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Tory-Parteitag in Großbritannien
Ein Erzkonservativer bringt sich in Stellung

Die Konservativen, obwohl Wahlsieger, blasen Trübsal auf ihrem Parteikongress in Manchester. Grund genug gibt es: Die absolute Mehrheit ist weg, die Brexit-Verhandlungen mit der EU stocken. Nicht wenige halten schon Ausschau nach einem Nachfolger für Theresa May - und blicken dabei gespannt auf Jacob Rees-Mogg.

Von Friedbert Meurer | 04.10.2017
    Der britische konservative Politiker Jacob Rees-Mogg, aufgenommen am 05.09.2017 in London (Großbritannien). Rees-Mogg hat seine Meinung verteidigt, nachdem er in einem Interview kategorisch Abtreibungen abgelehnt hat, auch in Fällen von Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung oder bei Inzest.
    Der britische konservative Politiker Jacob Rees-Mogg, aufgenommen am 05.09.2017 in London (Großbritannien). (dpa / picture alliance / Yui Mok)
    Jacob Rees-Mogg versucht persönlich die Demonstranten zu beruhigen. Einige von ihnen haben sich an den Sicherheitskontrollen vorbei in die Halle des Rathauses von Manchester hineinschmuggeln können und rufen jetzt "Tories raus". Rees-Mogg, eigentlich nur ein Hinterbänkler, ist der neue Superstar der britischen Konservativen.
    Er ist noch gar nicht solange im Parlament und sieht aus fast wie die Karikatur eines englischen Aristokraten. Zweireiher, akkurater Seitenscheitel, leicht graue Gesichtsfarbe - in der Pose des wahren Gentleman stellt er sich erst den Demonstranten und dann seinen Anhängern.
    "Wir verlassen die EU nicht, weil wir den Geruch französischen Käses nicht mögen. Wir wollen nicht von nicht gewählten Bürokraten aus Brüssel erzählt bekommen, was wir zu tun haben."
    Rückwärtsgewandter Torie
    Rees-Mogg wird allen Ernstes als möglicher Nachfolger Theresa Mays als Premierminister gehandelt. Zuletzt sprach er sich gegen das Recht auf Abtreibung auch nach einer Vergewaltigung aus. Den Brexit fordert er schon lange. Der "Economist" schrieb kürzlich über Rees-Mogg, er sei geistig den 50er-Jahren verhaftet – aber den 1850er Jahren.
    "Er ist altmodisch, ja, aber das gefällt vielen Leuten. So etwas haben wir vermisst." "Es ist nichts daran verkehrt, altmodisch zu sein. Diese Art von Konservativen haben wir lange nicht mehr gesehen."
    "Die Dinosaurier sind aus ihren gläsernen Museumsvitrinen ausgebrochen, es ist wie in Jurassic Park", macht sich Schatzkanzler Philip Hammond im nahen Kongresszentrum von Manchester tags darauf lustig. Der ehemalige EU-Befürworter meint allerdings nicht seinen Parteifreund Jacob Rees-Mogg – oder vielleicht insgeheim doch - , sondern Jeremy Corbyn , den einstigen Parteirebellen, der jetzt Labour-Chef ist. Auch Corbyns Aufstieg und sein Achtungserfolg bei der letzten Wahl hat niemand für möglich gehalten, warum also nicht einen Tory aus dem 19. Jahrhundert zu Mays Nachfolger wählen?
    "Die Leute lieben ihn"
    Der Kandidat der Gegenwart mit den besten Chancen, sollte Theresa May sich auch nur noch einen Ausrutscher erlauben, heißt aber wohl doch Boris Johnson. "Er ist großartig, die Leute lieben ihn. Als Bürgermeister von London war er so populär, er ist toll."
    "Die meisten Parteimitglieder meinen, seine Zeit ist vorbei. Der macht nur ein wenig Krach. In unserer kleinen Partei, wo ich her komme, haben wir eine Abstimmung gemacht, und 90 Prozent der Mitglieder, die gewählt haben, haben gesagt, die wollen keinen Boris Johnson als nächsten Parteiführer."
    Das mag sein. Aber als Stimmungsmacher ist Boris Johnson derzeit unschlagbar, sein Auftritt gestern war mit Abstand der bisherige Höhepunkt eines reichlich gedämpft wirkenden Parteitags. Erst knöpfte "Boris" sich Jeremy Corbyn vor. Nicht der habe gewonnen, "sondern wir".
    Dann gab Johnson nach all den matten Reden vor ihm den Brexit-Einpeitscher. "Es muss Schluss damit sein, das Ergebnis des Referendums als Beulenpest, Viehseuche oder Geistesverirrung von 17,4 Millionen Menschen anzusehen. Jetzt müssen wir Mut zeigen und unsere Chance nutzen."
    Standing Ovations und Jubelrufe für das Enfant terrible der Tories. Einerseits wünscht sich die Partei Eintracht an der Spitze, sonst drohen Neuwahlen und der nächste Premierminister heißt womöglich Jeremy Corbyn. Andererseits wünscht sie sich neuen Schwung, den Theresa may nicht bieten kann, meint Robert Oulds vom rechtskonservativen Thinktanks "The Bruge Group".
    "Es gibt diese Sehnsucht in der Partei. Langfristig wird sich Theresa May nicht halten können. Es steht außer Frage, dass May nicht die Kandidatin bei der nächsten Wahl sein wird."