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Transparency-Bericht
"Prangerliste" für korrupte Unternehmen gefordert

Export-Weltmeister Deutschland schneidet gut ab in Sachen Bestechung. Das geht aus einem Transparency-Bericht zur Auslandsbestechung von Amtsträgern im Geschäftsverkehr hervor. "Doch es gibt keinen Grund zum Jubeln", sagt Geschäftsführerin Anna-Maija Mertens angesichts des schlechten Gesamtniveaus. Sie dringt auf die Einführung eines Korruptionsregisters.

Anna-Maija Mertens im Gespräch mit Birgid Becker | 20.08.2015
    Korruption ist in der EU in vielen Formen verbreitet.
    20 von 41 Ländern, die die OECD-Konvention unterzeichnet haben, schneiden sehr schlecht ab. (dpa / picture-alliance / Josef Horazny)
    Birgid Becker: Mit den Hermes-Krediten sichert die Bundesregierung die Exporte deutscher Unternehmen ins Ausland ab; eine Art praktische politische Exporthilfe ist das. Allerdings hat die Politik auch ihre Vorstellungen davon, welche Art von Ausfuhren sie da unterstützen will, und zu diesen Vorstellungen gehört ganz wesentlich, dass die Produkte zumindest zur knappen Hälfte auch in Deutschland hergestellt sein sollten. Die Wirtschaft findet das hinderlich, auch nicht mehr zeitgemäß.
    Wir bleiben in der thematischen Nähe, blicken aber auf die Schattenseiten des internationalen Geschäftsverkehrs. Damit einen guten Tag an die Geschäftsführerin von Transparency International. Guten Tag, Anna-Maija Mertens.
    Anna-Maija Mertens: Guten Tag, Frau Becker.
    Becker: Transparency, die Anti-Korruptions-Organisation, hat gerade einen Bericht veröffentlicht zur Auslandsbestechung von Amtsträgern im Geschäftsverkehr, verknappt zur Bestechung im Ausland. Und die gute Nachricht vorab: Deutschland steht da recht positiv da.
    Mertens: Ja. Das ist in der Tat der Fall. Insgesamt aber gibt es keinen Grund zum Jubeln aus unserer Sicht, weil das Gesamtniveau sehr schlecht ist. Es sind insgesamt 41 Unternehmen, die die OECD-Konvention unterzeichnet haben, und sogar 20 davon schneiden sehr schlecht ab. Entweder haben sie keine Bemühungen unternommen, um gegen Auslandsbestechung vorzugehen, oder nur sehr gering.
    Becker: Sie sagten es: Grundlage ist eine OECD-Konvention, die von gut 40, 41 Staaten zwar unterzeichnet wurde, bei der sich aber bei der Hälfte der Staaten nach der Unterzeichnung kaum etwas geändert hat. Welche Staaten sind da besonders verhaltensresistent?
    20 von 41 schneiden schlecht ab
    Mertens: Das sind letztendlich sehr viele. Es sind 20, die insgesamt sehr schlecht sind. Natürlich Brasilien wird heutzutage auch sehr viel thematisiert. Eigentlich alle, außer vieren, die ziemlich gut abgeschnitten haben. Das ist Deutschland, die Schweiz, USA und Großbritannien. Alle darunter haben keine besonderen Erfolge vorzuweisen. Es ist natürlich gut, dass die vier exportstarken Nationen sind. Sie verantworten insgesamt über 22 Prozent des Gesamtexports global. Aber auch diese Länder haben stark Verbesserungspotenzial.
    Becker: Anders als man vielleicht meinen sollte oder meinen könnte, ist Bestechung im Ausland ja durchaus nicht überall strafbewährt. Im Gegenteil: Vielfach ist das nur eine Ordnungswidrigkeit.
    Mertens: Ja. Das ist in der Tat so. Das war sogar vor der OECD-Konvention auch für die deutschen Unternehmen nicht strafbar. Es konnte man sogar steuerlich absetzen. Erst seitdem ist es jetzt strafbar, aber was wir immer noch nicht haben, ist das sogenannte Unternehmensstrafrecht. Das ist etwas, wofür wir schon längere Zeit eintreten, insbesondere deswegen, weil es diese Korruption weg vom Ordnungswidrigkeits-Delikt hin zur Straftat bringen würde. Es würde dann nicht mehr das Opportunitätsprinzip greifen, sondern das Legalitätsprinzip. Das bedeutet, dass Korruption strafrechtlich verfolgt werden müsste und würde nicht mehr im Ermessen der handelnden Akteure liegen.
    Becker: Diese Forderung nach einem gesonderten Strafrecht für multinationale Unternehmen ist ja gar nicht so sehr aus der Welt. Da gibt es auch eine Passage im Koalitionsvertrag.
    Mertens: Das ist richtig so. Das soll ja geprüft werden. Danach fragen wir auch. Derzeit wird es aber immer noch nicht umgesetzt. Das wird heftig diskutiert. Wir halten es für wichtig, auch deswegen, weil es die Kultur ändern würde. Man müsste noch mal schauen, welche Verantwortung haben die Unternehmen in diesem Kontext. Das sind nicht nur die Mitarbeiter, sondern eine Unternehmenskultur spielt eine große Rolle. Daher haben Unternehmen auch Macht in diesem Kontext und können viel etwas gegen Korruption tun.
    Becker: Dann müsste sich das aber um eine Übereinkunft handeln, die dann wirklich von ganz vielen Staaten auch gesetzlich umgesetzt wird. Ist das realistisch?
    Forderung nach Korruptionsregister
    Mertens: Dafür kämpfen wir. Man kann ja Schritt für Schritt da vorgehen. Was wir zunächst fordern, ist ein Korruptionsregister. Wir fordern, dass wir dieses Mittel Transparenz im Kampf gegen die Korruption stärker einsetzen. Wir wollen zunächst in Deutschland bundesweit ein Korruptionsregister, einfach zu handhaben, dass nicht mehr die Fälle anonym behandelt werden. Wir wollen, dass die Unternehmen erwähnt werden, dass die Staaten erwähnt werden, teilweise die handelnden Personen, so eine Art Prangerliste, wenn Sie wollen, damit öffentliche Einrichtungen, aber auch Unternehmen, die Aufträge zu vergeben haben, durchchecken können, welche Unternehmen korrupt gehandelt haben.
    Becker: Ganz kurz noch, weil wir gleich über die Kanzlerin-Reise nach Brasilien berichten. Brasilien gehört zu den Staaten, die diese OECD-Konvention unterzeichnet haben?
    Mertens: Ja, das ist richtig, und ziemlich schlecht abgeschnitten hat.
    Becker: Anna-Maija Mertens war das, die Geschäftsführerin von Transparency International, der Anti-Korruptions-Organisation. Danke, schönen Tag.
    Mertens: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.