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Trauerarbeit in Bildern

In "Im Winter ein Jahr" erzählt Oscar-Preisträgerin Caroline Link von einer Familie, die ein Jahr nach seinem Freitod des Sohnes bzw. des Bruders gedenkt. Die Trauerarbeit beginnt, als die Mutter (Corinna Harfouch) ein Porträt von ihm und seiner Schwester in Auftrag gibt.

Von Josef Schnelle | 13.11.2008
    Mit diesem ungewöhnlichen Auftrag beginnt der Film "Im Winter ein Jahr” und es ist gleich klar, dass sein Thema Trauerarbeit sein wird. Alle trauern um Alexander, dessen "Jagdunfall” mit 19 Jahren einige Rätsel aufgibt. Schwester Lilli, die auf dem Porträt, mit dem der Maler Max Hollander beauftragt wird, zusammen mit ihrem Bruder erscheinen soll, ist anfangs auf Protest gebürstet. Sie findet die Idee ihrer Mutter reichlich unpassend und lässt den vereinsamten Maler spüren, dass ihr die ganze Richtung nicht passt. Doch auch der hat ein paar Geheimnisse.

    Bald wird sich herausstellen, dass die beiden – ein großartig brummig aufspielender Sepp Bierbichler als der Maler und die ebenso kratzbürstig wie verletzliche Jungmimin Karoline Herfurth als Lilli – mehr gemeinsam haben, als sie anfangs denken. In einer – na sagen wir einmal Schmalspurvariante - zitiert Caroline Link den Film "Die schöne Querulantin” von Jacques Rivette herbei. In diesem Film nahm Michel Piccoli die junge Schauspielerin Emmanuel Beart als Aktmodell in seine Malerschule, die auch eine Serie von Therapiesitzungen war. Mit diesem Therapieaspekt des Filmklassikers kann es Link durchaus aufnehmen, nicht jedoch mit dessen virtuose Beschreibung des künstlerischen Prozesses als schmerzhafte Enthüllung der Seele. Das Kapital des Films von Caroline Link sind die Darsteller: Sepp Bierbichler, der nur langsam die vielen Schichten seiner Selbstinszenierung enthüllt und Karoline Herfurth als junge Frau, die stark sein will, aber in Wahrheit unter der Last der selbst auferlegten Verantwortung fast zusammenbricht.

    Auch Corinna Harfouch als selbstsichere, ihre Verzweiflung perfekt vertuschende Mutter und Hanns Zischler als längst fahnenflüchtiger Ehemann schaffen es, ihre wenigen Szenen handwerklich perfekt zu nutzen. Eigentlich ist das das Etikett, das man dem ganzen Film aufkleben könnte: Er ist handwerklich perfekt. Ein interessantes Melodram zu dem bei Filmemachern derzeit sehr beliebten Thema "Trauerarbeit”. Die Beziehung zwischen dem Maler und dem Mädchen wächst sich auch fast zu einer echten Liebesgeschichte aus. Gut gespielt, geschmackvoll inszeniert, perfekt ausgeleuchtet und virtuos fotografiert ist dieser Film. Wieso nur wirkt er so lieblos gemacht und am Ende so belanglos. Die Zutaten stimmen doch alle. Vielleicht geht bei so langer Vorbereitung irgendwann die Leidenschaft und das Herzblut verloren. Man kann diesen Film gut anschauen und er mag für den einen oder anderen auch vergnüglich sein. Aber dass eine (fast zweifache) Oscarpreisträgerin aus der Top-Liga der deutschen Filmemacher ihn gedreht hat, ist nie zu spüren. Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Film Caroline Links, die die Oscarbürde nun endlich los ist und neue Filme machen kann. "Im Winter ein Jahr” wird am Ende gewiss nicht zu den stärksten Filmen ihrer Karriere gezählt werden.