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Tolle Idee! Was wurde daraus?
MOFs - zwei Gramm mit der Speicherfläche eines Fußballfelds

Sie können deutlich mehr Erdgas speichern als ein normaler Tank oder auch Trinkwasser aus der Atemluft schöpfen: extrem saugfähige metallorganische Gerüste (MOFs). Der große Durchbruch blieb ihnen bislang verwehrt - unter anderem wegen des niedrigen Ölpreises.

Von Volker Mrasek | 11.06.2019
Gas-Tanks im russischen Kaliningrad.
Gastanks können ein Vielfaches ihres Volumens fassen - metallorganische Gerüste sollen Stoffe wie Erdgas aber noch viel kompakter speichern können (picture alliance / dpa / Karpov Sergei)
Das Betriebsgelände von BASF in Ludwigshafen ist so groß wie eine Kleinstadt. Stefan Marx nimmt das Dienstfahrzeug, einen kleinen weißen Kastenwagen:
"Wir fahren jetzt eine Runde mit dem Fahrzeug."
Es ist ein Erdgas-Auto, in das der Chemiker gleich steigen wird. Und ein Prototyp:
"Das Besondere ist, dass wir in den Tanks ein Material drin haben, das helfen soll, mehr Gas in dieser Tankflasche unterzubringen und damit auch weiter fahren zu können. Seit fünf Jahren ungefähr ist der jetzt in Betrieb. Und seitdem sind MOFs im Tank, und sie fahren und fahren und fahren."
"Und sie fahren und fahren und fahren"
MOFs: Eine Abkürzung für metallorganische Gerüste. Eine ganz neue Klasse chemischer Verbindungen - besonders saugfähige molekulare Schwämme, könnte man sagen. Vor 20 Jahren erblickten sie das Licht der Welt und weckten sofort große Hoffnungen. Auch bei der BASF. Das Chemieunternehmen hat bis heute rund 100 verschiedene MOFs hergestellt, eine Handvoll auch schon im Tonnenmaßstab.
Die Gerüstsubstanzen vom Reißbrett sind wahre Raumwunder und nicht nur Stefan Marx' Steckenpferd, sondern auch das von Ulrich Müller, dem Projektleiter für hochporöse Materialien im Konzern:
"Das waren sehr große Hoffnungen, denn diese Gerüste haben als eine Eigenschaft sehr, sehr große spezifische Oberflächen, damals so um die 3.000 Quadratmeter pro Gramm."
Zwei Gramm davon haben die Fläche eines Fußballfelds
Es sprengt zwar unsere Vorstellungskraft, aber so viel innere Ober- oder Lagerfläche steckt in den eingestülpten Hohlkörpern:
"Das sind so in etwa zwei Gramm dieses Materials, die in etwa die Fläche eines Fußballfeldes haben. In der Vergangenheit hatte man vielleicht Aktivkohle mit tausend Quadratmetern pro Gramm, und dann kamen diese Neuen mit 3.000 Quadratmetern pro Gramm. Also wirklich eine Vielzahl dessen, was man bis dahin seit mehr als 100 Jahren hatte."
"Wir haben da vorne die Schwefelsäure-Fabrik. Deswegen riecht's hier häufig 'mal unangenehm in der Ecke."
Stefan Marx' Erdgasauto mit den MOFs im Tank ist nicht das einzige bei der BASF. Insgesamt sieben von ihnen zählen zum Fuhrpark des Konzerns:
"Wir fahren jetzt zu unserem Feststofflabor, wo wir erleben können, wie aus den MOFs, die als Pulver aus der Synthese kommen, wirkliche Formkörper werden, um die nachher auch in verschiedenen Anwendungen einzusetzen."
In der Schublade, bis der Ölpreis wieder hoch ist
Doch auf öffentlichen Straßen trifft man solche Fahrzeuge bis heute nicht an. Auch wenn der TÜV keine Einwände gegen die aufgemofften Erdgas-Tanks hatte:
"Wir hatten also die technologische Machbarkeit bewiesen und gezeigt. Und dann war's aber leider doch so, dass im Jahr 2013, wenn ich mich recht entsinne, der Ölpreis ja doch wieder sehr gefallen ist. Und viele Kunden, die überlegt hatten, umzurüsten von Benziner, Diesel auf Erdgas, sind dann in dem Moment wieder zurückgegangen auf Benzin und Diesel, so dass das wirtschaftlich einfach in dem Moment nicht attraktiv war, das darzustellen."
Die Pläne lägen auf jeden Fall weiter in den Schubladen. Vielleicht holt Ulrich Müller sie ja eines Tages doch wieder hervor:
"Erdgasspeicherung wäre eine sehr, sehr große Anwendung gewesen. Also, wenn der Ölpreis wieder in eine Region käme, die so um die 90 Dollar pro Barrel läge, dann ist das sicherlich wieder eine Überlegung wert."
Momentan bewegt er sich eher zwischen 60 und 70 US-Dollar.
"Das ist der erste Arbeitsschritt im Prinzip, das Mischen, ja. Das Pulver, dieser MOF, wird mit Tablettier-Hilfsstoffen zusammengefügt und wird dann eine halbe Stunde auf einem Rhönradmischer gemischt."
Großer Durchbruch steht noch aus
Stefan Marx ist jetzt im Feststofflabor angekommen. Dort wartet schon Frank Hoffmann auf ihn. Der Chemielaborant bedient zunächst den Mischer und dann eine Rundläufer-Tablettenpresse:
"Spülmaschinen-Tabs. Die werden auch über solche Tablettenpressen hergestellt."
"Das Material ist vielleicht High-Tech. Aber wir arbeiten doch mit sehr alten Maschinen einfach, die sich schon lange bewährt haben. Da steht jetzt zum Beispiel drauf: Basolith A520. Das A steht für Aluminium, und die 520 ist unsere interne Abkürzung für die Fumarsäure. Und Basolith ist der Kunstname, der später 'mal das Markenprodukt kennzeichnen soll."
Den großen Durchbruch haben die metallorganischen Mikrogerüste bisher noch nicht geschafft. Aber bei der BASF arbeitet man weiter daran, trotz des Rückschlags bei der Vermarktung der Erdgas-Tanks:
"Das war eine Lehre. Aber davon haben wir uns gar nicht aufhalten lassen, sondern wir haben uns gleich noch andere Themen gegriffen und sind an denen auch dran."
Trinkwasser aus der Luft schöpfen
Der MOF aus dem Feststofflabor zum Beispiel, der Käfig aus Aluminium und Fumarsäure: Den testet ein Autohersteller derzeit. Der Mikroschwamm soll die Luft in Fahrzeuginnenräumen entfeuchten. Noch spannender ist ein anderes Konzept von Stefan Marx: Mit Hilfe der hochporösen MOFs könnte Trinkwasser aus der Luft gewonnen werden.
"Durch diese kleinen Kanäle, durch diese Poren, haben die Wassermoleküle die Chance, sich dort auf der inneren Oberfläche anzulagern und dort quasi gespeichert zu werden."
Das geht sogar in Trocken- oder Wüstenregionen. Selbst dort hat die Luft einen gewissen Feuchtegehalt.
Die BASF-Chemiker hatten auch schon eine kleine Pilotanlage im Süden Spaniens laufen. Bei ihr werden die MOFs nachts mit Luft durchströmt und entziehen ihr den Wasserdampf. Tagsüber genügt die heiße Sonne, und die Schwämme geben ihn wieder frei. Bis zu 30 Liter Wasser pro Tag habe die Anlage aus der Luft geschöpft, sagt Ulrich Müller. Doch auch hier ist der Weg bis zum Einsatz in der Praxis steinig:
"Da muss teilweise auch noch der Markt erschlossen werden, und das ist gar nicht so einfach."
"Nach wie vor eine faszinierende Idee"
Zumal auch andere auf dem Gebiet forschen, mit alternativen Konzepten. Den Massenmarkt für MOFs gibt es jedenfalls bisher nicht, nur erste Nischenanwendungen in der Medizin- und in der Sensortechnik. Müller und Marx sind aber beide überzeugt: Die große Zeit der metallorganischen Mikroschwämme werde schon noch kommen:
"Die MOFs sind nach wie vor eine faszinierende Idee!"
"Ein Feld, wo die Wissenschaft gerade wirklich förmlich am Explodieren ist."
"Und da hoffe ich fest drauf, dass die eine oder andere gute Idee noch kommt, an die wir vielleicht momentan noch gar nicht gedacht haben."