dem Umfeld der "Weißen Rose" hingerichtet.

Von Agnes Steinbauer | 22.02.2013
    Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten.

    Das Goethe-Wort schrieb Hans Scholl an die Wand seiner Todeszelle in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, kurz bevor er - am 22. Februar 1943 - hingerichtet wurde. Am selben Tag starben seine Schwester Sophie und der Freund Christoph Probst. Die drei Studenten - damals 24, 21 und 23 Jahre alt - hatten mit anderen Mitstreitern der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" zwischen Juni 1942 und Februar 1943 sechs Flugblätter in Umlauf gebracht.

    Sabotage in rüstungs- und kriegswichtigen Betrieben ... leistet ... Widerstand, wo immer ihr auch seid, verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine ehe ... die letzten Städte Trümmerhaufen sind!

    Schreibt der Medizinstudent Hans Scholl im Sommer 1942. Nach eigenen Erfahrungen an der Front und Berichten über Massenmorde an Polen und Juden will er nicht länger schweigen. Die ersten vier Flugblätter verfasst er mit dem Kommilitonen Alexander Schmorell. Hans' Schwester Sophie, die ebenfalls in München studiert und ihr Philosophieprofessor Kurt Huber werden später eingeweiht. Sophies Schulfreundin und Mitstreiterin Susanne Hirzel erinnert sich:

    "Sie hat gesagt: Ich muss etwas machen, sonst bin ich mit schuldig."

    Unter den Münchner Aktivisten sind auch die Medizinstudenten Willi Graf und Christoph Probst. Durch Kontakte zur Kirche erfährt die "Weiße Rose" entscheidende christliche Impulse. In lebensgefährlichen Aktionen werden die Flugblätter vervielfältigt, verteilt und verschickt. Auch in anderen Städten gibt es Unterstützer der "Weißen Rose" - etwa in Hamburg, Berlin oder Ulm, der Heimatstadt der Geschwister Scholl.

    "Unsere Fahne flattert uns voran, unsere Fahne ist die neue Zeit ... "

    Für die so genannte "neue Zeit" hatten sich anfangs auch die fünf Scholl-Geschwister begeistert. Gegen den Widerstand ihrer regimekritischen Eltern profilierten sich Hans und Sophie in der Hitlerjugend sogar als Führungspersonen. Hans Scholl war aber bald enttäuscht von der stromlinienförmigen Jugendbewegung. Als ein Lehrer von SA-Leuten öffentlich bespuckt wurde, distanzierte er sich von den Nationalsozialisten und engagierte sich in der verbotenen Bündischen Jugend. Sophie Scholl begründete ihre Entfremdung mit der Inhaftierung ihrer Geschwister Hans, Inge und Werner im Herbst 1938 wegen "bündischer Umtriebe". Beim Gestapo-Verhör sagte sie:

    " ... Als hauptsächlichsten Grund für meine Abneigung gegen die Bewegung ... möchte ich anführen, dass ... die geistige Freiheit des Menschen in einer Weise eingeschränkt wird, die meinem innersten Wesen widerspricht ... "

    Am 18. Februar 1943 waren die Geschwister Scholl verhaftet worden, nachdem sie ein Hausmeister an der Münchner Universität beim Verteilen des 5. und 6. Flugblatts beobachtet und die Gestapo benachrichtigt hatte. Es stammte von Kurt Huber und stand im Zeichen der Niederlage von Stalingrad:

    "... 300.000 deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinnlos in Tod und Verderben gehetzt ... Der Tag der Abrechnung ist gekommen ..."

    Bei seiner Verhaftung hatte Hans Scholl einen Flugblatt-Entwurf von Christoph Probst bei sich, der an seinem Wohnort Innsbruck sofort festgenommen und nach München gebracht wurde. Der Vorsitzende des Volksgerichtshofs, "Blutrichter" Roland Freisler, verurteilte Probst und die Geschwister Scholl am 22. Februar 1943 wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zum Tod durch das Fallbeil. Das Urteil wurde am selben Tag vollstreckt. Wenig später wurden Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell zum Tode verurteilt. Huber und Schmorell starben am 13. Juli 1943 in München-Stadelheim, Willi Graf am 12. Oktober. Der ehemalige Mitstreiter Franz Josef Müller 2006 in einem Radiointerview:

    "Es war eine so einmalige Tat, in diesem Wahnsinn, in diesem Abgrund von Bösartigkeit, Verbrechen und Schrecklichkeit, die radikale Entschlossenheit zu sagen: Recht ist Recht ... und das Gute ist das Gute und das Menschliche ist das Menschliche ... das scheint auch heute noch sehr lebendig zu sein."