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Trainspotting mit irischer Poesie

Sie verpacken Liebesdramen in optimistische Melodien und singen von Männern, die auf dem WC ihren Kopf verlieren und als Widerstandskämpfer im Dschungel wieder aufwachen. Auf ihrem zweiten Album kämpfen die irischen Villagers mit allen Mitteln um künstlerischen Freiraum.

Von Amy Zayed | 12.01.2013
    "Ich wartete auf etwas, aber etwas war gestorben. Also wartete ich auf nichts, und nichts ist gekommen."

    "Der Song Nothing Arrived steht für das ganze Album. Der Moment, indem einem klar wird, dass letztendlich alles bedeutungslos ist, ist ein Moment, in dem man sich entscheiden muss. Entweder man tut dass, was viele im Verlauf der Geschichte getan haben, sich irgendwelchen politischen oder religiösen Missionen zu verschreiben. Oder man zelebriert das Leben als das, was es ist: ein einziges großes Chaos, mit der Mission uns gegenseitig zu verstehen und zu lieben."

    Dieses Chaos akustisch umzusetzen, war das selbst gesetzte Ziel der Villagers für ihr Album "Awayland". Das gelingt ihnen vor allem durch die verschiedenen Einflüsse, die manchmal vollkommen unerwartet auf den Hörer hereinbrechen. Da säuselt erst eine Akustikgitarre, in die plötzlich ein Technosound einfließt, dann dröhnen E-Gitarren zusammen mit Synthesizern und hektischem Sprechgesang. Dann wieder feiert Conor O'Brien mit fröhlicher Stimme irdische Vergnügungen.

    "Als ich anfing zu schreiben, hatte ich Angst. Wird das Album genauso ankommen wie das Debüt? Und dann dachte ich: Nein, jetzt reichts! Ich mache alles anders! Beim letzten Album hatte ich schon von vornherein ein klares Bild. Wie das Cover aussehen und worum es gehen sollte. Hier kam alles eher vollkommen unkontrolliert. Erst fielen mir irgendwelche Melodien ein, die ich lustig zusammen geworfen habe, und irgendwann kamen die passenden Texte. Das passierte ganz schnell."

    Auch die Texte sind das reine Chaos. O'Brien fühlt sich zwar auch durch eigene Erfahrungen inspiriert, schickt diese aber erst einmal durch seinen Fantasiefilter. Dazu nutzt er die eigenen Träume genauso wie Erinnerungen an Bücher und Filme.

    "Das Chaos muss schon einen Sinn ergeben. Bei Earthly Pleasures hatte ich zum Beispiel schon recht früh diese Melodie im Kopf, die total positiv ist, drumherum wollte ich es aber schön bedrohlich wirken lassen. Der Text ist einfach nur schräg. Da geht's um einen Typen, der nackt auf der Toilette sitzt und sein Leben furchtbar findet. Dann steht er auf, und sein Kopf fällt ins Klo. Plötzlich steht er mitten im Urwald , kämpft im brasilianischen Unabhängigkeitskrieg mit und muss Leute erschießen. Aber eigentlich will er das gar nicht. Dann verliebt er sich in eine Göttin, die ihn enttäuscht. Dann gibt er sich selber zwei Ohrfeigen, wacht auf und ist wieder auf der Toilette. Er bückt sich, fischt seinen Kopf heraus, setzt ihn wieder auf, und denkt: So schlimm ist mein Leben gar nicht, und geht raus."

    Conor O' Brien spielt gerne mit Gegensätzen. Tragisches klingt komisch, witzige Texte werden mit unheilvoll klingender Musik kombiniert.

    "Ich hatte einfach keine Lust mehr, über Liebeskummer zu schreiben. Wenn man jung ist, und gerade anfängt sich für Gedichte oder Musik zu interessieren, versucht man automatisch über Trauer und Schmerzen zu schreiben, weil einem diese Gedichte immer gefallen haben. Wenn man diese Erfahrungen aber dann wirklich selber macht, dann braucht es eine ganze Weile, bis man darüber schreiben kann, weil der Schmerz viel zu groß ist. Also wollte ich aus der Tragödie eine Tragikomödie machen, etwas worüber man lachen und weinen kann."

    "Awayland" ist ein interessanter Zufluchtsort geworden, der die eigene Fantasie anregt. Eine musikalische Mischung aus den Filmen "Trainspotting" und "Pulp Fiction" mit einem ganz klein bisschen irischer Poesie. Und ist damit genauso ambitioniert, wie ein zweites Album es auch sein sollte.