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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Das Gewächshaus, das Energie erzeugt

Ein energieautarkes Gewächshaus kann Wärme selbst erzeugen. In Zeiten der Klimakrise eigentlich ein überzeugendes Konzept, denn es verbraucht kein Heizöl und produziert daher wenig CO2. Doch noch gibt es davon nur einen Prototypen - der Serienfertigung stehen einige Probleme im Weg.

Von Volker Mrasek | 14.05.2019
In einem Gewächshaus in Bralitz (Brandenburg) werden Rankhilfen für Paprikapflanzen angebracht.
80 Prozent der Gewächshäuser kommen aus den Niederlanden - dort hatte man kein Interesse an der Entwicklung des Projekts (picture alliance / Bernd Settnik)
Wietow. Ein kleiner Flecken in Mecklenburg-Vorpommern, nicht weit von Wismar an der Ostseeküste. Ditmar Schmidt: "Ich gehe mal vorneweg."
Was hier in einem Gewächshaus gedeiht, würde niemand erwarten. "Kardamom und Elefantenohr und Zimtrinde. Also, verschiedene Pflanzen, die als Nutzpflanzen in Afrika eingesetzt werden. Sind alle irgendwie essbar."
Brigitte Schmidt: "So, hier haben wir die wunderschönen Bananen! Wir haben kürzlich geerntet, zwei Riesenstauden. Weiter im Bachverlauf kommen wir jetzt zum Malaien-Apfel."
Auch das ziemlich kurios: Um Stauden und Stängel herum schlängelt sich ein kleiner Bach. "An der Oberfläche verdunstet das Wasser und sorgt damit für die Luftfeuchtigkeit für die Bananen. Die brauchen die Feuchtigkeit."
Prototyp mit besonderem Charme
Das Treibhaus mit den bachbefeuchteten Bananen steht im Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern und beherbergt weitere Klimazonen - neben den Tropen auch die Tundra und eine temperierte Ecke. Schon seit 2009 ist das so. Ditmar Schmidt:
"Zehn Jahre jetzt, Sommer und Winter. Ja, ich könnte Sie gerne einladen, das nächste Silvester bei - draußen - einem Meter Schnee und drinnen in Afrika mit einem solargekühlten Sektglas anzustoßen auf das kommende Solarjahr."
Anlass zum Feiern haben Brigitte und Ditmar Schmidt dabei eigentlich nicht, die Gründer und Leiter des Solarzentrums, beide ausgebildete Ingenieure für Elektrotechnik. Denn ihr Gewächshaus ist ein Prototyp geblieben. Bis heute hat es niemand nachgebaut, trotz seines besonderen Charmes.
"Der Unterschied zu allen anderen: Es ist komplett energieautark. Das heißt, wir erzeugen Wärme, Kälte, Strom - alles - mit der äußeren Energiehülle."
Die ist stolze 15 Meter hoch. Ihre Außenhaut besteht aus einer Spezialfolie. Ditmar Schmidt: "Eine Ethylentetrafluorethylen-Folie, die hat eine Garantiedauer von 40 Jahren und lässt das gesamte Licht durch."
Feuchtigkeit, Licht und Temperatur steuern
Hinter dieser transparenten Fassade die Schlüsseltechnologie der Anlage: rund 250 sogenannte Fresnel-Linsensysteme. Sie werden ständig der Sonne nachgeführt und bündeln das einfallende Licht alle in einer knapp drei Meter langen Brennlinie.
Ditmar Schmidt: "Und in diese Linie kommt ein schwarzes Blech, wo hinten Wasser durchläuft - wird Wärme draus erzeugt. Oder es kommt eine kleine Photovoltaik-Zelle in diese Linie, und dann haben wir Strom. Und nach diesen Linsensystemen haben wir nur noch diffuses Licht, das sind die besten Bedingungen für die Pflanze. Wir können also die Feuchtigkeit, das Licht und die Temperatur steuern. Und das alles 365 Tage im Jahr."
Wärme kann gespeichert werden
Dafür braucht es aber noch etwas: einen saisonalen Speicher, um die solare Wärme auch im Winter bereitstellen zu können. Ditmar Schmidt ist jetzt nicht mehr im, sondern unter dem Gewächshaus. Der riesige Keller wird von neun zylindrischen Tanks beherrscht, jeder von ihnen mit fünf Metern Höhe und Durchmesser. "Wir haben hier Langzeit-Wassertankspeicher, das heißt die Wärme kann über 150 Tage gespeichert werden."
Das klappt durch eine besonders gute Isolierung, unter anderem mit Aluminiumfolie als Innenauskleidung. Wärmestrahlung wird so reflektiert, statt nach außen zu entweichen. Ditmar Schmidt: "Normale Speicher verlieren über die Oberfläche zwei bis fünf Grad am Tag, das heißt nach einem Monat sind die leer. Aber wir wollen ja mit der letzten August-Wärme das nächste Jahr Ostern noch heizen!"
Ein Solar-Gewächshaus, ganzjährig klimatisiert und unabhängig von fossilen Energieträgern. Was würde besser in die Zeit passen? Brigitte Schmidt: "Alle, die es sehen, sind fasziniert."
Bezahlbar nur in Serienfertigung
Viele seien da gewesen, erzählt Brigitte Schmidt. Uni-Forscher, Firmenvertreter und gleich am Anfang auch ein vermögender Bauunternehmer aus der Schweiz. Der habe schon Projektbüros eingerichtet, sei dann aber wieder abgesprungen, wegen der Finanzkrise.
"Klar ist eines, wie bei der Stromwirtschaft: Die alte Firmenklientel Gewächshaus wird es nie und nimmer mitmachen. Die sind nicht in der Lage, ein Fenster um fünf Zentimeter in ihrem Grundkonzept rüberzuschieben geschweige denn, sich mit Folien zu beschäftigen und so weiter."
Ein Solar-Treibhaus wie das in Wietow kann man allerdings auch nicht einfach so irgendwo hinstellen. Es müsse standortspezifisch nach dem Sonnenstand ausgerichtet werden, betont Ditmar Schmidt - damit die Fresnel-Linsen möglichst viel nutzbare Solarstrahlung einfangen. Und dann der Preis: Energiehülle, Linsensystem und Speichertanks kosteten weit über eine Million Euro, zum Teil waren Sonderanfertigungen nötig. Bezahlbar würde das Konzept wenn überhaupt, dann nur durch eine Serienfertigung.
Ditmar Schmidt: "In Deutschland selbst gibt es keinen einzigen Gewächshausbauer. 80 Prozent der Gewächshäuser kommen aus den Niederlanden. Die sind Weltmarktführer und hatten kein Interesse leider an dieser Projektentwicklung. Wenn wir reale Preise hätten, insbesondere im Energiebereich - die kriegen ja Sonderkonditionen, nicht den normalen Haushaltsstrompreis - dann hätte man Interesse auch auf der Unternehmerseite, von den Gärtnereien, ja, die Sonne mehr zu nutzen."
Die Idee lebt weiter
Immerhin: In der Nähe von Lörrach in Süddeutschland gab es eine Gärtnerei, die ein energieautarkes Gewächshaus betrieb - zumindest vorübergehend. Ein etwas anderes Konzept als in Wietow, ohne verschiedene Klimazonen und mit Wärmespeicherung im Erdreich. Dahinter stand der Energieversorger EnBW. Der sprach damals von einer "intelligenten Alternative für die Zukunft".
Fragt man den Gärtnereibesitzer heute, winkt er enttäuscht ab. Das Gewächshaus werde schon seit Jahren nicht mehr genutzt. Die Wärmespeicherung im Untergrund habe nicht so gut funktioniert wie erhofft. Auf Wassertanks umzusteigen könne er sich nicht vorstellen. Es gibt also durchaus auch technische Vorbehalte auf Seiten der Anwender.
Ditmar Schmidt will die Flinte aber nicht ins Korn werfen. Inzwischen denkt er über solare Mini-Gewächshäuser nach. "Auch das wäre möglich, da könnte man ein Konzept auflegen. Wir brauchen reale Energiepreise, und dann haben solche Konzepte Zukunft. Die Idee lebt!"