The Power of Online

01.08.2009
Den Wert mancher Werke erkennt man erst, wenn sich die Zeiten geändert haben. Zum Beispiel Surfen Multimedia", ein Song der rheinländischen Showtruppe "Eurocats", die bereits 1996 die Kraft des Mediums Internet erkannte.
Den Wert mancher Werke erkennt man erst, wenn sich die Zeiten geändert haben. Zum Beispiel Surfen Multimedia", ein Song der rheinländischen Showtruppe "Eurocats", die bereits 1996 die Kraft des Mediums Internet erkannte. "Mit Bits und Bytes, mit Maus und Klick da gehen wir auf Tour / Im World Wide Web da folgen wir heut jeder heißen Spur", so emotional beschreibt der Text aus der Feder des Schlagerkomponisten Erich Offierowski die damals breiten Bevölkerungsschichten unbekannte Internetwelt. Kein Wunder: die Eurocats scheiterten in der Eurovisions-Vorausscheidung, tingelten über CDU- und FDP-Galas und wurden 2007 von der Künstlergruppe Monochrom wiederentedckt, die den Internetsong auf einem Kongress des Chaos Computer Clubs zum "Evergreen des digitalen Zeitalters" und einer "globalen Hacker-Hymne" krönte. Der Song macht glücklich, allein weil das Jahr 1996 überstanden und das Internet seitdem viel mehr geworden ist, etwa: Verbraucherschutzdezentrale.
13 Jahre nach "Surfing Multimedia" nutzt der kanadische Countrysänger Dave Carroll das gehuldigte Medium Internet für Konsumentenprotest. Die Westerngitarre des kaum populären Sängers war beim Einladen in ein Flugzeug von United Airlines beschädigt worden; Corroll konnte aus dem Flugzeugfenster zusehen, wie Flughafenangestellte sein 3500-Dollar-Instrument höchst unsanft in den Flugzeugbauch verluden. Doch United ignorierte alle Beschwerden, Carroll verbrachte viel Zeit in Telefonwarteschleifen, und drohte schließlich damit, einen Song über die Geschichte aufzunehmen. United wars egal, und so landete Carroll mit "United breaks Guitars" den größten Hit seines Lebens. Das Musikvideo erntete viereinhalb Millionen Youtube-Besucher, ließ den United-Aktienkurs kurzzeitig fallen, worauf sich der Konzern entschuldigte. Man wolle den Geldwert der Gitarre an eine Musikstiftung übeweisen - und das Schmäh-Video zu Schulungszwecken verwenden.
Die mit "Mainstream" nicht hinreichend massenkompatibel beschriebene Musik ist an beiden Stellen nebensächliches Begleitwerk. Die Eurocats transportieren die verblendete Startup-Netzeuphorie der späten 90er Jahre in ein durchchoreografiertes Zerrbild, das ihnen nutzen soll, einen Fernsehpreis zu gewinnen. Dabei werfen sie so ahnungslos mit Multimedia-Buzzwords, die selbst Boris Becker nicht für seinen "ich bin drin"-Fernsehspot verwendet hätte. Die blinde Euphorie der Eurocats läuft konträr zur clever ausgeschlachteten Story von Dave Correl. Der nutzt das Intenret auf eine selbstverständliche und erfolgreiche Weise, die sich in den 90ern kaum einer hätte vorstellen können, außer vielleicht der visionäre Eurocats-Texter Offierowski. So nutzt Correls Geschichte seiner Popularität, der Netzgemeinde und der Presse, die unterhaltsam darüber berichten können. Doch im Gegensatz zum unfreiwilligen Meilenstein der Eurocats wird Corrols Gitarrenschwank nach 13 Jahren längst vergessen sein. Denk- und Mahnmäler bleiben. Auf der Da-da-datenautobahn!