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Tourismus
Ärger um steigenden Flugverkehr auf Sylt

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Flugreisenden nach Sylt stark angestiegen. Die Tourismusbranche freut sich über den so gestiegenen Anteil von Kurzurlaubern. Umweltschützer hingegen sind alarmiert

Von Klaus Deuse | 13.03.2014
    Flughafen Sylt
    Flughafen Sylt (dpa/picture alliance/Christian Charisius)
    Eine Boeing 737 im Anflug auf den Flughafen von Westerland auf Sylt. Jets, die auf Sylt landen, müssen früh in den Sinkflug übergehen und ziehen mit entsprechendem Lärmpegel in der Einflugschneise über Orte wie Keitum hinweg. Etliche Urlaubsgäste wie Marion Schneider mögen sich nicht daran gewöhnen:
    "Auffällig ist doch in den letzten Jahren, dass der Flugverkehr zugenommen hat. Und gerade in Keitum, das immer sehr ruhig und idyllisch war, merkt man schon, dass die Maschinen relativ tief fliegen und sehr viel Lärm machen. Das nervt einen schon."
    Nicht nur Urlauber, sondern auch Insulaner wie den Arzt und Naturschützer Dr. Roland Klockenhoff.
    "Es geht morgens teilweise um sieben, halb acht los und endet am Wochenende um zehn Uhr. Manchmal später."
    40 Landungen und Starts pro Tag
    Die liebste Nordseeinsel der Deutschen lebt vom Tourismus. Mehr als eine halbe Million Urlauber kommen im Jahr nach Sylt. Und nicht wenige kommen mittlerweile für einen Kurzaufenthalt mit dem Flieger. Reisten 2004 noch rund 25.000 über den Luftweg an, so sind es inzwischen fast 200.000. Fast 14.000 Starts und Landungen pro Jahr weist die Statistik des Flughafens aus. Macht pro Tag circa 40 Starts und Landungen mit damit verbundenem Lärm aus. Trotzdem steckt der Flughafen Millionen tief in den roten Zahlen, sodass die Gemeindeverantwortlichen auch schon über eine Fluggastabgabe nachgedacht haben - ohne eine Lösung gefunden zu haben, um das Loch im Etat zu stopfen. Außerdem: Willkommen sind die Gäste, die, wenn auch nur für ein paar Tage aus einer Boeing 737 oder einem Airbus 23 klettern, bei der touristischen Insel-Vermarktung in jedem Fall. Vor allem bei den Gastronomen, sagt offen Nico Schacht.
    "Dieses Thema Fliegen auf Sylt ist ja ein relativ heikles Thema. Trotzdem muss ich sagen, dass diese moderne Anbindung, Verkehrsanbindung an diese Insel, meiner Ansicht nach wurde es unbedingt Zeit, dass das so gekommen ist. Dass diese Anbindung uns Gäste auf diese Insel gebracht hat, die zwei, drei Tage kommen, aus den Großstädten. Die sich sagen: Jetzt fahren wir mal auf die Insel, entspannen. Und sind dementsprechend auch bereit, mehr Geld auszugeben als, ich sag mal, ein Langzeitgast, der sich das so ein bisschen besser einteilen muss. In jedem Fall hat der Flugverkehr uns auch in der ruhigen Zeit mehr Gäste gebracht. Das ist definitiv."
    Der Ausbau des Flugverkehrs, räumt Makler Lars Axmann indirekt ein, habe auch das sowieso hochpreisige Immobiliengeschäft auf dem Eiland in der Nordsee beflügelt.
    "Dadurch, und das ist auch ein wichtiger Aspekt geworden, dass wir jetzt einen gut ausgebauten Flugverkehr haben, interessieren sich auch mehr Herrschaften aus dem südlichen Bereich wieder vermehrt hierfür. Weil sie eben die stundenlange Autofahrerei sich nicht mehr antun müssen und sich eben in einer Stunde zehn oder wie auch immer in den Flieger setzen können und dann eben auf der Insel sind."
    Angst vor dem "Mallorca-Effekt"
    Umweltbewegte Sylter wie der Arzt Roland Klockenhoff haben zum Flugverkehr naturgemäß eine andere Meinung.
    "Der Kurdirektor von Westerland hat angesichts steigender Flugzahlen von einem Mallorca-Effekt hier auf der Insel gesprochen. Und diesen Effekt, diesen Mallorca-Effekt, wollen wir hier eigentlich nicht. Die Insel hat eben eine wunderbare Natur. Und die Natur ist die Wirtschaftsgrundlage dieser Insel. Und sie hat so Schutzgüter wie Ruhe zum Beispiel."
    Ruhe, die die Urlauberjets stören.
    "Wo der Flugverkehr allerdings dafür sorgt, dass mitten im Kern der Insel die Kurorte Wennigstedt und Keitum mehr oder weniger zu Einflugschneisen degenerieren und damit letztendlich die Urlaubsqualität leidet. Und dazu gehört auch die Ruhe, die als sehr wertvoll betrachtet wird. Sodass es in diesen Einflugschneisen nicht nur Probleme mit der Vermietung gibt, sondern auch für die Leute, die dort wohnen, es eine ernst zu nehmende Belastung darstellt."
    Schon ohne den Flugverkehr gibt es auf Sylt reichlich Umweltbelastungen.
    "Wenn Sie bei Schlechtwetter nach Westerland fahren in der Hochsaison, dann hat Westerland eine Großstadtverkehrsdichte. Wenn Sie an entsprechenden Tagen nach List fahren, dann steht dort Auto an Auto. Sie können fast über die Dächer nach List laufen."
    Touristischer Ausverkauf?
    Für Umweltschützer wie Klockenhoff belastet das die Insel schon mehr als genug. Doch was für so manchen Sylt-Liebhaber als Erleichterung gilt, nämlich in kurzer Zeit mit dem Flieger auf die Insel gelangen zu können, das erscheint - wie Marion Schneider bestätigt - vielen Gästen in ihren Stammquartieren in der Einflugschneise nicht mehr zumutbar.
    "Freunde von uns, die da auch regelmäßig hingefahren sind, die haben sich schon andere Orte auf der Insel ausgesucht. Fühlten sich gestört durch diesen Lärm. Ja, schade eigentlich drum."
    Der touristische Ausverkauf der Insel kann auch aus der Luft letztlich ins Auge gehen.