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Membranen statt Chemie
PAUL, der portable Wasserfilter

Vor neun Jahren präsentierten Kasseler Ingenieure ein Gerät, das ganz ohne Chemie und ohne Energie Wasser allein durch eine Membran-Filterung aufbereitet. Eine Idee, die sich durchgesetzt hat, denn heute ist dieser Filter weltweit im Einsatz.

Von Volker Mrasek | 28.04.2015
    Leitungswasser läuft am 08.03.2013 in Hannover (Niedersachsen) in ein Glas.
    Glasklar und praktisch ohne Bakterien: Gefiltertes Wasser (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Aachen, Veranstaltungszentrum "Eurogress". Drinnen läuft eine Fachkonferenz von Wasserwirtschaftlern, draußen plätschert ein Brunnen. Genau dort postieren zwei Tagungsteilnehmer einen knallblauen Kunststoff-Kasten ...
    "Hat etwa die Maße eines Standbriefkastens."
    "Jetzt geb' ich das verunreinigte Wasser rein."
    Drei von der Uni - hier sind sie mal wieder zu Gange. Franz-Bernd Frechen, Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der Universität Kassel. Kai Päckert, Bau-Ingenieur am selben Lehrstuhl. Und PAUL, ein dort entwickelter mobiler Trinkwasser-Aufbereiter. Ziemlich klobig und über 20 Kilo schwer, aber mit Rücken-Tragegurten. Weswegen die Kasseler Forscher von einem "Wasserrucksack" sprechen.
    Keine zwei Minuten, und Kai Päckert kann PAUL bereits anzapfen. Aus dem blauen Quader läuft Wasser in ein Becherglas.
    "In dem einen Becherglas ist das gefilterte Wasser, was aus dem PAUL rauskommt. Und in dem anderen Becherglas ist das Brunnenwasser, was wir zum Durchlaufen genutzt haben. Wenn Sie die nebeneinander halten, sehen Sie schon einen deutlichen Reinigungseffekt."
    Ganz ohne Strom und Chemie
    Neun Jahre ist es her, da stellte Franz-Bernd Frechen sein Forschungskind PAUL der Deutschen Bundesstiftung Umwelt vor. Als denkbar simples Gerät für den Einsatz in Katastrophengebieten. Eines, das keinen Strom braucht und auch keine Chemikalien. Bei dem allein das Gewicht des oben eingeschütteten Wassers genügt, um es durch eine Filtermembran zu pressen. Also der hydrostatische Druck, den das Wasser in dem Behälter selbst erzeugt ...
    "Im Jahre 2010, als in Pakistan die große Überflutung war, gingen die ersten Vorserien-Modelle in die Anwendung. 2011 fällt mir Bangkok ein, die Überflutung von Thailand. Da hat die Bundesregierung 40 PAULs hingeschickt, übers Technische Hilfswerk. Taifun Haiyan in den Philippinen - Welthungerhilfe, Ärzte ohne Grenzen etc. haben dort PAULs hingeschickt.
    Es ist ein weltweites Netz in über 50 Ländern geworden. Seit September 2010 sind mittlerweile 1.500 Stück in der Welt. Afrika, Asien sind die Haupteinsatzgebiete."
    Ein Filter für alle Fälle
    Die Idee des Kasseler Hochschullehrers hat sich also tatsächlich durchgesetzt. Und das nicht nur im Katastrophenfall, wie Frechen sagt:
    "Es gibt etliche Hilfsorganisationen mittlerweile, die gar nicht wegen einer Katastrophe anfragen, sondern um ein Dauerproblem zu lösen."
    Etwa in Myanmar, dem früheren Birma. Dort stehe PAUL heute an rund 70 Schulen, die Kinder nähmen gereinigtes Wasser auch mit nach Hause.
    "In Myanmar beispielsweise haben die Leute, die ärmsten Leute, nur Regenwasser zur Verfügung aus Erdlöchern. Da fährt dann der Ochsenkarren rein mit 'nem großen Fass. Der Bauer befüllt sein Fass aus diesem völlig braunen Tümpel. Der Ochse - Entschuldigung! - scheißt zwischendurch auch ins Wasser rein. Das ist deren Wasserquelle. Und diese Probleme werden durch PAUL komplett beseitigt."
    Krankheitserreger, die im Brackwasser noch vorhanden waren - hinterher sind sie fast komplett verschwunden:
    "Glasklares Wasser, praktisch keine Bakterien. Das ist validiert. Nicht nur durch uns natürlich, sondern eben auch durch unabhängige Institutionen wie Institut Fresenius. Rückhalt von 99,99 Prozent oder mehr."
    Das schafft PAUL durch die ultrafeine Niederdruck-Membran in seinem Inneren. Das Kunststoff-Sieb hat eine Maschenweite von lediglich 40 Nanometern. Das heißt: Alles, was größer ist als ein 25.000stel Millimeter, bleibt darin hängen. Gerade auch Bakterien wie zum Beispiel der Erreger der Cholera.
    "Das Paradebeispiel war eine kleine Schule in Tansania. Nach einem Jahr kam eine Mail, die sagte: Wir haben seit einem Jahr keine Krankheiten mehr bei den Kindern. Da freut man sich."
    Werben für noch mehr Abnehmer
    Da freut man sich und bewirbt PAUL auch weiterhin kräftig. Wie neulich in Aachen. Auf der Tagung über Wasser und Abfallwirtschaft.
    "Wollen Sie mal probieren, wie Aachener Brunnenwasser schmeckt? Prost!"
    1.200 Liter trinkbares Wasser könne PAUL jeden Tag liefern. Zehn Jahre sei er haltbar. Bei einem Gerätepreis von rund 1.000 Euro sicher nicht die Welt.
    "Das schmeckt neutral."
    Im Betrieb fallen überhaupt keine Kosten mehr an. Nur die Membran muss regelmäßig von Hand gespült werden.
    "Schmeckt vollkommen neutral und lecker."
    So dass sich PAULs Ziehvater Franz-Bernd Frechen vorstellen kann, "..dass PAUL noch sehr viel häufiger eingesetzt werden wird."