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Traditionsseglern droht das Aus

Die Berufsgenossenschaft Verkehr droht dem Nachbau eines historischen Frachtseglers die Einstufung als Traditionsschiff zu entziehen. Der Grund: Die Lovis soll keinen historischen Wert haben. Doch der Verein, der mit dem Schiff Schülern die ursprüngliche Seefahrt nahe bringt, protestiert gegen die Entscheidung.

Von Dietrich Mohaupt | 04.06.2013
    "In diesem Schiff stecken so viele – unzählige – Arbeitsstunden, nicht nur in unserem Schiff, sondern auch in denen von vielen anderen Menschen, die sich um Schiffe kümmern – und das wird mit Füßen getreten."

    Der Frust sitzt tief bei der Crew der Lovis. Jahrelang habe das Schiff das erforderliche Sicherheitszeugnis als Traditionssegler erhalten, jetzt soll damit plötzlich Schluss sein – eine nicht nachvollziehbare Behördenwillkür, meint der Pädagoge Thomas Schmidt vom Trägerverein BÖE e.V. aus Greifswald.

    "Auf der einen Seite wird uns immer gesagt, dass wir sehr wertvolle Arbeit machen, dass wir hier mit Jugendlichen etwas auf die Beine gestellt haben, was sehenswert ist, weshalb junge Leute aus Rheinland-Pfalz selbst im Winter kommen, um eine Woche lang auf dem Schiff mitzuarbeiten, dass wir ein total schönes Bildungskonzept haben, das auch im universitären Bereich Anerkennung findet – und dann sagt uns eine andere staatliche Stelle von heute auf morgen: Ihr könnt ab dem 30.06. nicht mehr fahren, ohne uns zu sagen, warum eigentlich – es liegt ja kein Sicherheitsproblem vor – und auch ohne uns eine Lösung anzubieten, die uns mit diesem Betreiberkonzept leben lässt."

    Derzeit wird die Lovis als Traditionsschiff von ehrenamtlichen Skippern gefahren – die sind nach Kriterien der Sportschifffahrt ausgebildet und brauchen kein Kapitänspatent, wie es in der Berufsschifffahrt notwendig ist, erläutert Thomas Schmidt. Mit dem Verlust des Status als Traditionsschiff wäre das nicht mehr möglich.

    "Wir haben in den letzten Jahren einen Stand erreicht, wo Jugendliche selber Skipperinnen und Skipper hier auf diesem Schiff geworden sind – mit all dem, was man dazu an Nachweisen heutzutage braucht – die können jetzt nicht zur Seefahrtsschule gehen und noch nebenbei Kapitänin oder Kapitän werden, um dieses Schiff dann ehrenamtlich zu fahren. Wir können aber natürlich auch keinen ausgebildeten Kapitän fragen: Würden Sie vielleicht uns helfen und dieses Schiff fahren – aber wir können Ihnen das nicht bezahlen."

    Ähnlich wie der Lovis geht es vielen Traditionsschiffen – die zuständige Berufsgenossenschaft Verkehr verweigere historischen Schiffen immer häufiger die entsprechende Einstufung, berichtet Dörte Münstermann von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Museumshäfen. In der Behörde lege man offenbar immer strengere Maßstäbe an, vermutet sie.

    "Seit 2001 gibt es eine Richtlinie für Traditionsschiffe, die ein Sicherheitszeugnis vorsieht für die Fahrzeuge, die eben in der Öffentlichkeit fremde Leute transportieren wollen. Innerhalb dieser Zeit haben bis 2008 rund 150 Schiffe ein Traditionsschiffszeugnis, ein Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe, erhalten – seit 2008 wird dieser Bestand kontinuierlich abgebaut, wir sind jetzt wieder bei knapp 100, das heißt ein Rückgang um ein Drittel."

    Besonders ärgerlich sei, dass die Berufsgenossenschaft Verkehr sich immer wieder andere Gründe suche, um Traditionsschiffen die Fahrerlaubnis zu verweigern, beklagt Jörg Hase, der seit einigen Jahren schon als ehrenamtlicher Skipper auf der Lovis fährt.

    "Es wird von Schiff zu Schiff unterschiedlich begründet – mal damit, dass ein Schiff nicht mehr historisch genug ist, dass es nicht mehr im Originalzustand erhalten ist, mal damit, dass der Betreiberverein nicht ideell ist, mal wird das damit begründet, dass das Betreibermodell nicht der traditionellen Schifffahrt entspricht. Hier entscheidet die Behörde über Dinge, die – aus meiner Sicht – ihr nicht zustehen."

    Fragen der Schiffssicherheit – ja, dafür sei die Berufsgenossenschaft Verkehr der richtige Ansprechpartner, aber nicht für die Frage, was ein historisches Wasserfahrzeug sei, oder ob das Betreiberkonzept den Richtlinien entspreche. Die Politik sei hier gefragt, so Hase weiter – es müsse eine neue Kategorie geben für Schiffe wie die Lovis, die auf gemeinnütziger Basis die ursprüngliche Seefahrt vermitteln, fordert er.

    "Wir fahren als gemeinnützige ehrenamtliche Projekte, sind nicht gewinnorientiert, keine Berufsschifffahrt, und trotzdem werden an uns Regeln und Richtlinien angelegt, die nicht erkenntlich sind, die nicht deutlich gemacht werden – wir wissen nicht, was passiert, wir sind in Unsicherheit gelassen."

    Diese Unsicherheit lastet schwer auf der Crew der Lovis – die Arbeit für ein ganzes Jahr drohe gerade in sich zusammenzufallen, erzählt Thomas Schmidt.

    "Wir haben eine Saison mit sehr intensiven und spannenden Themen geplant, bis hin zu internationalen Jugendbegegnungen runter an der holländischen, französischen und englischen Küste – das steht eigentlich alles fertig und bereit und jetzt werden wir dies alles nicht umsetzen können, das heißt, wir werden ab 30. Juni in einem Hafen liegen und abwarten müssen, was dann passiert."

    Trotz dieser eher düsteren Perspektive haben die Männer rund Frauen der Lovis ihre Zuversicht fast schon ein bisschen trotzig stimmen sie ein altes Seefahrerlied an – aufgeben, das kommt überhaupt nicht infrage, beteuert Bootsfrau Annika Härtel.

    "Nee, auf keinen Fall – also, das bedeutet jetzt erst mal, dass ich dann auch nicht mehr fahren kann, aber ich werde alles, also meine ganze Kraft in dieses Projekt stecken und dafür kämpfen, dass wir weiter fahren dürfen."