Tradition

Kommt ein Dichter in die Kneipe - Oder: Das Petr-Prinzip

Die Tastatur einer alten Schreibmaschine.
Ein Feature über einen tschechischen Dichter, der hart in den Fabriken arbeitet und sich in der Kneipe die Nächte um die Ohren schlägt, um schließlich Gedichte darüber zu schreiben. © imago / McPHOTO
Von Martin Becker und Tabea Soergel · 11.09.2015
Für den tschechischen Mindestlohn von umgerechnet unter fünf Euro pro Stunde steht Petr jeden Morgen um halb fünf auf und fährt mit dem Bus zu seiner Mülldeponie, wo er die Abfälle der Stadt Prag sortiert. Sämtliche Spielzeuge seiner zwei Kinder, sagt er, habe er von dort mitgebracht. Petr ist ein Depp, sagt er selbst. Petr ist ein Genie, sagen seine Freunde.
Weil er sämtliche Daten der tschechischen Geschichte auswendig kennt. Weil er, der fast nie Alkohol trinkt, plötzlich am Kneipentisch ganze Versepen erfindet. Dieses Feature erzählt von seinem Leben, dem Leben eines Dichters. Der durch seinen besten Freund Igor zum Sänger einer Band geworden ist und sogar im tschechischen Rundfunk auftrat. Der mittlerweile mit seiner Dichtung Poetry Slams aufmischt.
Zugleich steht Petr für eine Tradition, die mehr und mehr verschwindet: der tschechische Dichter, der hart in den Fabriken arbeitet und sich in der Kneipe die Nächte um die Ohren schlägt, um schließlich Gedichte darüber zu schreiben, wie er arbeitet und sich in der Kneipe die Nächte um die Ohren schlägt.
Produktion: SWR/DLF 2015