Samstag, 06. April 2024

Archiv

Tore für die Welt aus Hildesheim
Mehr als Latte, Netz und Pfosten

Helo-Sports aus Hildesheim ist Europas größter Hersteller für Fußballtore. Einst ein Zwei-Mann-Betrieb, beschäftigt Firmenchef Helmuth Löhr heute 80 Mitarbeiter. Angefangen hat die Erfolgsgeschichte eher zufällig: Mit einem umgefallenen Tor beim Bundesliga-Spiel Borussia Mönchengladbach gegen Werder Bremen.

Von Tim Schauenberg | 10.06.2016
    Neutraler Lederball - Fußball-Symbolbild
    Künftig mehr Tore beim Fußball? Bei Helo-Sports in Hildesheim arbeitet man am Tor der Zukunft. (imago)
    Das legendäre Madrider Champions League-Halbfinale 1998, Borussia Dortmund gegen Real Madrid.
    Legendär, weil noch vor Spielanpfiff ein Tor umknickt. Bis der Ball endlich rollte, warteten Zehntausende über eine Stunde auf den Stadionrängen, Millionen vor den Bildschirmen. Ein neues Tor musste heran geschafft werden. Denn eins ist offensichtlich, ohne Fußballtor, kein Fußballspiel.
    Die Geschichte der Firma Helo-Sports, Europas größten Hersteller für Pfosten und Latte, beginnt auch damit, dass ein Tor fällt – genauer: umfällt.
    Allerdings 27 Jahre vor dem Madrider Torsturz, 1971, damals noch auf dem Gladbacher Böckelberg, berichtet Helmuth Löhr, der Gründer von Helo-Sports:
    "Gladbach gegen Bremen. Ein Spieler namens Laumen, damals sehr bekannt, hat ein Tor geschossen und ist dabei aber ins Tor reingerannt und hat das Tor umgerissen. Das heißt, der Holzpfosten ist umgeknickt, weil der schon verrottet war.
    So bin ich dann auf die Idee gekommen, aus Aluminium Tore zu bauen. Bis dato gab es damals in Deutschland keine Aluminiumtore."
    Initialzündung für einen neuen Markt
    Ein verrotteter Pfosten als Initialzündung für einen neuen Markt. Heute ist der Ausdruck "das Aluminium treffen" fester Bestandteil des Fußballjargons, bei den Profis wie unter Hobbykickern.
    Der Firmensitz von Helo-Sports liegt im niedersächsischen Hildesheim, in seinem Büro zeigt der 75-jährige Helmuth Löhr stolz auf die eingerahmten Zeitungsartikel, die während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland über ihn geschrieben wurden.
    "Die deutsche Torfabrik" und "Der wichtigste Tormann der WM" wurde 2006 getitelt. Löhr freut das:
    "Das haben wir auch gerne gelesen, das ist klar."
    Vom Zwei-Mann-Betrieb zum Profiausstatter
    Ob Welt - oder Europameisterschaft, von einem kleinen Betrieb mit zwei Mitarbeitern ist die Firma zum Ausstatter für beinahe alle großen Turniere der vergangenen Jahre geworden. Zu den Kunden zählen Profiklubs weltweit, beispielsweise die Bundesligisten FC Schalke 04 und Borussia Dortmund oder Trainingslager im türkischen Belek.
    Heute sind es über 80 Angestellte, die Löhr auf dem Firmengelände beschäftigt, das gleich mehrere Hallen umspannt. Bei den Fußballtoren ist es nicht geblieben. Löhr produziert inzwischen eine Vielzahl an Sportgeräten. Darunter die sogenannten Käfige für die Diskuswerfer, Hürden und Startmaschinen für die Leichtathletik.
    Den größten Anteil zum Umsatz steuert aber immer noch die Fußballsparte bei. Bei der Herstellung spielen Zulieferer aus den Niederlanden und Italien eine große Rolle, erklärt Löhr:
    "Das sind Strangpresswerke, die das Rohaluminium auf eine bestimmte Temperatur, 600, 700 Grad erhitzen und daraus Profile pressen."
    Nebenan von Löhrs Büro in der Produktion verarbeiten die Metallarbeiter diese Profile zu fertigen Konstruktionen. Einer von ihnen ist Stefan Hoffmann, der erklärt:
    "Wir bauen hier gerade Latte und Pfosten zusammen mit einer Verstärkungsstrebe, damit sie nicht kaputt reißen können. Damit auch alles stabil wird, müssen wir sie vorher reinhämmern."
    Der nächste Schritt: das Verschweißen. Metallarbeiter Hoffmann erklärt im Fachjargon,
    "dass wir einen vernünftigen Einbrand haben, die Wurzel gut durchläuft und oben noch ne schöne Decklage drauf, darauf kommt es an."
    Sägen, Hämmern, Schweißen und Biegen, das wird in der Fertigungshalle erledigt. Pro Tag werden hier zwei bis drei Tonnen Aluminium verbaut.
    Im Planungsbüro konzipiert der Maschinenbautechniker Martin Ludwig am Computer die Profile der Fußballtore, die später als Rohre aus den Presswerken geliefert werden. Für den Profifußball gibt es strenge Richtlinien, von denen nicht abgewichen werden darf.
    Bei Kundenwünschen, die aus dem Freizeit- und Jugendbereich an den Techniker gestellt werden, kann er frei gestalten, sagt Martin Ludwig:
    "Ich zeichne jetzt zum Beispiel so ein Profil, also ein 2D-Querschnitt, man muss jeden Radius, jede Schräge muss man berücksichtigen. Es steckt mehr dahinter, als man denkt."
    Das Tor der Zukunft
    Anders als man glauben könnte, ist das Fußballtor noch nicht zu Ende erfunden. "More Goal" heißt die jüngste Idee, mit der Helmuth Löhr die Fußballwelt revolutionieren wollte. Dabei ging es um ein Tor, das durch eine bestimmt Wölbung des Pfostens statistisch zehn bis 15 Prozent mehr Tore garantiert hätte. Pro Spiel, wohlgemerkt. Aber die FIFA lehnte den Antrag ab, offenbar zu unkonventionell, wie Helmuth Löhr sagt.
    Sein Geschäft wächst dennoch, ob mit neuen oder alten Pfosten. Besonders der Export brumme in den letzten 15 Jahren. China, Chile oder Afrika und die USA, in die ganze Welt verschickt er Container mit Sportgeräten aus Aluminium. Sein Erfolg, meint Helmuth Löhr, liegt darin, dass er eine sehr, sehr kleine Nische besetzt:
    "Das ist unser Glück, dass sind ganz kleine Märkte. Die interessiert kein einziger Chinese."
    Zukunftsmarkt USA
    Bei der EM in Frankreich werden Löhrs Tore nicht über den Ausgang der Spiele entscheiden. Die Veranstalter hätten Wert auf einen lokalen Hersteller aus Frankreich gelegt, erklärt der Firmenchef. Ihn störe das wenig, beteuert er. Sein Blick richtet sich auf den US-amerikanischen Markt, der sei im Kommen, meint Helmuth Löhr. Er glaubt, dass die wichtigen Tore für sein Unternehmen in Zukunft in den USA fallen werden.