Freitag, 19. April 2024

Archiv

Tourismus auf der Krim
Eine wirtschaftliche Katastrophe

Die Krim ist zu Friedenszeiten ein Urlaubsparadies für Ukrainer, Russen und Europäer gewesen. Hier, wo die Luft so gesund und die Küste so malerisch ist, glaubt die Tourismusbranche an keine rosige Zukunft im russischen Empire.

Von Florian Kellermann | 12.03.2014
    Urlaubsparadies Jalta: Der Liwadija-Palast war 1945 Schauplatz der historischen Jalta-Konferenz, wo die drei Großmächte 1945 Deutschland und Europa aufteilten.
    Urlaubsparadies Jalta: Der Liwadija-Palast war 1945 Schauplatz der historischen Jalta-Konferenz, wo die drei Großmächte 1945 Deutschland und Europa aufteilten. (dpa / Daniel Gammert)
    Das Hotel "Villa Elena" ist eines der edelsten in Jalta. Palmengarten, Jugendstilgebäude, im Restaurant serviert der Kellner mit weißen Handschuhen. Trotzdem ist das Fünf-Sterne-Haus fast leer - ungewöhnlich für die erste Märzhälfte, die am Schwarzen Meer als Frühlingsbeginn gilt. Hotelmanager Alexej Woloschin rückt die pastellfarbene Krawatte zurecht.
    "Normalerweise arbeiten bei uns um diese Jahreszeit 170 Angestellte, die Hälfte von ihnen mussten wir leider vorübergehend entlassen. Ich hoffe sehr, dass sich die Situation rasch entspannt und das Militär sich wieder von der Halbinsel zurückzieht. Denn Militärpräsenz macht den Gästen natürlich Angst."
    Schon jetzt haben sie im Hotel Villa Elena praktisch alle Buchungen für den Sommer stornieren müssen. Doch wenn die politische Krise noch länger als einen Monat andauert, dann wird die gesamte Urlaubssaison auf der Krim ausfallen. Dann werden sich die Urlauber nach anderen Regionen umsehen. Das wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für die Krim. Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen. Im vergangenen Jahr kamen knapp sechs Millionen Gäste. Viele Menschen verdienen ihr Geld fast ausschließlich in der Urlaubssaison, indem sie privat Zimmer vermieten - an der 400 Kilometer langen Südküste mit ihren malerischen Buchten. Eine ausgefallene Saison könnte die Krim noch halbwegs verschmerzen, sagen Experten. Hotelmanager Alexej Woloschin fürchtet viel weiterreichende Folgen.
    Abchasien vor Augen
    "Wir haben das Beispiel Abchasien vor Augen. In der Sowjetunion galt diese Region am Schwarzen Meer sogar als besser als die Krim. Sie liegt südlicher, die Saison ist länger und die Natur reicher, mit stärkerem subtropischen Charakter. Heute gibt es dort praktisch keinen Tourismus mehr. Schuld waren die russisch-georgischen Spannungen um Abchasien, die schon in den 1990er Jahren begannen."
    Wenn die Krim wie Abchasien ein Gebiet mit international umstrittenem Status wird, dürften die meisten Touristen aus der Ukraine ausbleiben, meinen Experten. Diese machten im vergangenen Jahr zwei Drittel der Gäste aus. Auch Touristen aus der Europäischen Union wird es kaum mehr auf die Halbinsel ziehen. Ein harter Schlag für diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren an westliche Kunden gerichtet haben. Im Hotel Villa Elena zum Beispiel kommen durchschnittlich 15 Prozent der Gäste aus Europa, eine deutliche Steigerung, erzählt der Manager. Aber auch Mittelständler sind betroffen, wie Eskender Ametow, eigentlich Musiker, der eine kleine Reiseagentur gegründet hat und ständig neue Ideen entwickelt.
    "Wir bieten thematische Ausflüge an, auch zur Geschichte; eine ist den Bauten der Sowjetarmee gewidmet. Wir besuchen unter anderem unterirdische Bunker. Für die Touristen aus der Ukraine und aus Russland ist das uninteressant - anders als bei Besuchern aus dem Westen. Ich bin auf die Idee gekommen, als ich US-Amerikaner getroffen habe, die gezielt nach solchen Objekten gesucht haben."
    Russische Kurgäste
    Eine Zukunft für diese Idee sieht Eskender Ametow nicht. Aber auch sein zweites Standbein könnte ihm wegbrechen, fürchtet er - die Organisation von kostspieligen Festen für die Krimbewohner selbst. Wenn die Menschen hier weniger verdienen, dann werde ihnen dafür das Geld fehlen, sagt er. Die einzige Hoffnung für die Krim, sollte sie die Ukraine verlassen: sehr viel mehr Gäste aus Russland. Der russische Kulturminister Vladimir Medinski rief seine Landsleute bereits auf, gerade in diesem Jahr auf die Halbinsel zu reisen. Seine Bemerkung, dort erwartete die Besucher "ein Meer von Eindrücken", fassten manche Krimbewohner allerdings als Sarkasmus auf. Langfristig könnten russische Kurgäste zumindest die Statistik aufbessern, sagt die Wirtschaftsjournalistin Olga Fomina.
    "Auf der Krim gilt das Klima als gesundheitsfördernd, sie ist deshalb auch im Winter interessant für Russen aus dem Norden. Die russische Gesundheitsbehörde genehmigt nur Kuren im eigenen Land - in Zukunft vielleicht also auch auf der Krim. Diese Gäste fehlen dann aber in anderen russischen Kurorten, vor allem in Sotschi. Dort sind für die Olympischen Spiele gerade riesige neue Hotelanlagen entstanden, die auch gefüllt werden wollen."
    Hoteldirektor Alexej Woloschin vom Hotel "Villa Elena" will an ein solches Szenario überhaupt nicht denken. Die Krim gehöre zur Ukraine, sagt er, etwas anderes könne er sich gar nicht vorstellen.