Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Transatlantische Wirtschaftsbeziehungen
"Eigenbrötlertum macht arm"

Das Freihandelsabkommen TTIP komme jetzt von beiden Seiten des Atlantiks in die Zange, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Kooths im DLF. Sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump hätten sich für einen Protektionismus ausgesprochen. Das koste Europa und die Vereinigten Staaten Wohlstand, denn viele Jobs könnten dadurch erst gar nicht entstehen.

Stefan Kooths im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 12.08.2016
    Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Stefan Kooths, der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.
    Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Stefan Kooths, der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. (picture alliance / dpa / Tim Brakemeier )
    Jessica Sturmberg: Hillary Clinton hat sich denselben Ort ausgesucht wie ihr Konkurrent Donald Trump, um ihr Wirtschaftsprogramm vorzustellen. So diametral entgegengesetzt die beiden Kandidaten an sich sind, es gibt auch Gemeinsamkeiten oder sagen wir Berührungspunkte.
    Wir wollen beide Programme dahin gehend beleuchten, was sie für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen bedeuten. Dazu bin ich verbunden mit Prof. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel.
    Auch Hillary Clinton ist kritischer geworden gegenüber Freihandelsabkommen, sie sagte, sie lehne diese ab, wenn dadurch amerikanische Jobs in Gefahr wären. Was heißt das für die europäische Wirtschaft, vor allem die deutsche?
    Stefan Kooths: Ja, das heißt leider nichts Gutes, denn TTIP kommt jetzt von beiden Seiten des Atlantiks in die Zange und in den Vereinigten Staaten ist es nun so, dass die Wähler auch gar keine Wahl haben, weil sich nun ja beide Kandidaten erklärtermaßen nicht für den Freihandel, sondern für mehr Protektionismus ausgesprochen haben. Das ist leider eine sehr unglückliche Entwicklung, die sich dort jetzt abzeichnet.
    "Über die Jahre wird es uns Wohlstand kosten"
    Sturmberg: Was kostet denn dieser Protektionismus?
    Kooths: Er kostet uns insgesamt Wohlstand, und er kommt trotzdem immer wieder zustande, weil wir die Verlierer von Freihandel, also diejenigen, die ihre Jobs verlieren, weil sie im internationalen Wettbewerb eben nicht mehr mithalten können, die kann man sehr schön medial präsentieren. Aber die vielen Jobs, die dadurch erst gar nicht entstehen können, die sieht man eben im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht. Und deshalb kostet uns das, sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten Wohlstand. Wir sind zu diesem großen Wohlstand gekommen, insbesondere hierzulande, in Deutschland, weil wir uns der Welt geöffnet haben. Ökonomische Weltoffenheit macht reich, Eigenbrötlertum macht arm. Das wird dann nicht über Nacht geschehen, aber über die Jahre wird es uns eben Wohlstand kosten.
    Sturmberg: Wenn es nach Hillary Clinton geht, dann soll ganz viel investiert werden in neue Technologien, vor allen Dingen in erneuerbare Energien, während Donald Trump ja doch eher auf die Kohle setzt. Wie wird sich das weltwirtschaftlich auswirken, je nachdem, welches Konzept da am Ende gewinnen wird?
    Kooths: Das hängt natürlich jetzt sehr stark davon ab, wie das konkret ausgestaltet werden soll. Ich halte beide Instrumente nicht für besonders klug, weil sie politischerseits auf einen bestimmten Energieträger oder eine bestimmte Energieproduktionsweise setzen. Es wäre vernünftiger zu sagen, dass man bestimmte Emissionen, die weltwirtschaftlich sozusagen problematisch sind, dass man die besteuert. Dann würden automatisch Alternativtechnologien an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Welche das dann konkret sind, wird sich dann aber erst durch die Findigkeit der Ingenieure und auch die Kreativität der Unternehmen herausstellen. Es wäre den Vereinigten Staaten nicht zu raten, dieselben Fehler zu begehen, die wir hier in Deutschland schon vorgemacht haben. Wir könnten denselben Umwelteffekt in Deutschland zu viel günstigeren Konditionen haben, als wir sie durch die Art und Weise realisieren, wie wir die Energiewende angehen. Oder Sie könnten es auch umdrehen, Sie könnten sagen, mit den Mitteln, die wir uns die Energiewende kosten lassen, könnten wir einen viel höheren Umwelteffekt erzielen. Das ist also eine sehr teure Variante, weil sie sehr interventionistisch ist, und leider ist es bezeichnend, beide Kandidaten in den Vereinigten Staaten sind letztendlich doch sehr interventionistisch unterwegs.
    "Ich vermute, dass sich Frau Clinton etwas moderater verhält"
    Sturmberg: Wenn Sie das jetzt mal insgesamt betrachten – wem trauen Sie denn da jetzt die höhere Wirtschaftskompetenz zu?
    Kooths: Ich vermute, dass wahrscheinlich Frau Clinton, wenn sie im Amt wäre, sich dann doch anders, etwas moderater verhält, als sie es jetzt ankündigt, und dann vermutlich eher eine traditionelle Wirtschaftspolitik fortführt, so wie wir sie grosso modo aus den letzten zehn Jahren etwa in den Vereinigten Staaten kennen. Bei Herrn Trump gibt es sehr viele Fragezeichen. Sehr schwer einzuschätzen, was er tatsächlich tut. Er ist generell offenbar jemand, der sich wieder in die eigenen Landesgrenzen zurückzieht. Es ist eine seltsame Konstellation. Normalerweise würde man ja von einem Kandidaten, der aus der Wirtschaft kommt, der sich für die Interessen des Wachstums einsetzt, eben nicht erwarten, dass er dann so relativ billige Parolen gegen den Freihandel fährt, sondern er müsste sich eigentlich einsetzen, wenn er eine wachstumsfreundliche Politik aus einem Guss anstrebt, die nicht nur auf Steuersetzungen setzt, sondern eben auch auf Öffnung der amerikanischen Volkswirtschaft, mehr Freihandel und nicht mehr Protektionismus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.