Rapper Lil Nas X mit neuem Video

Provokateur mit Botschaft

09:15 Minuten
Lil Nas X mit nakten Tänzern im Musikvideo zu „Industry Baby”.
Schwuler Sex im US-Knast: Rapper Lil Nas X scheut auch in seinem neuen Video "Industry Baby" nicht vor Tabubrüchen zurück. © Screenshot / Columbia Records YouTube
Klaus Walter im Gespräch mit Andreas Müller · 27.07.2021
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Er ist jung, schwarz, mischt Country mit Hip-Hop und geht offen mit seiner Homosexualität um – Tabubrüche im US-Musikbusiness. In seinem neuen Video "Industry Baby" packt Rapper Lil Nas X erneut ein heißes Eisen an: Afroamerikaner in US-Gefängnissen.
"Industry Baby", das neue Video des US-Rappers Lil Nas X hat binnen weniger Tage rund 30 Millionen Klicks und auch schon einige Kontroversen ausgelöst. Es spielt im Gefängnis, und es geht um schwulen Sex. Der Clip zeigt dies in expliziten Szenen.
Der erst 22-jährige Montero Lamar Hill, wie Lil Nas X eigentlich heißt, hat schon vor zwei Jahren mit der Debütsingle "Old Town Road" für Aufsehen gesorgt – einem Song, der Country und Hip-Hop mischt.

Mehrfacher Tabubruch

Nicht nur damit provozierte der junge Künstler heftige Reaktionen. Alleine die Tatsache, dass ein damals gerade mal 20-jähriger Schwarzer Rapper sich in das traditionelle Genre des Country wagte, sorgte für Aufruhr. Dass Lil Nas X so offen mit seinem Schwulsein umgeht und auch in seinen Videos damit spielt, war ein weiterer Tabubruch.


Für den Musikjournalisten Klaus Walter ist er mit all dem "neben Billie Eilish der vielleicht aufregendste Popstar dieser Tage". Ist Homosexualität tatsächlich immer noch ein Tabu in der US-Musikszene? "Bei all den Welten, die zwischen Country und Hip-Hop liegen, sind es doch zwei Genres, in denen mehrheitlich traditionelle Geschlechterrollen dominieren", sagt Walter.
Daneben habe es auch Kritik an der Darstellung des Gefängnislebens in dem Video von "Industry Baby" gegeben. Kritikern erscheine es verharmlosend.
Der Hintergrund: In US-Gefängnissen seien überdurchschnittlich viele Afroamerikaner inhaftiert, vor allem junge Männer. Für sie sei das Leben dort das Gegenteil von einer Party-Zone. "Da geht es hart und brutal zu. Zwischen den meist weißen Gefängniswärtern und den meist schwarzen Gefangenen, aber auch Machtkämpfe unter den Gefangenen selbst", erläutert Walter.
Doch Lil Nas X habe auf die Kritik reagiert – etwa indem er dazu aufgefordert habe, den Bail X Fund zu unterstützen, eine Organisation, die versucht, Gefangene gegen Kaution aus dem Gefängnis zu holen. Der Rapper erkläre immer wieder, er wisse, "wie viel Leid und Schmerz so eine Inhaftierung mit sich bringt" und wie unverhältnismäßig häufig Schwarze davon betroffen seien.

Ernste Botschaft hinter lustigen Bildern

Auch den Vorwurf, eine "Gay Agenda" zu vertreten, habe Lil Nas X pariert und gesagt: "Wenn jemand dich so beeinflusst, dass du einen Schwanz lutschen willst, dann wolltest du vermutlich schon vorher einen Schwanz lutschen."
Doch hinter den lustigen Bildern des Videos verberge sich ein ernstes Problem, auf das Lil Nas X offenbar aufmerksam machen wolle: "Dass so viele junge Afroamerikaner inhaftiert sind und dass die im Knast auch Sex haben. Und wenn keine Frauen verfügbar sind, dann haben eben auch Heteromänner Sex mit Männern."
Das sei eine Tatsache, über die nicht gern geredet werde und die mit den verbreiteten Vorstellungen von Schwarzer Männlichkeit nicht vereinbar sei. Also auch hier: ein Tabubruch.
(mkn)
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