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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Solarzellen von der Rolle

Im Dezember 2008 berichtete Forschung Aktuell über das Unternehmen Nanosolar aus dem Silicon Valley. Die Geschäftsidee des Start-ups bestand darin, Solarzellen am laufenden Band herzustellen: in einem Rolle-zu-Rolle-Prozess. Letztendlich den Markt aufzurollen, gelang dem Unternehmen bislang aber nicht.

Von Ralf Krauter | 05.07.2016
    Das Gebäude der heute nicht mehr existierenden Firma Nanosolar im Silicon Valley.
    Solarzellen von der Rolle, so effizient wie jene aus Silizium, aber zehn mal preiswerter - das war einst das erklärte Ziel von Nanosolar. (Deutschlandradio - Ralf Krauter)
    Die Geschichte von Nanosolar nahm kein gutes Ende. 2013 ging das Unternehmen pleite und sein millionenschwerer Maschinenpark wurde versteigert. Dabei hatte 2002 alles so vielversprechend begonnen. Mit der Vision, Solarzellen viel billiger herzustellen als die Konkurrenz, avancierte Nanosolar schnell zum Hoffnungsträger der Photovoltaik-Industrie. Die Euphorie war groß und das Risikokapital floss in Strömen in die verglaste Fabrikhalle vor den Toren von San Jose.
    "Das ist unsere Produktionsausrüstung. Das ist ein Rollenprozess hier. Hier sieht man die einzelnen Rollen der Folie, die von einem Werkzeug zum nächsten übertragen werden und dann den nächsten Prozess laufen lassen."
    2008 war in der Nanosolar-Fabrik noch keine Untergangsstimmung zu spüren. Im Gegenteil: Martin Roscheisen, der Gründer und damalige Firmenchef, hatte bei Investoren gerade die Rekordsumme von 300 Millionen US-Dollar eingeworben und erklärte, man fahre gerade die Serienfertigung hoch. Die Maschinen dafür erinnern an eine Druckstraße: 20 Meter lange Gebilde, durch die eine silbrig glänzende Folie läuft.
    "Das ist unsere Druckmaschine, die gerade hier läuft. Die läuft sehr schnell. Das sieht man kaum, weil das so schnell läuft. Das hat also eine Gigawatt-Kapazität dieses Tool und kann damit ein Nuklearkraftwerk pro Jahr herstellen."
    Mit einer patentierten Halbleiter-Tinte werden die lichtempfindlichen Schichten auf eine elektrisch leitende Folie gedruckt. Solarzellen von der Rolle: so effizient wie jene aus Silizium, aber zehn mal preiswerter, das ist das erklärte Ziel von Nanosolar.
    "Wir drucken direkt auf eine extrem leitende Metallfolie, sodass die untere Elektrode dieser Zelle einfach diese Metallfolie sein kann. Und damit sparen wir schon mal große Kosten. Wir sind die einzige Gruppe in der ganzen Welt, die es geschafft hat, eine effiziente Solarzelle hinzukriegen auf derartiger Folie, die so billig ist wie Plastik, aber so gut leitet wie Kupfer."
    Die Qualität der gedruckten Halbleiterfilme schwankte
    In der speziellen Tinte, mit der die Folie bedruckt wird, schwimmen Nanopartikel aus Kupfer, Indium, Gallium und Selenid. Dank cleverer Chemie und Selbstorganisation bilden diese Partikel beim Trocknen kristalline Halbleiterfilme, die Sonnenlicht in Strom verwandeln. Als 2007 die ersten Solarzellen vom Band liefen, lag die Effizienz zwischen 10 und 14 Prozent. Bis 2011 steigt sie auf über 17 Prozent. Ein beachtlicher Wert, der Nanosolars gedruckte Solarzellen auf Augenhöhe mit gängigen Produkten aus polykristallinem Silizium bringt.
    Aus den ambitionierten Plänen, den Markt aufzurollen, wird trotzdem nichts. Die Serienfertigung der Solarzellen und -module kommt wegen technischer Probleme ins Stocken. Die Qualität der gedruckten Halbleiterfilme schwankt, ihre Langzeitstabilität lässt zu wünschen übrig. Anfang 2012 beträgt die Produktionskapazität gerade mal ein Viertel der geplanten 430 Megawatt pro Jahr. Für Professor Ayodhya Tiwari von der EMPA, der Eidgenössischen Materialprüfanstalt in Dübendorf bei Zürich, keine Überraschung. Der Experte für Dünnfilm-Photovoltaik tüftelt seit vielen Jahren an gedruckten Solarzellen und hat den Aufstieg und Fall von Nanosolar genau verfolgt.
    "Die Entwicklung einer neuen Technologie braucht Zeit. Es braucht Zeit, um die Produktionsmaschinen zu entwickeln und zu bauen. Es braucht Zeit, um den Fertigungsprozess Schritt für Schritt zu optimieren. Wenn man diese Zeit nicht hat, weil man den Investoren versprochen hat, das Unternehmen sei in drei bis fünf Jahren reif für den Börsengang, wird es kritisch. Nanosolar hat große Erwartungen geschürt. Der Zeitplan war unrealistisch, die Ziele zu ehrgeizig."
    Mit mehr Zeit und Geld hätten sich die Probleme vermutlich in den Griff bekommen lassen. Doch die Investoren wurden ungeduldig. Durch den massiven Ausbau der Produktion in China sank der Preis für Solarzellen rapide. Nanosolars Versprechen, am Ende viel billiger produzieren zu können als die Konkurrenz, wurde damit immer schwerer einzulösen. Die Basis des Geschäftsmodells erodierte und die Risikokapitalgeber verloren die Nerven. 2010 warfen sie den Firmengründer Martin Roscheisen aus der Geschäftsleitung. Die drei Chefs, die nach ihm das Ruder übernahmen, konnten das sinkende Schiff aber auch nicht mehr retten.
    Ayodhya Tiwari hat Martin Roscheisen seinerzeit ein paar Mal getroffen, weil er seit vielen Jahren an derselben Halbleitertechnologie forscht. Der Nanosolar-Gründer dagegen war Quereinsteiger: Er hatte zuvor nur Erfahrung mit Software-Firmen gesammelt. Die Solarindustrie tickt völlig anders als die IT-Branche. Solarmodule müssen 20 Jahre lang eine garantierte Menge Strom liefern, damit sie einer kauft. Bevor man neue Produkte auf den Markt bringen kann, sind jahrelange Feldtests notwendig. Wer Erfolg haben will, braucht einen langen Atem und sollte schrittweise vorgehen, betont Ayodhya Tiwari. Nanosolar wollte zu viel auf einmal.
    "Wenn man von einem Wolkenkratzer springt, kommt man zwar sehr schnell unten an, läuft aber Gefahr, dabei zu sterben. Wenn man stattdessen die Treppe nimmt und ab und zu mal ein oder zwei Stockwerke springt, ist das Risiko überschaubarer."
    2013 stellten Tiwari und seine Leute in den Labors für Dünnfilm-Photovoltaik der EMPA in Dübendorf flexible Solarzellen mit einem Rekordwirkungsgrad von 20,4 Prozent her. Und zwar mit demselben Halbleitermaterial, auf das auch Nanosolar gesetzt hatte. Allerdings wurde es in diesem Fall nicht gedruckt, sondern im Vakuum aufgedampft. Die 2005 als Spin-Off der ETH Zürich gegründete Firma Flisom, deren Verwaltungsratschef Ayodhya Tiwari ist, beschichtet mit derselben Methode bereits 50 Zentimeter breite Plastikfolien und will die flexiblen Solarzellen nun am laufenden Band produzieren.
    "Wir haben eine Pilotproduktion mit einer Kapazität von 15 Megawatt aufgebaut. Die Maschinen sind installiert, wir nutzen eine Reihe patentierter Techniken und Verfahren und fahren jetzt allmählich die Fertigung hoch. Das wird einige Zeit dauern, doch Flisom ist gut aufgestellt. Wir haben verlässliche Investoren und gehen Schritt für Schritt voran."
    Gut möglich also, dass die Solarzellen von der Rolle bald doch noch ihren Siegeszug antreten. Ihre Flexibilität, ihre hohe Effizienz, ihr niedriges Gewicht und die potenziell geringen Herstellungskosten sprechen dafür.
    Zur Sendereihe "Tolle Idee! - Was wurde daraus?"