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"Transparenz, Transparenz, Transparenz!"

Zu ihrem 60. Jubiläum sieht sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft auch öffentlicher Kritik ausgesetzt. Angesichts der hohen Bedeutung von DFG-Fördermitteln für die Hochschulen fordern fünf renommierte Wissenschaftler mehr Transparenz und einen Abbau von Bürokratie.

Uwe Jochum im Gespräch mit Kate Maleike | 06.07.2011
    Kate Maleike: Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist heute ein wichtiger Tag, denn sie begeht ihren 60. Geburtstag und feiert dazu mit Festakt in Bonn. Bundeskanzlerin Merkel kommt auch. Über zwei Milliarden Euro hat die DFG als wichtigste Stelle für Forschungsförderung in Deutschland im vergangenen Jahr an Geldern vergeben. Diese kommen im Wesentlichen übrigens von Bund und Ländern. Aber ganz ungetrübt dürfte die Feierstimmung am heutigen 60. nicht sein, denn es gibt Kritik: Die DFG sei zu intransparent in der Vergabepraxis und es gebe zu viel Bürokratie. Diese Kritik steht jetzt im Raum, und sie kommt von fünf Wissenschaftlern, die sich Luft gemacht haben. Darunter ist auch Dr. Uwe Jochum, wissenschaftlicher Bibliothekar an der Uni Konstanz. Hallo, Herr Jochum!

    Uwe Jochum: Grüße Sie, Frau Maleike!

    Maleike: Jetzt ist ja nicht jeder fit im Antragswesen und in der Vergabepraxis der DFG. Können Sie vielleicht konkret sagen, an welchen Stellen Sie diese Kritik auch ansetzen?

    Jochum: Bevor man über die Vergabepraxis spricht, muss man zunächst mal vielleicht doch ganz kurz noch mal über die Konstruktion der DFG sprechen. Die DFG ist nämlich nichts weiter als ein Verein, ein eingetragener Verein, obwohl er, wie Sie gerade sagten, von Bund und Ländern getragen wird. Das heißt, wir haben im Grunde eine Steuerfinanzierung eines Vereins, der als Verein nicht rechenschaftspflichtig ist. Dieser Verein kann also sämtliche Regularien so erfinden, wie er sie als Verein gerne haben möchte, ohne irgendjemandem darüber Auskunft geben zu müssen, erstens, wie er diese Regularien erfindet, und zweitens, in welcher Form dann auch Gelder über diese Regularien ausgegeben werden. Das ist glaube ich ein sehr großer Missstand genau deshalb, weil dieser Verein DFG ja inzwischen bundesweit Forschungspolitik maßgeblich bestimmt, und zwar deshalb, weil die Landeshochschulen zwar juristisch natürlich Hochschulen eines jeweiligen Bundeslandes sind, aber durch die jahrzehntelange Unterfinanzierung inzwischen in der Situation sind, dass ein maßgeblicher Finanzier der Landeshochschulen die DFG als Verein ist, also eine Einrichtung, die bundesweit agiert, und wir also ein Ungleichgewicht haben zwischen diesem bundesweit agierenden Verein, der völlig intransparent ist, und den Landeshochschulen. Also da beißt sich juristisch und verfassungspolitisch einiges. Wenn dieser Verein dann Regularien erfindet für die Antragssteller, die so gestaltet sind, dass die Antragssteller, wollen Sie denn einen erfolgreichen Antrag in der DFG platzieren, gar nichts anderes tun können als sich an diesen Regularien ausrichten, dann ist die Frage immer die: Wie sind diese Regularien im Detail gestrickt? Sind das Regularien, die den Forscher dort abholen, wo er als Individuum steht, also bei dem, was er möchte, oder sind es Regularien, die den Forscher in eine bestimmte Richtung drängen, sage ich mal? Und was man sehen kann, ist, dass diese Drängelprozesse in den vergangenen Jahren immer stärker zugenommen haben. Und das ist natürlich von Übel, weil wir uns fragen müssen: Wollen wir eigentlich freie, unabhängige Forscher, die von der DFG finanziert werden, oder wollen wir eine Forschung, die von der DFG gesteuert wird, und zwar so, dass den Forschern nichts anderes übrig bleibt, als über die Antragsverfahren das zu beantragen, was man von oben, nämlich von der DFG her als bundesweit agierendem Verein, haben möchte?

    Maleike: Nun sind Sie zu fünft gewesen, die Wutwissenschaftler, wie Sie genannt werden. Wir haben natürlich auch versucht, Stimmen aus der Praxis zu bekommen, haben das zum Beispiel in Hamburg versucht, und sind leider Gottes nur auf Mauern gestoßen. Niemand wollte sich dazu öffentlich äußern. Sie brechen diese Mauer des Schweigens jetzt. Hoffen Sie, dass sich viele anschließen werden?

    Jochum: Ja, natürlich hoffen wir das, weil es ist einfach so: In dem System, in dem DFG-Finanzierungs- und politischen Lenkungssystem, das eingerissen ist, haben Sie genau den Effekt, den Sie beschrieben haben: Sie haben viele Wissenschaftler, die sehr wohl sehen, dass, wenn Sie sich auf das Antragswesen der DFG einlassen, sie eigentlich sich anpassen müssen an Strukturen, die sie gar nicht wollen können. Gleichwohl bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig, als sich an diese Strukturen anzupassen, wenn sei denn an Forschungsmittel heranwollen, weil die einzelnen Universitäten durch ihre groteske Unterfinanzierung eben gar nicht mehr leisten können, was sie leisten sollen.

    In einem solchen System haben sie zwangsläufig den Effekt, dass Sie in Schweigekartellen agieren, nämlich so, dass jeder sich hinter vorgehaltener Hand über das System beschwert, sehr viele bis in hohe Universitäts- und bildungspolitische Kreise hinein natürlich wissen, was dort abgeht, aber niemand sich öffentlich äußern wird, weil er davon ausgehen muss, dass er sich nicht nur finanziell schädigt, weil er Forschungsmittel nicht bekommt, sondern dass er sich natürlich in Strukturen begibt, bei denen man, ich sage mal, mit subtilen Mitteln ihm zu verstehen gibt, dass diese öffentliche Äußerung aus Sicht der DFG kontraproduktiv ist. Und das führt dann zu der Reaktion, die Sie gerade beschrieben haben: In Hamburg geht niemand von den Wissenschaftlern öffentlich vors Mikrofon, und das ist in anderen Städten genauso.

    Maleike: Was würden Sie denn, wenn Sie jetzt in drei Sätzen zusammenfassen müssten, was Sie verändern wollen an der DFG, an der Praxis, wie Forschung in Deutschland gefördert wird durch die DFG - daran wird sich ja zunächst mal wahrscheinlich nicht viel ändern -, was wäre das, was wären ihre Ansätze?

    Jochum: Das sind drei Punkte: Transparenz, Transparenz, Transparenz! Und in der Konkretisierung schlicht und einfach so: Es kann nicht sein, dass wir nicht erfahren, wie viele Mittel in welche Projekte gehen, das heißt, wenn wir etwa 2 Milliarden, 2,2 Milliarden Euro pro Jahr haben, die die DFG verausgabt, und niemand weiß, wie diese Mittel genau verausgabt werden - also welcher Wissenschaftler bekommt für welche Projekte wie viele Mittel? -, dann ist das nicht gut. Wir brauchen also zunächst einmal eine klare, glasklare Dokumentation der Verausgabung der Mittel. Wir brauchen eine Dokumentation der internen Verfahren der DFG. Wenn Ausschüsse in der DFG besetzt werden mit Personal und wenn es, was jetzt der Fall ist, da hinkommt, dass Personal in Ober- und Unterausschüssen sitzt, dann brauchen wir erstens ganz klar eine Dokumentation dieser Prozesse. Wir müssen das klar machen, dass es da Personalüberschneidungen gibt, und wir müssen darauf hinarbeiten, dass diese Personalüberschneidung in den Ausschüssen beendet wird, und wir müssen auch darüber nachdenken, ob das gesamte Gutachterwesen nicht geändert werden kann, das im Augenblick so aussieht, dass diese Gutachten nicht veröffentlicht werden. Man erfährt nichts, man kriegt die Bescheide. Und es gibt gute Beispiele aus anderen Ländern, wo man das transparent macht, indem auch diese Begutachtungsprozesse nachvollziehbar für die Öffentlichkeit und die Betroffenen natürlich dann veröffentlicht werden. Ich denke, das alles muss zusammenkommen und lässt sich noch einmal in diese drei wunderbaren Begriffe fassen: Transparenz, Transparenz, Transparenz.