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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Drogenfahndung in der Kanalisation

Bei der Herstellung illegaler Drogen im Labor entstehen Abfallstoffe - und die landen meist in der Kanalisation. Mithilfe von Sensoren lassen sich die Chemikalien im Abwasser nachweisen. Die Polizei kann so den Amphetamin-Köchen auf die Spur kommen.

Von Andrea Hoferichter | 12.01.2021
In einem Abwasserkanal ist eine Hand mit Gummihandschuh zu sehen, in der Hand liegt ein Sensor.
Mit Sensoren versuchen Forschende, illegale Substanzen im Abwasser aufzuspüren (Fraunhofer IZM)
Die Fahrt führt durch einen idyllischen Wald im Taunus zu einem Ort, an dem europäische Forscherinnen und Forscher illegalen Drogenmischern das Handwerk legen wollen. Es geht um synthetische Rauschgifte wie Speed, Ecstasy und Crystal Meth. Bunte Partypillen sind hier allerdings nirgends zu sehen.
"Wir sind hier im Klärwerk Beuerbach, in der Nähe von Idstein, das ist der Standort der Hochschule Fresenius. Und hier machen wir Messkampagnen, Tests und Übungen im EU Projekt System."
Das sagt Michael Pütz. Der Chemiker vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden hatte vor einigen Jahren die Idee, Abfälle aus illegalen Drogenlaboren im Abwasser aufzuspüren und die Täter auf diese Weise in flagranti zu erwischen.
"Bei den Synthesen entstehen nicht nur die Drogen selber, sondern es entstehen sehr charakteristische Syntheseverunreinigungen. Und das Schöne ist: Diese Stoffe, für die gibt es keinen legalen Verwendungszweck. Also wenn wir die im Abwasser finden, dann wissen wir, dass ein illegaler Prozess stattgefunden hat."
Kläranlagen im Fokus
In den ersten Jahren arbeiteten Michael Pütz und ein Team aus ganz Europa vor allem mit sogenannten Chemosensoren. Die maßgeschneiderten Messfühler sollten die illegalen Substanzen zielgenau in der Kanalisation aufspüren und im Verdachtsfall ein Alarmsignal funken. Im Labor funktionierten diese Sensoren recht zuverlässig, doch im echten Abwassersystem ließ ihre Performance schon nach einer Woche deutlich nach. Der Grund: Bakterien bildeten schmierige Biofilme auf den Oberflächen. Deshalb haben die Drogenfahnder für ein Nachfolgeprojekt ein neues Konzept entwickelt, bei dem zunächst einmal Kläranlagen im Fokus stehen.
"Es geht bei der ganzen Sache darum, eine illegale Einleitung erstmal überhaupt festzustellen, aus einem größeren Einzugsgebiet, und dann aber auch Strategien zu entwickeln, wie der Einleitungsort lokalisiert werden kann."
Wie das gelingen könnte, testen die Forscherinnen und Forscher hier in der Kläranlage Beuerbach. Dazu wird kontinuierlich automatisch Abwasser abgezapft, gefiltert und analysiert. Zwischenzeitlich sammelt sich die bräunliche Brühe in einem Plastikcontainer von der Größe eines Kleinwagens.
"Von dem Überlaufbehälter gehen wir über ein Filtersystem in den Keller. Da können wir einen Laborraum nutzen und da ist ein Hochleistungsflüssigkeitschromatograph mit einem Massenspektrometer aufgestellt, der von der Hochschule Fresenius betrieben wird. Und mit dem können wir Spuren von Stoffen im Abwasser finden, die ins Abwasser nicht reingehören und die uns einen Hinweis darauf geben, dass irgendwo vor dem Klärwerk eine illegale Aktivität stattfindet."
Suche nach der Quelle
Um herauszufinden, wo die illegalen Substanzen herkommen, sind zusätzlich Sensoren notwendig. Sie werden in den Abwasserkanälen vor der Kläranlage installiert, wo sie pH-Werte und elektrische Leitfähigkeiten messen. Mit Hilfe der Sensordaten und mobilen chemischen Analysegeräten lässt sich der Einleitungsort dann Abzweigung für Abzweigung zurückverfolgen. Erste Tests über eine 12 Kilometer lange Strecke verliefen erfolgreich. Allerdings ist noch unklar, wie zuverlässig die Methode unter Extrembedingungen funktioniert, wenn zum Beispiel heftiger Regen das Abwasser stark verdünnt oder eine Trockenperiode für eine besonders konzentrierte Brühe sorgt.
"Das heißt, man muss relativ viel mit Simulationen arbeiten, muss Modelle erarbeiten, muss überprüfen, ob die Modelle die Bedingungen, die halt in der Realität herrschen, auch nachempfinden können."
Neue Drogen-Rezepte erschweren die Suche
Ein weiteres Problem ist die Kreativität der Drogenköche, die manchmal ihre Syntheserezepte ändern. Dann müssen die Chemiker vom BKA selber ans Werk und herausfinden, nach welchen Nebenprodukten sie künftig im Abwasser suchen müssen.
"Wir machen kontrollierte Synthesen. Das heißt also, wir kochen die Rauschgifte mit den gleichen Methoden nach, wie das die Täter auch machen. Insofern können wir selber den Abfall produzieren. Und wir isolieren dann auch diese Syntheseverunreinigungen aus den Abfällen, sodass wir die als reine Stoffe haben."
Das ist nicht nur wichtig, um die Messgeräte entsprechend zu kalibrieren. Die Erkenntnisse aus der Eigenproduktion helfen außerdem, aus beschlagnahmten Abfall- und Abwasserproben herauszulesen, wie professionell die Drogenproduktion betrieben wurde und auf welche Mengen sie ausgelegt war. Auch dank einer solchen Analyse konnten vor zwei Jahren Amphetamin-Köche im nordrhein-westfälischen Wachtendonk für mehrere Jahre hinter Gitter gebracht werden.