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Traktorstrahlen
Forscher steuern mit Wasserwellen Objekte

Durch sogenannte Traktorstrahlen können Raumschiffe in "Star Trek" Objekte festhalten und zu sich heranziehen. Was in der Science-Fiction funktioniert, haben australische Forscher nun im Labor mithilfe von Wasserwellen und Spielzeugbooten geschafft.

Von Franziska Konitzer | 11.08.2014
    Ein Traktorstrahl funktioniert ähnlich wie ein Schleppseil: Er kann ein Objekt festhalten und zur Quelle des Traktorstrahls heranziehen. In den letzten Jahren ist es Wissenschaftlern bereits gelungen, Traktorstrahlen aus Licht oder Ultraschallwellen zu erzeugen. Diese können bislang allerdings nur millimetergroße Objekte in komplexen Versuchsaufbauten bewegen. Es geht aber auch einfacher: in einem Wasserbecken, acht Zentimeter tief und einen halben Meter breit.
    "Wir benutzen einen Kolben, der sich im Wasser periodisch auf und ab bewegt und so Wellen erzeugt, die sich vom Kolben, also der Quelle, wegbewegen. Wir können die Wellen mit zylinder- oder kegelförmigen Kolben erzeugen. Unterschiedliche Kolben erzeugen unterschiedliche Strömungen an der Wasseroberfläche",
    erklärt Michael Shats von der Australian National University in Canberra. Um einen Traktorstrahl zu erzeugen, der schwimmende Objekte anzieht, müssen die Wasserwellen die richtige Form haben.
    "Der interessanteste Effekt trat auf, als wir die Höhe der Wellen vergrößert haben. Das geht ganz einfach, indem man den Ausschlag des Kolbens vergrößert. Niedrige Wellen sind linear und breiten sich geradlinig und regelmäßig aus. Aber wenn die Höhe der Wellen zunimmt, werden sie im Grunde genommen dreidimensional."
    Bei niedrigem Wellengang bildet das Wasser sanfte Wellen aus. Bei höheren Wellen hingegen lassen sich kleine Berge auf der Wasseroberfläche erkennen. Die größte Überraschung erlebte das Team um Michael Shats aber, als sie ihre Daten analysierten.
    "Die eigentliche Entdeckung haben wir gemacht, als wir am Computer veranschaulichten, wie das Wasser an der Oberfläche strömt. Mit bloßen Auge ist das nicht zu erkennen, denn da nehmen wir nur die Form der Wasseroberfläche war, nicht aber die Bewegung der Flüssigkeit. Die tatsächlichen Strömungen zu analysieren, das war der entscheidende Schritt."
    Mathematiker verzweifeln
    Die Forscher erkannten, dass sich der Wasserfluss in einem bestimmten Bereich umkehrt . Eigentlich sollte das Wasser immer vom Wellenerzeuger, also dem Kolben, wegfließen. Bei den großen Wellen mit ihren Bergen ergab sich aber ein Korridor, in dem das Wasser auf den Kolben zufloss: ein Traktorstrahl aus Wasser also. Erfolgreiche Tests mit Tischtennisbällen und Spielzeugbooten zeigten: Die Objekte werden tatsächlich in Richtung des Kolbens getrieben.
    Der einfache Versuchsaufbau täuscht allerdings über die Komplexität dieses Phänomens hinweg – denn Mathematiker verzweifeln daran.
    "Es gibt bislang keine mathematische Lösung, die diese Art der Bewegung beschreiben kann. Das ist ein sehr kompliziertes Problem: Für einfache, geradlinige Wellen mit geringen Amplituden geht es, aber für dreidimensionale, nicht-geradlinige Wellen sind bislang keine Lösungen bekannt."
    Für Experimentalphysiker heißt das: einfach ausprobieren. Michael Shats freut sich schon darauf.
    "Im Grunde genommen haben wir gerade erst einmal an der Oberfläche gekratzt, denn es gibt so viele Möglichkeiten. Bislang haben wir uns hauptsächlich auf den sogenannten Traktorstrahl aus Wasser konzentriert, aber das ist nur ein Beispiel von vielen. Prinzipiell können wir beliebig komplexe Wasserströme erzeugen. Wir können Teilchen wegstoßen oder wir können sie treiben lassen. Wir können sie zur Wellenquelle hinbewegen oder wir können Strudel erzeugen und sie darin festhalten."
    So ist es durchaus denkbar, dass die Wissenschaftler ihren Traktorstrahl eines Tages im Meer austesten werden. Langfristig gesehen wären mögliche Anwendungen, Objekte auf der Wasseroberfläche gezielt zu lenken – und dabei könnte es sich um Blätter in einem Schwimmbad handeln oder auch um einen Ölteppich im Meer.