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Transparenz im Krankenhaus
Schlechte Qualität ohne Konsequenzen

Viele Krankenhäuser wollen Patienten mit Qualitätsberichten von ihren Standards überzeugen. Doch die Berichte sind oft lang und unverständlich - schlechte Ergebnisse tauchen meistens nicht auf. Bisher hatte das keine Konsequenzen für die Kliniken. Ein neues Gesetz soll das jetzt ändern.

Von Timo Stukenberg | 21.03.2016
    Zwei mit durchsichtiger Folie überzogene Krankenhausbetten stehen auf einem Krankenhausflur.
    Schlechte Ergebnisse in Qualitätsberichten werden oft verschwiegen. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    "Guten Tag. Da ist ja unser Starpatient."
    Wolfgang Motz, Klinik-Direktor in Karlsburg, führt eine Traube Journalisten in das Patientenzimmer von Rudi Hömke. Er ist der 1000. TAVI-Patient im Klinikum Karlsburg, das vor kurzem als "TAVI-Zentrum" ausgezeichnet wurde. Mit TAVI bezeichnet man eine neue Operationsmethode, bei der die Herzklappe mithilfe eines Katheters ersetzt wird. Sie gilt als äußerst lukrativ.
    Was Klinikdirektor Motz nicht erwähnt, sind die schlechten Ergebnisse seines Klinikums in dessen Qualitätsberichten aus den vergangenen beiden Jahren – und zwar beim Thema TAVI. Schon zum zweiten Mal in Folge habe das Klinikum die Leitlinien missachtet, ist in den Berichten nachzulesen. Einige Patienten hätten nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften gar nicht nach dieser Methode operiert werden dürfen. Wolfgang Motz wiegelt ab.
    "Diese ganze Fragebogen-Ausfüllerei hat nichts mit der Qualität des Eingriffs zu tun, weil sie müssen sich vorstellen, das ist eine enorme Papierflut, die gar nicht das Leben beschreibt. Das ist nur von den Kostenträgern ein Werkzeug, um die Krankenhäuser in die Defensive zu bringen. Das hat nichts mit Qualität zu tun."
    Qualitätsberichte sind weitgehend unbrauchbar
    Seit 2005 müssen die Krankenhäuser nach jedem Eingriff einen Qualitätsbogen ausfüllen. 2014 meldeten sie mehr als 3,2 Millionen Fälle. Insgesamt werden 416 Qualitätsindikatoren gemessen - von der Anwesenheit eines Kinderarztes bei einer Frühgeburt bis zur richtigen Indikation von TAVI. All das soll sicherstellen, dass die deutschen Krankenhäuser gewisse Qualitätsstandards nicht unterschreiten. Und es soll die Patienten über die Qualität ihrer Kliniken informieren.
    Doch die Qualitätsberichte sind weitgehend unbrauchbar. Sie sind unverständlich, verschleiern schlechte Qualität und haben keine Konsequenzen. Und das, obwohl allein die Krankenhäuser jährlich mehr als 14 Millionen Euro für diese Berichte ausgeben.
    "Wie viele Seiten sind es denn? 256. Wenn Sie ein paar Titelseiten abziehen, ist es immer noch eine Menge Stoff zu lesen."
    Seit der Einführung der Qualitätsberichte sitzt Wolf-Dietrich Trenner im gemeinsamen Bundesausschuss. Er vertritt dort die Patienten beim Thema Qualitätssicherung. Für ihn bestehen gleich zwei grundsätzliche Probleme mit den Berichten.
    Geringe Transparenz, komplizierte Wortwahl
    "Die Transparenz ist gering. Das hat auf der einen Seite den Grund, dass Leistungserbringer, also Krankenhäuser und Ärzte, nicht gerne veröffentlichen, wenn sie Fehler gemacht haben. Keiner macht das gerne. Der zweite Grund ist, Patientinnen und Patienten, also die Leser dieser Berichte verstehen die Spezialitäten dieser Berichte nicht und auch nicht die Wortwahl. Wenn in diesen Kreisen davon geredet wird, dass es Verbesserungspotenzial gibt, ist das schon eine ziemlich vernichtende Kritik."
    Dass die Qualitätsberichte so unleserlich sind, erklärt Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, so:
    "Wenn wir hinter all diesen Aspekten, da brauche ich mir bloß Krankenhausberichte von tausenden Seiten bald, Erklärungslegenden schreiben würden, bin ich fest davon überzeugt, dass die Patienten vieles verstehen. Das Problem ist nur, unsere Krankenhausberichte würden ungeheuer dick werden und damit nicht mehr übersichtlich."
    Schlechte Ergebnisse haben oft keine Konsequenzen
    Doch selbst wer die Angaben versteht, steht vor gleich mehreren Problemen. Zum Beispiel, dass die Daten nicht verlässlich sind. Eine Untersuchung des Hamburg Center for Health Economics aus dem Jahr 2014 zeigt, dass wesentlich mehr Hüft-OPs abgerechnet werden als in den Qualitätsberichten auftauchen. Der Verdacht: Für schlechte Hüft-OPs lassen sich die Krankenhäuser zwar bezahlen, in ihre Berichte schreiben sie sie aber nicht.
    Selbst wenn die Daten belastbar sind, sind sie nicht aktuell. Im Jahr 2016 kann sich ein Patient über die Qualität aus dem Jahr 2014 informieren. Ein schlechter Operateur kann längst durch einen guten ersetzt worden sein – oder eben umgekehrt.
    Konsequenzen hat ein schlechtes Ergebnis in den Qualitätsberichten für die Krankenhäuser nicht, sagt auch Klinikdirektor Motz.
    "Gar nichts. Hat keine Sanktionen. Das ist keine schlechte Qualität. Verstehen Sie, das ist keine schlechte Qualität. Das können Sie daran nicht ableiten. Irgendwann höre ich dann auch auf, wenn irgendwer noch etwas schreibt, irgendwann lass' mer's halt."
    Laut dem Krankenhausstrukturgesetz sollen schlechte Qualitätsergebnisse in Zukunft sanktioniert werden – nur wie, das ist noch nicht klar. Das sollen Krankenhäuser, Ärzte und Krankenkassen im Gemeinsamen Bundesausschuss klären, bevor 2018 die nächste Runde an Neuregelungen für die Krankenhäuser in Kraft tritt.
    Die Recherche zu diesem Beitrag ist vom gemeinnützigen Recherchezentrum correctiv.org betreut worden, im Rahmen eines Datenfellowships der Rudolf Augstein Stiftung.